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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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quarts, jodelst u. s. w. vorkommen, ferner die reichgefaßten Probir-
zungen, mit welchen die Speisen berührt und ob sie nicht mit Gift versetzt
seien, geprüft wurden; die gleichfalls von der Furcht, vergiftet zu werden,
erfundenen Bestcckkasten, in der Form eines Schiffes gearbeitet und use' ge¬
nannt, endlich die Fruchtschüsseln, die Schalen sür Confitüren oder "Zraxonki-s
und gar viele andere im Namen wie in der Bestimmung unkenntlich gewor¬
dene Geräthe. Wer sie schaute, gewann eine bessere Meinung von der Lebens¬
weise des dreizehnten Jahrhunderts. Der größte Theil des Vermögens wurde
in Gold und Edelsteinen angelegt, der Reichthum nach den Summen und dem
Werthe der Juwelen und Goldgefäße, die man besaß, gemessen. Die Masse
des Goldes und der Edelsteine, die König Philipp August hinterließ, würde
nach modernen Verhältnissen einem Goldwerthe von 29i Millionen Franken
gleichkommen. Der König glänzte aber nicht etwa ausnahmsweise durch die¬
sen reichen Schatz; die Fürsten und Grafen des Reiches eifern ihm nach und
häufen, wie die zahlreichen Inventare lehren, Goldmassen auf, die oft an die
angestaunten orientalischen Reichthümer erinnern."




Literatur.
Literatur.

Friedrich Halms Werke, ö. und 6. Band. Wien, Gerold. --
Die Gesammtausgabe eines Schriftstellers kann man immerhin i" das Gebiet der
Literaturgeschichte rechnen, denn sie setzt ein jahrelanges Wirken voraus, und eine
Theilnahme von Seiten des Publicums, von welcher die Literaturgeschichte Notiz
nehmen muß, auch wenn der kritische Maßstab, den sie anzulegen berechtigt und
verpflichtet ist, dnrch diese Werke nicht befriedigt'wird. Wir haben daher Schritt
für Schritt die Gesammtausgabe dieses Dichters verfolgt, der eine nicht unwichtige
Periode unsers Theaters am vollständigsten charakterisirt, die Periode, in welcher
die eigentlichen Excentricitäten der Romantik überwunden waren, und wo man sich
wieder zur alten Schillerschen Schule wandte, nur so, daß dies Mal die Reflexion
in den Vordergrund trat, daß man sich zuerst ein bestimmtes moralisches Princip
zurechtlegte, und nach Maßgabe desselben die Thatsachen auswählte und idealisirte.
Die Methode ist gewiß nicht die höchste der Dichtkunst, im Gegentheil sie verräth
bereits ein gewisses Absterben des poetischen Idealismus, aber für eine Zeit, der
es an unmittelbarer jugendlicher Kraft fehlt, hat sie ihre Berechtigung, und Halm
ist trotz seiner handgreiflichen Fehler der glänzendste Vertreter derselben. -- Die
vorliegenden Bände enthalten folgende Stücke (wir geben jedes Mal das Datum der
ersten Aufführung auf dem wiener Hofburgtheater an): Sampiero, 22. Januar
18i'L; Maria de Molina, 2. März 18L7; Verbot und Befehl, 29. März 18L8;
und der Fechter von Ravenna, 18. October >I8Si. Das letzte Stück, über welches
wir früher nach der Aufführung berichtet haben, ist darunter bei weitem das ge-


quarts, jodelst u. s. w. vorkommen, ferner die reichgefaßten Probir-
zungen, mit welchen die Speisen berührt und ob sie nicht mit Gift versetzt
seien, geprüft wurden; die gleichfalls von der Furcht, vergiftet zu werden,
erfundenen Bestcckkasten, in der Form eines Schiffes gearbeitet und use' ge¬
nannt, endlich die Fruchtschüsseln, die Schalen sür Confitüren oder «Zraxonki-s
und gar viele andere im Namen wie in der Bestimmung unkenntlich gewor¬
dene Geräthe. Wer sie schaute, gewann eine bessere Meinung von der Lebens¬
weise des dreizehnten Jahrhunderts. Der größte Theil des Vermögens wurde
in Gold und Edelsteinen angelegt, der Reichthum nach den Summen und dem
Werthe der Juwelen und Goldgefäße, die man besaß, gemessen. Die Masse
des Goldes und der Edelsteine, die König Philipp August hinterließ, würde
nach modernen Verhältnissen einem Goldwerthe von 29i Millionen Franken
gleichkommen. Der König glänzte aber nicht etwa ausnahmsweise durch die¬
sen reichen Schatz; die Fürsten und Grafen des Reiches eifern ihm nach und
häufen, wie die zahlreichen Inventare lehren, Goldmassen auf, die oft an die
angestaunten orientalischen Reichthümer erinnern."




Literatur.
Literatur.

Friedrich Halms Werke, ö. und 6. Band. Wien, Gerold. —
Die Gesammtausgabe eines Schriftstellers kann man immerhin i» das Gebiet der
Literaturgeschichte rechnen, denn sie setzt ein jahrelanges Wirken voraus, und eine
Theilnahme von Seiten des Publicums, von welcher die Literaturgeschichte Notiz
nehmen muß, auch wenn der kritische Maßstab, den sie anzulegen berechtigt und
verpflichtet ist, dnrch diese Werke nicht befriedigt'wird. Wir haben daher Schritt
für Schritt die Gesammtausgabe dieses Dichters verfolgt, der eine nicht unwichtige
Periode unsers Theaters am vollständigsten charakterisirt, die Periode, in welcher
die eigentlichen Excentricitäten der Romantik überwunden waren, und wo man sich
wieder zur alten Schillerschen Schule wandte, nur so, daß dies Mal die Reflexion
in den Vordergrund trat, daß man sich zuerst ein bestimmtes moralisches Princip
zurechtlegte, und nach Maßgabe desselben die Thatsachen auswählte und idealisirte.
Die Methode ist gewiß nicht die höchste der Dichtkunst, im Gegentheil sie verräth
bereits ein gewisses Absterben des poetischen Idealismus, aber für eine Zeit, der
es an unmittelbarer jugendlicher Kraft fehlt, hat sie ihre Berechtigung, und Halm
ist trotz seiner handgreiflichen Fehler der glänzendste Vertreter derselben. — Die
vorliegenden Bände enthalten folgende Stücke (wir geben jedes Mal das Datum der
ersten Aufführung auf dem wiener Hofburgtheater an): Sampiero, 22. Januar
18i'L; Maria de Molina, 2. März 18L7; Verbot und Befehl, 29. März 18L8;
und der Fechter von Ravenna, 18. October >I8Si. Das letzte Stück, über welches
wir früher nach der Aufführung berichtet haben, ist darunter bei weitem das ge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/204>, abgerufen am 27.04.2024.