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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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Servilismus gegen die Fürsten! Scheiterhaufen für die Ketzer! Wir wären
neugierig, was die Herren Montalembert und Reichensperger zu diesem neu¬
katholischen Ideal sagen werden. --


Bekenntnisse zweier Konvertiten über die neuesten religiösen und
politischen Fragen. Tübingen, H. Lauvpschc Buchhandlung. --

Karl ist vom Protestantismus zur katholischen Kirche übergetreten; sein
Freund Johannes thut bald darauf den umgekehrten Schritt. Karl, welcher
der starke Geist unter den beiden ist, macht auf die Wirren in protestantischen
Länder" aufmerksam, aus denen er die Unfruchtbarkeit des protestantischen
Princips herleitet, ungefähr in der Art des amerikanischen Schuhmachers, der
"ut großer Geringschätzung die Stiefeln deS Herrn Dickens betrachtete und
ausrief: Was muß das für eine Staatsverfassung sein, unter der solche
Stiefeln möglich sind! Johannes, der schwache Geist, gibt das Weiske zu und
bittet nur, nicht gar zu streng zu sein. Karl spricht beständig in einem herz¬
haften Pathos, natürlich mit großer Verachtung gegen Preußen, von dem
gesagt wird, es wollte frei werden von der Kirche, und verfiel der Knute.
Auch England muß in sich selbst versinken, wenn es nicht wieder katholisch
wird. Nur auf, einen Staat wird mit großer Zuversicht geblickt, auf Oestreich.
"Nun (Juni 1836) wird eS sich zeigen, wie lügenhaft der alle Vorwurf ist,
die deutschen Katholiken, die an Rom hängen, seien schlechte Patrioten., Wer
hat eben jetzt wahrhaft deutschen Sinn? Nur der entschiedene Katholik. Wer
sind die Verräther Deutschlands? Die Russeufreuudc, Absolutisten, Stock¬
lutheraner oder Freigemeindler. Stahl oder Bunsen: beide wollen einen abso¬
lutistischen Staat oder arbeiten wenigstens darauf hin, d. l). jeder in seiner
Art ihm in die Hände. -- Nur was redlich zu Oestreich steht, in der Kirche
keine fremde und unheimliche Macht sieht, wird sich retten. Wer verblendet
bleiben will, Leu wird die Revolution abschlachten oder Nußland uuter seine
Rauchwaare nehmen." -- Daß Stahl und seine Anhänger für Nußland ar¬
beiten, war uns allerdings bekannt, aber daß auch der liberale Protestantismus
dieser Partei angehört, diese Erfindung gehört zu jenen anmuthigen HanS-
wurstiaden, an denen es zur Ergvnung unsers verstimmten Zeitalters glück¬
I. S. licherweise noch immer nicht fehlt.




Vnder aus der Moldau")
Das Bad Starik.

"Ihre Frau muß künftigen Sommer ins Bad," sagte mir der Arzt im
vorigen Herbst. -- "Sollen wir nicht das Frühjahr abwarten, um das zu



') Dieser Artikel ist ans einem ungedruckten Mannscnpt: "Skizzen ans der Mol¬
dau" von W. v- Ko.dz edule,
Grenzboten. I. 1867. ,18

Servilismus gegen die Fürsten! Scheiterhaufen für die Ketzer! Wir wären
neugierig, was die Herren Montalembert und Reichensperger zu diesem neu¬
katholischen Ideal sagen werden. —


Bekenntnisse zweier Konvertiten über die neuesten religiösen und
politischen Fragen. Tübingen, H. Lauvpschc Buchhandlung. —

Karl ist vom Protestantismus zur katholischen Kirche übergetreten; sein
Freund Johannes thut bald darauf den umgekehrten Schritt. Karl, welcher
der starke Geist unter den beiden ist, macht auf die Wirren in protestantischen
Länder» aufmerksam, aus denen er die Unfruchtbarkeit des protestantischen
Princips herleitet, ungefähr in der Art des amerikanischen Schuhmachers, der
»ut großer Geringschätzung die Stiefeln deS Herrn Dickens betrachtete und
ausrief: Was muß das für eine Staatsverfassung sein, unter der solche
Stiefeln möglich sind! Johannes, der schwache Geist, gibt das Weiske zu und
bittet nur, nicht gar zu streng zu sein. Karl spricht beständig in einem herz¬
haften Pathos, natürlich mit großer Verachtung gegen Preußen, von dem
gesagt wird, es wollte frei werden von der Kirche, und verfiel der Knute.
Auch England muß in sich selbst versinken, wenn es nicht wieder katholisch
wird. Nur auf, einen Staat wird mit großer Zuversicht geblickt, auf Oestreich.
»Nun (Juni 1836) wird eS sich zeigen, wie lügenhaft der alle Vorwurf ist,
die deutschen Katholiken, die an Rom hängen, seien schlechte Patrioten., Wer
hat eben jetzt wahrhaft deutschen Sinn? Nur der entschiedene Katholik. Wer
sind die Verräther Deutschlands? Die Russeufreuudc, Absolutisten, Stock¬
lutheraner oder Freigemeindler. Stahl oder Bunsen: beide wollen einen abso¬
lutistischen Staat oder arbeiten wenigstens darauf hin, d. l). jeder in seiner
Art ihm in die Hände. — Nur was redlich zu Oestreich steht, in der Kirche
keine fremde und unheimliche Macht sieht, wird sich retten. Wer verblendet
bleiben will, Leu wird die Revolution abschlachten oder Nußland uuter seine
Rauchwaare nehmen." — Daß Stahl und seine Anhänger für Nußland ar¬
beiten, war uns allerdings bekannt, aber daß auch der liberale Protestantismus
dieser Partei angehört, diese Erfindung gehört zu jenen anmuthigen HanS-
wurstiaden, an denen es zur Ergvnung unsers verstimmten Zeitalters glück¬
I. S. licherweise noch immer nicht fehlt.




Vnder aus der Moldau»)
Das Bad Starik.

„Ihre Frau muß künftigen Sommer ins Bad," sagte mir der Arzt im
vorigen Herbst. — „Sollen wir nicht das Frühjahr abwarten, um das zu



') Dieser Artikel ist ans einem ungedruckten Mannscnpt: „Skizzen ans der Mol¬
dau" von W. v- Ko.dz edule,
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[0145] Servilismus gegen die Fürsten! Scheiterhaufen für die Ketzer! Wir wären neugierig, was die Herren Montalembert und Reichensperger zu diesem neu¬ katholischen Ideal sagen werden. — Bekenntnisse zweier Konvertiten über die neuesten religiösen und politischen Fragen. Tübingen, H. Lauvpschc Buchhandlung. — Karl ist vom Protestantismus zur katholischen Kirche übergetreten; sein Freund Johannes thut bald darauf den umgekehrten Schritt. Karl, welcher der starke Geist unter den beiden ist, macht auf die Wirren in protestantischen Länder» aufmerksam, aus denen er die Unfruchtbarkeit des protestantischen Princips herleitet, ungefähr in der Art des amerikanischen Schuhmachers, der »ut großer Geringschätzung die Stiefeln deS Herrn Dickens betrachtete und ausrief: Was muß das für eine Staatsverfassung sein, unter der solche Stiefeln möglich sind! Johannes, der schwache Geist, gibt das Weiske zu und bittet nur, nicht gar zu streng zu sein. Karl spricht beständig in einem herz¬ haften Pathos, natürlich mit großer Verachtung gegen Preußen, von dem gesagt wird, es wollte frei werden von der Kirche, und verfiel der Knute. Auch England muß in sich selbst versinken, wenn es nicht wieder katholisch wird. Nur auf, einen Staat wird mit großer Zuversicht geblickt, auf Oestreich. »Nun (Juni 1836) wird eS sich zeigen, wie lügenhaft der alle Vorwurf ist, die deutschen Katholiken, die an Rom hängen, seien schlechte Patrioten., Wer hat eben jetzt wahrhaft deutschen Sinn? Nur der entschiedene Katholik. Wer sind die Verräther Deutschlands? Die Russeufreuudc, Absolutisten, Stock¬ lutheraner oder Freigemeindler. Stahl oder Bunsen: beide wollen einen abso¬ lutistischen Staat oder arbeiten wenigstens darauf hin, d. l). jeder in seiner Art ihm in die Hände. — Nur was redlich zu Oestreich steht, in der Kirche keine fremde und unheimliche Macht sieht, wird sich retten. Wer verblendet bleiben will, Leu wird die Revolution abschlachten oder Nußland uuter seine Rauchwaare nehmen." — Daß Stahl und seine Anhänger für Nußland ar¬ beiten, war uns allerdings bekannt, aber daß auch der liberale Protestantismus dieser Partei angehört, diese Erfindung gehört zu jenen anmuthigen HanS- wurstiaden, an denen es zur Ergvnung unsers verstimmten Zeitalters glück¬ I. S. licherweise noch immer nicht fehlt. Vnder aus der Moldau») Das Bad Starik. „Ihre Frau muß künftigen Sommer ins Bad," sagte mir der Arzt im vorigen Herbst. — „Sollen wir nicht das Frühjahr abwarten, um das zu ') Dieser Artikel ist ans einem ungedruckten Mannscnpt: „Skizzen ans der Mol¬ dau" von W. v- Ko.dz edule, Grenzboten. I. 1867. ,18

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/145>, abgerufen am 27.04.2024.