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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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Die skandinavische Union zwischen Schweden, Norwegen und
Dänemark.

Der Vertrag vom December zwischen den Westmachten und Schweden
hat die Blicke Europas wiederum auf die skandinavischen Königreiche gerastet.
Seit dem Verlust Finnlands und der Vereinigung mit Norwegen hat Schwe¬
den nicht nur seine frühere politische Stellung und seine Bedeutung für den
Norden Europas verloren, sondern es hatte auch ein politisches System
adoptirt. wodurch es gleich Dänemark von Rußland am Schlepptau geführt
wurde.

Seit der Wahl Bernadottes zum schwedischen Thronfolger, im Jahr 1810,
und dem Kriege Frankreichs gegen Rußland, im Jahre hat letzteres einen
entscheidenden Einfluß in Stockholm gewonnen, einen Einfluß, der sich bis in
die neueste Zeit geltend machte und der Politik des schwedischen Cabinets die
Richtung gab. der sie bisher folgte.

Der Vertrag mit den Westmächten hat dieser Politik ein Ende gemacht
und es ist für das europäische Jmeresse zu hoffen, daß Schweden wiederum
die politische Stellung einzunehmen trachten wird, die es in früheren Jahr¬
hunderten einnahm, nämlich eine starke unabhängige Macht zweiten Ranges
zu sein, die vermittelst ihrer geographischen Lage vorzugsweise dazu geeignet
erscheinen möchte, im Norden Europas das Gleichgewicht zwischen dem Osten
und dem Westen aufrecht zu erhalten. Auch glauben wir nicht zu irren, wenn
wir behaupten, daß die drei skandinavischen Königreiche, Schweden, Nor¬
wegen und Dänemark dazu bestimmt sind, in nicht gar ferner Zeit zu einer
skandinavischen Union unter dem Scepter der gegenwärtigen schwedischen Dy¬
nastie verbunden zu werden.

ES möchte diese Behauptung, nachdem vor wenigen Jahren das londoner
Protokoll unterzeichnet und der darauf beruhende sogenannte dänische Gesammt-
stacit. gebildet ist, auffällig erscheinen, insbesondere denjenigen, denen die gegen¬
wärtigen, dänischen Zustände und Verhältnisse unbekannt sind. Wir glauben
aber, daß grade in diesen Zuständen und Verhältnissen die sicherste Garantie
für die Richtigkeit unsrer Behauptung liegt, und zwar aus folgenden Gründen.


Grenzboten. II. 183S.
Die skandinavische Union zwischen Schweden, Norwegen und
Dänemark.

Der Vertrag vom December zwischen den Westmachten und Schweden
hat die Blicke Europas wiederum auf die skandinavischen Königreiche gerastet.
Seit dem Verlust Finnlands und der Vereinigung mit Norwegen hat Schwe¬
den nicht nur seine frühere politische Stellung und seine Bedeutung für den
Norden Europas verloren, sondern es hatte auch ein politisches System
adoptirt. wodurch es gleich Dänemark von Rußland am Schlepptau geführt
wurde.

Seit der Wahl Bernadottes zum schwedischen Thronfolger, im Jahr 1810,
und dem Kriege Frankreichs gegen Rußland, im Jahre hat letzteres einen
entscheidenden Einfluß in Stockholm gewonnen, einen Einfluß, der sich bis in
die neueste Zeit geltend machte und der Politik des schwedischen Cabinets die
Richtung gab. der sie bisher folgte.

Der Vertrag mit den Westmächten hat dieser Politik ein Ende gemacht
und es ist für das europäische Jmeresse zu hoffen, daß Schweden wiederum
die politische Stellung einzunehmen trachten wird, die es in früheren Jahr¬
hunderten einnahm, nämlich eine starke unabhängige Macht zweiten Ranges
zu sein, die vermittelst ihrer geographischen Lage vorzugsweise dazu geeignet
erscheinen möchte, im Norden Europas das Gleichgewicht zwischen dem Osten
und dem Westen aufrecht zu erhalten. Auch glauben wir nicht zu irren, wenn
wir behaupten, daß die drei skandinavischen Königreiche, Schweden, Nor¬
wegen und Dänemark dazu bestimmt sind, in nicht gar ferner Zeit zu einer
skandinavischen Union unter dem Scepter der gegenwärtigen schwedischen Dy¬
nastie verbunden zu werden.

ES möchte diese Behauptung, nachdem vor wenigen Jahren das londoner
Protokoll unterzeichnet und der darauf beruhende sogenannte dänische Gesammt-
stacit. gebildet ist, auffällig erscheinen, insbesondere denjenigen, denen die gegen¬
wärtigen, dänischen Zustände und Verhältnisse unbekannt sind. Wir glauben
aber, daß grade in diesen Zuständen und Verhältnissen die sicherste Garantie
für die Richtigkeit unsrer Behauptung liegt, und zwar aus folgenden Gründen.


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[0049] Die skandinavische Union zwischen Schweden, Norwegen und Dänemark. Der Vertrag vom December zwischen den Westmachten und Schweden hat die Blicke Europas wiederum auf die skandinavischen Königreiche gerastet. Seit dem Verlust Finnlands und der Vereinigung mit Norwegen hat Schwe¬ den nicht nur seine frühere politische Stellung und seine Bedeutung für den Norden Europas verloren, sondern es hatte auch ein politisches System adoptirt. wodurch es gleich Dänemark von Rußland am Schlepptau geführt wurde. Seit der Wahl Bernadottes zum schwedischen Thronfolger, im Jahr 1810, und dem Kriege Frankreichs gegen Rußland, im Jahre hat letzteres einen entscheidenden Einfluß in Stockholm gewonnen, einen Einfluß, der sich bis in die neueste Zeit geltend machte und der Politik des schwedischen Cabinets die Richtung gab. der sie bisher folgte. Der Vertrag mit den Westmächten hat dieser Politik ein Ende gemacht und es ist für das europäische Jmeresse zu hoffen, daß Schweden wiederum die politische Stellung einzunehmen trachten wird, die es in früheren Jahr¬ hunderten einnahm, nämlich eine starke unabhängige Macht zweiten Ranges zu sein, die vermittelst ihrer geographischen Lage vorzugsweise dazu geeignet erscheinen möchte, im Norden Europas das Gleichgewicht zwischen dem Osten und dem Westen aufrecht zu erhalten. Auch glauben wir nicht zu irren, wenn wir behaupten, daß die drei skandinavischen Königreiche, Schweden, Nor¬ wegen und Dänemark dazu bestimmt sind, in nicht gar ferner Zeit zu einer skandinavischen Union unter dem Scepter der gegenwärtigen schwedischen Dy¬ nastie verbunden zu werden. ES möchte diese Behauptung, nachdem vor wenigen Jahren das londoner Protokoll unterzeichnet und der darauf beruhende sogenannte dänische Gesammt- stacit. gebildet ist, auffällig erscheinen, insbesondere denjenigen, denen die gegen¬ wärtigen, dänischen Zustände und Verhältnisse unbekannt sind. Wir glauben aber, daß grade in diesen Zuständen und Verhältnissen die sicherste Garantie für die Richtigkeit unsrer Behauptung liegt, und zwar aus folgenden Gründen. Grenzboten. II. 183S.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/49>, abgerufen am 03.05.2024.