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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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der Seele ruhe, der werde durch keine Gründe zur Ueberzeugung geführt
werden.

Bedenken wir nun, wie Gesners und seines durch ihn geweckten Freundes
Ernesti Schule zuerst den Alterlhumöstudien eine gesunde Richtung in Deutsch¬
land wiedergab, wie aus diesen Winckelmann und Lessing das Rüstzeug zu
ihren Kämpfen entnahmen, wie diese beiden von Herder, Goethe und allen
Gewaltigen jener großen Zeit als Führer und Leitsterne ihrer Ausbildung
anerkannt werden, so haben wir eine festgeschlossene Kette von Einwirkungen,
die Gesners Namen mit dem Größten verbinden, was Deutschland besitzt.




Ein Blick aus Knnsas.

Das sechste Jahrzehnt unsers Jahrhunderts scheint bestimmt, die Krisis,
welche sich aus den widerstreitenden Elementen im nordamerikanischen Staats¬
körper mit Nothwendigkeit entwickelte, zur Katastrophe zu bringen. Wenn den
bei jedem Wahlkampse bis zur Maßlosigkeit sich erhitzenden Zeitungen zu glau¬
ben ist, so sind die Dinge auf eine Spitze getrieben, wo weder ans der einen
noch auf der andern Seite an ein Umkehren, ja nicht einmal an Stillstehen
zu denken ist. schroffer wie je stehen sich die Parteien gegenüber, deutlicher
wie je sprechen die "Platformen", die politischen Glaubensbekenntnisse der Partei¬
führer, welche die Hauptmasse der Stimmen in sich vereinigen, das aus,
was von jeher im Hintergrunde lag, und lauter wie jemals erhebt die äußerste
Rechte wie die äußerste Linke den verhängnißvollen Ruf: Trennung des Südens
vom Norden.

Die alten Parteien der Whigs und der Demokraten haben ihre Bedeutung
verloren. Die Knownothings haben sich so wenig wie ihre Vorgänger, die
Natives, eine ausschlaggebende Bedeutung zu erringen vermocht. Die Namen,
um die sichs handelt, sind Buchanan und Fremont. Die beiden Heere, welche
den Kampf kämpfen, sind die Hunkerdemokraten, die im Wesentlichen das
piercesche System fortführen würden, und die Republikaner, welche in der
Hauptfrage sich zu reformatorischen Grundsätzen bekennen. Die Frage, um die
sich alles dreht, ist die, ob es der Prosklavereipartei gestattet sein soll, sich mit
Gewalt auch im Norden neues Terrain zu erobern. Der Anlaß ist Kansas.

Werfen wir einen Blick auf den Westen der Vereinigten Staaten, der
durch die Eisenbahnen und Dampfschiffe in den letzten Jahren das Prädicat
des "Fernen" mehr und mehr verloren hat, während er in dem Maße, als
dies geschah und als die Poesie des Abenteuerlichen und Geheiyinißvollen von
ihm wich, an politischer Bedeutung gewann, so sehen wir dort allenthalben die
Saat zu neuen Staaten reisen.


der Seele ruhe, der werde durch keine Gründe zur Ueberzeugung geführt
werden.

Bedenken wir nun, wie Gesners und seines durch ihn geweckten Freundes
Ernesti Schule zuerst den Alterlhumöstudien eine gesunde Richtung in Deutsch¬
land wiedergab, wie aus diesen Winckelmann und Lessing das Rüstzeug zu
ihren Kämpfen entnahmen, wie diese beiden von Herder, Goethe und allen
Gewaltigen jener großen Zeit als Führer und Leitsterne ihrer Ausbildung
anerkannt werden, so haben wir eine festgeschlossene Kette von Einwirkungen,
die Gesners Namen mit dem Größten verbinden, was Deutschland besitzt.




Ein Blick aus Knnsas.

Das sechste Jahrzehnt unsers Jahrhunderts scheint bestimmt, die Krisis,
welche sich aus den widerstreitenden Elementen im nordamerikanischen Staats¬
körper mit Nothwendigkeit entwickelte, zur Katastrophe zu bringen. Wenn den
bei jedem Wahlkampse bis zur Maßlosigkeit sich erhitzenden Zeitungen zu glau¬
ben ist, so sind die Dinge auf eine Spitze getrieben, wo weder ans der einen
noch auf der andern Seite an ein Umkehren, ja nicht einmal an Stillstehen
zu denken ist. schroffer wie je stehen sich die Parteien gegenüber, deutlicher
wie je sprechen die „Platformen", die politischen Glaubensbekenntnisse der Partei¬
führer, welche die Hauptmasse der Stimmen in sich vereinigen, das aus,
was von jeher im Hintergrunde lag, und lauter wie jemals erhebt die äußerste
Rechte wie die äußerste Linke den verhängnißvollen Ruf: Trennung des Südens
vom Norden.

Die alten Parteien der Whigs und der Demokraten haben ihre Bedeutung
verloren. Die Knownothings haben sich so wenig wie ihre Vorgänger, die
Natives, eine ausschlaggebende Bedeutung zu erringen vermocht. Die Namen,
um die sichs handelt, sind Buchanan und Fremont. Die beiden Heere, welche
den Kampf kämpfen, sind die Hunkerdemokraten, die im Wesentlichen das
piercesche System fortführen würden, und die Republikaner, welche in der
Hauptfrage sich zu reformatorischen Grundsätzen bekennen. Die Frage, um die
sich alles dreht, ist die, ob es der Prosklavereipartei gestattet sein soll, sich mit
Gewalt auch im Norden neues Terrain zu erobern. Der Anlaß ist Kansas.

Werfen wir einen Blick auf den Westen der Vereinigten Staaten, der
durch die Eisenbahnen und Dampfschiffe in den letzten Jahren das Prädicat
des „Fernen" mehr und mehr verloren hat, während er in dem Maße, als
dies geschah und als die Poesie des Abenteuerlichen und Geheiyinißvollen von
ihm wich, an politischer Bedeutung gewann, so sehen wir dort allenthalben die
Saat zu neuen Staaten reisen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/144>, abgerufen am 04.05.2024.