Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

den, wollte ich mich mit der Praris ernähren, und Gott hat mir dazu seinen
reichen Segen mitgetheilt. Es war auch sehr berühmt damals der Ammann,
den man nannte der Bauer von Utzensdors, zu dem zog merklich viel Volk,
er konnte aus dem Wasser wahrsagen und gebrauchte seltsame Künste lange
Zeit, wodurch er groß Gut erobert hat. Nach ihm ist der Jude von Als-
weiler lange Zeit mächtig gebraucht worden. Es war auch ein altes Weib
im Gerbergäßlein, die Lülbüren genannt, die auch einen Zulauf von Kranken
hatte, wie auch beide Nachrichter allhier, Wolf und Görg, Gebrüder Käse,
deren ältester Bruder zu Schaffhausen berühmt gewesen in der Arznei, wie
auch ihr Vater Wolf, Nachrichter zu Tübingen.

Ich fing an, Kundschaften zu bekommen bei Bürgern und denen vom
Adel, die mich besonders probirten durch Uebersendung des Harns, woraus
ich weissagen mußte. Dabei wußte ich mich so zu benehmen, daß etliche sich
verwunderten und anfingen mich zu brauchen. Von Tage zu Tage bekam ich
je länger desto mehr Praxis sowol in der Stadt bei den Einwohnern, als
auch von Fremden, welche theils zu mir kamen und sich eine Zeitlang hier
aushielten, meine Mittel zu gebrauchen, theils auch gleich wiederum fortreihten
und meine Mittel sammt meinen Rathschlägen mitnahmen. Auch Fremde
forderten mich in ihre Häuser und Schlosser, wohin ich eilte und mich nicht
lang bei ihnen aufhielt, sondern bald wieder nach Haus eilte, damit ich vielen
Zu Hause wie in der Fremde dienen könnte.




Literatur.

Rußlands Einfluß auf, und Beziehungen zu Deutschland, vom
Beginne der Allcinregierung Peters 1. bis zum Tode Nikolaus I. (1689--1833);
nebst einem einleitenden Rückblicke auf die frühere Zeit. Von S. Sugenheim.
Zweiter Band. (1773--1863). Frankfurt a. M., H. Keller. Frankreichs Ein¬
fluß auf, und Beziehungen zu Deutschland seit der Reformation bis zur
ersten französischen Staatsumwälzung (1317 -- 1789). Von S. Sugenheim.
Zweiter Band. (1610--1789). Stuttgart, Hallbergersche Verlagshandlung. -- Bei
den Arbeiten von Sugenheim haben wir immer die unangenehme Empfindung, daß
ein sehr ernsthafter, angestrengter Fleiß und eine große Belesenheit in den Quellen
theils durch Hitze und leidenschaftliche Erbitterung, theils durch Mangel an festen
kritischen Principien aus der richtigen Bahn gelenkt wird. Er ist der festen Ueber¬
zeugung, daß die Geschichte, wie wir sie in den Schulen lernen, fast durchweg
auf Lügen beruht, und er geht mit einer wahrhaft fieberhaften Aengstlichkeit auf
neue Entdeckungen aus; Entdeckungen, die seinem Haß gegen den Despotismus
. neue Nahrung geben sollen. So hat er namentlich eine unglaubliche Virtuosität,
neue Geschlechtsregister aufzufinden, und es sieht fast so ans, als ob er nur die


den, wollte ich mich mit der Praris ernähren, und Gott hat mir dazu seinen
reichen Segen mitgetheilt. Es war auch sehr berühmt damals der Ammann,
den man nannte der Bauer von Utzensdors, zu dem zog merklich viel Volk,
er konnte aus dem Wasser wahrsagen und gebrauchte seltsame Künste lange
Zeit, wodurch er groß Gut erobert hat. Nach ihm ist der Jude von Als-
weiler lange Zeit mächtig gebraucht worden. Es war auch ein altes Weib
im Gerbergäßlein, die Lülbüren genannt, die auch einen Zulauf von Kranken
hatte, wie auch beide Nachrichter allhier, Wolf und Görg, Gebrüder Käse,
deren ältester Bruder zu Schaffhausen berühmt gewesen in der Arznei, wie
auch ihr Vater Wolf, Nachrichter zu Tübingen.

Ich fing an, Kundschaften zu bekommen bei Bürgern und denen vom
Adel, die mich besonders probirten durch Uebersendung des Harns, woraus
ich weissagen mußte. Dabei wußte ich mich so zu benehmen, daß etliche sich
verwunderten und anfingen mich zu brauchen. Von Tage zu Tage bekam ich
je länger desto mehr Praxis sowol in der Stadt bei den Einwohnern, als
auch von Fremden, welche theils zu mir kamen und sich eine Zeitlang hier
aushielten, meine Mittel zu gebrauchen, theils auch gleich wiederum fortreihten
und meine Mittel sammt meinen Rathschlägen mitnahmen. Auch Fremde
forderten mich in ihre Häuser und Schlosser, wohin ich eilte und mich nicht
lang bei ihnen aufhielt, sondern bald wieder nach Haus eilte, damit ich vielen
Zu Hause wie in der Fremde dienen könnte.




Literatur.

Rußlands Einfluß auf, und Beziehungen zu Deutschland, vom
Beginne der Allcinregierung Peters 1. bis zum Tode Nikolaus I. (1689—1833);
nebst einem einleitenden Rückblicke auf die frühere Zeit. Von S. Sugenheim.
Zweiter Band. (1773—1863). Frankfurt a. M., H. Keller. Frankreichs Ein¬
fluß auf, und Beziehungen zu Deutschland seit der Reformation bis zur
ersten französischen Staatsumwälzung (1317 — 1789). Von S. Sugenheim.
Zweiter Band. (1610—1789). Stuttgart, Hallbergersche Verlagshandlung. — Bei
den Arbeiten von Sugenheim haben wir immer die unangenehme Empfindung, daß
ein sehr ernsthafter, angestrengter Fleiß und eine große Belesenheit in den Quellen
theils durch Hitze und leidenschaftliche Erbitterung, theils durch Mangel an festen
kritischen Principien aus der richtigen Bahn gelenkt wird. Er ist der festen Ueber¬
zeugung, daß die Geschichte, wie wir sie in den Schulen lernen, fast durchweg
auf Lügen beruht, und er geht mit einer wahrhaft fieberhaften Aengstlichkeit auf
neue Entdeckungen aus; Entdeckungen, die seinem Haß gegen den Despotismus
. neue Nahrung geben sollen. So hat er namentlich eine unglaubliche Virtuosität,
neue Geschlechtsregister aufzufinden, und es sieht fast so ans, als ob er nur die


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0247" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/103380"/>
            <p xml:id="ID_883" prev="#ID_882"> den, wollte ich mich mit der Praris ernähren, und Gott hat mir dazu seinen<lb/>
reichen Segen mitgetheilt. Es war auch sehr berühmt damals der Ammann,<lb/>
den man nannte der Bauer von Utzensdors, zu dem zog merklich viel Volk,<lb/>
er konnte aus dem Wasser wahrsagen und gebrauchte seltsame Künste lange<lb/>
Zeit, wodurch er groß Gut erobert hat. Nach ihm ist der Jude von Als-<lb/>
weiler lange Zeit mächtig gebraucht worden. Es war auch ein altes Weib<lb/>
im Gerbergäßlein, die Lülbüren genannt, die auch einen Zulauf von Kranken<lb/>
hatte, wie auch beide Nachrichter allhier, Wolf und Görg, Gebrüder Käse,<lb/>
deren ältester Bruder zu Schaffhausen berühmt gewesen in der Arznei, wie<lb/>
auch ihr Vater Wolf, Nachrichter zu Tübingen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_884"> Ich fing an, Kundschaften zu bekommen bei Bürgern und denen vom<lb/>
Adel, die mich besonders probirten durch Uebersendung des Harns, woraus<lb/>
ich weissagen mußte. Dabei wußte ich mich so zu benehmen, daß etliche sich<lb/>
verwunderten und anfingen mich zu brauchen. Von Tage zu Tage bekam ich<lb/>
je länger desto mehr Praxis sowol in der Stadt bei den Einwohnern, als<lb/>
auch von Fremden, welche theils zu mir kamen und sich eine Zeitlang hier<lb/>
aushielten, meine Mittel zu gebrauchen, theils auch gleich wiederum fortreihten<lb/>
und meine Mittel sammt meinen Rathschlägen mitnahmen. Auch Fremde<lb/>
forderten mich in ihre Häuser und Schlosser, wohin ich eilte und mich nicht<lb/>
lang bei ihnen aufhielt, sondern bald wieder nach Haus eilte, damit ich vielen<lb/>
Zu Hause wie in der Fremde dienen könnte.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Literatur.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_885" next="#ID_886"> Rußlands Einfluß auf, und Beziehungen zu Deutschland, vom<lb/>
Beginne der Allcinregierung Peters 1. bis zum Tode Nikolaus I. (1689&#x2014;1833);<lb/>
nebst einem einleitenden Rückblicke auf die frühere Zeit. Von S. Sugenheim.<lb/>
Zweiter Band. (1773&#x2014;1863). Frankfurt a. M., H. Keller. Frankreichs Ein¬<lb/>
fluß auf, und Beziehungen zu Deutschland seit der Reformation bis zur<lb/>
ersten französischen Staatsumwälzung (1317 &#x2014; 1789). Von S. Sugenheim.<lb/>
Zweiter Band. (1610&#x2014;1789). Stuttgart, Hallbergersche Verlagshandlung. &#x2014; Bei<lb/>
den Arbeiten von Sugenheim haben wir immer die unangenehme Empfindung, daß<lb/>
ein sehr ernsthafter, angestrengter Fleiß und eine große Belesenheit in den Quellen<lb/>
theils durch Hitze und leidenschaftliche Erbitterung, theils durch Mangel an festen<lb/>
kritischen Principien aus der richtigen Bahn gelenkt wird. Er ist der festen Ueber¬<lb/>
zeugung, daß die Geschichte, wie wir sie in den Schulen lernen, fast durchweg<lb/>
auf Lügen beruht, und er geht mit einer wahrhaft fieberhaften Aengstlichkeit auf<lb/>
neue Entdeckungen aus; Entdeckungen, die seinem Haß gegen den Despotismus<lb/>
. neue Nahrung geben sollen. So hat er namentlich eine unglaubliche Virtuosität,<lb/>
neue Geschlechtsregister aufzufinden, und es sieht fast so ans, als ob er nur die</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0247] den, wollte ich mich mit der Praris ernähren, und Gott hat mir dazu seinen reichen Segen mitgetheilt. Es war auch sehr berühmt damals der Ammann, den man nannte der Bauer von Utzensdors, zu dem zog merklich viel Volk, er konnte aus dem Wasser wahrsagen und gebrauchte seltsame Künste lange Zeit, wodurch er groß Gut erobert hat. Nach ihm ist der Jude von Als- weiler lange Zeit mächtig gebraucht worden. Es war auch ein altes Weib im Gerbergäßlein, die Lülbüren genannt, die auch einen Zulauf von Kranken hatte, wie auch beide Nachrichter allhier, Wolf und Görg, Gebrüder Käse, deren ältester Bruder zu Schaffhausen berühmt gewesen in der Arznei, wie auch ihr Vater Wolf, Nachrichter zu Tübingen. Ich fing an, Kundschaften zu bekommen bei Bürgern und denen vom Adel, die mich besonders probirten durch Uebersendung des Harns, woraus ich weissagen mußte. Dabei wußte ich mich so zu benehmen, daß etliche sich verwunderten und anfingen mich zu brauchen. Von Tage zu Tage bekam ich je länger desto mehr Praxis sowol in der Stadt bei den Einwohnern, als auch von Fremden, welche theils zu mir kamen und sich eine Zeitlang hier aushielten, meine Mittel zu gebrauchen, theils auch gleich wiederum fortreihten und meine Mittel sammt meinen Rathschlägen mitnahmen. Auch Fremde forderten mich in ihre Häuser und Schlosser, wohin ich eilte und mich nicht lang bei ihnen aufhielt, sondern bald wieder nach Haus eilte, damit ich vielen Zu Hause wie in der Fremde dienen könnte. Literatur. Rußlands Einfluß auf, und Beziehungen zu Deutschland, vom Beginne der Allcinregierung Peters 1. bis zum Tode Nikolaus I. (1689—1833); nebst einem einleitenden Rückblicke auf die frühere Zeit. Von S. Sugenheim. Zweiter Band. (1773—1863). Frankfurt a. M., H. Keller. Frankreichs Ein¬ fluß auf, und Beziehungen zu Deutschland seit der Reformation bis zur ersten französischen Staatsumwälzung (1317 — 1789). Von S. Sugenheim. Zweiter Band. (1610—1789). Stuttgart, Hallbergersche Verlagshandlung. — Bei den Arbeiten von Sugenheim haben wir immer die unangenehme Empfindung, daß ein sehr ernsthafter, angestrengter Fleiß und eine große Belesenheit in den Quellen theils durch Hitze und leidenschaftliche Erbitterung, theils durch Mangel an festen kritischen Principien aus der richtigen Bahn gelenkt wird. Er ist der festen Ueber¬ zeugung, daß die Geschichte, wie wir sie in den Schulen lernen, fast durchweg auf Lügen beruht, und er geht mit einer wahrhaft fieberhaften Aengstlichkeit auf neue Entdeckungen aus; Entdeckungen, die seinem Haß gegen den Despotismus . neue Nahrung geben sollen. So hat er namentlich eine unglaubliche Virtuosität, neue Geschlechtsregister aufzufinden, und es sieht fast so ans, als ob er nur die

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/247
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/247>, abgerufen am 27.04.2024.