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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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Die Elbzölle.
i.

"Warum verderbt ihr Deutsche euch selbst den Gebrauch eurer schönen
Flüsse?" rief am Ende des vorigen Jahrhunderts Busch im Hinblick auf die
Behinderung, welche die deutsche Stromschiffahrt durch unzählige Zölle, Stapel-
gerechtigkeitcn, Bannrechte u. s. w. erlitt. Und ist diese Frage nicht noch
immer berechtigt, trotz der Bestimmungen des wiener Congresses, trotz der
Flußschiffahrtsacten und ihrer 'Revisionen und Superrevisionen? Unter den
Forderungen, für welche sich 18os die deutschen Staaten in Kriegsbereitschaft
ätzten, war die Freiheit der Donauschiffahrt für den Welthandel eine der
wichtigsten; wir freuen uns, daß der pariser Friede uns dieselbe verbürgt hat,
aber sind etwa die Rhein und Elbe betastenden Zölle volkswirthschaftlich mehr
gerechtfertigt als die Abgaben, welche unter allerlei Vorwänden auf der Donau
erhoben wurden? Eine wirklich freie Schiffahrt auf diesen beiden herrlichen
Wasserstraßen gehört noch zu den frommen Wünschen des deutschen Handels.
Die Rhein- und Elbzölle sind ein Vermächtniß des Mittelalters und hielten
steh gegen alle Versuche, welche bis zum Ende des 18. Jahrhunderts von
mehren der betheiligten Uferstaaten für ihre Herabsetzung gemacht wurden.
Für den Rhein brachte endlich der lüneviller Frieden und der Neichsdeputations-
hauptschluß von -1803 eine durchgreifende Aenderung, eine gemeinschaftliche
Rheinschiffahrtsoctroi ward festgestellt und später durch die wiener Congreßacte
ausdrücklich anerkannt. Der Rheinverkehr erfreute sich infolge dessen einer
sehr bedeutenden Erleichterung, indeß blieben die Zölle noch immer bedeutend.
Für die Elbschiffahrt aber war nichts geschehen, 181i ward vorläufig der alte
Zustand der Elbzollerhebungen wieder hergestellt, wonach es von Metrik bis
Hamburg allein 3ü Elbzollstätten gab, jede mit einem verschiedenen, meist
gar nicht publicirten Tarif, und diese Tarife wurden wiederum in den ver¬
schiedensten Münzsorten erhoben und waren mit mannigfachen Sporteln ver¬
bunden. Das Einzige, wodurch unter diesen Umständen der Verkehr noch
Möglich wurde, war, daß es nicht sehr streng mit der Verzollung genommen
ward, und die Zollämter sich mit allgemeinen Deklarationen begnügten, daß
endlich in den Tarifen viele Artikel ausgelassen waren. Nach zweijährigen
Berathungen der Bevollmächtigten der Elbuferstaaten kam am 23. Juni 1821


Grenzboten, I. -I8ö7. 31
Die Elbzölle.
i.

„Warum verderbt ihr Deutsche euch selbst den Gebrauch eurer schönen
Flüsse?" rief am Ende des vorigen Jahrhunderts Busch im Hinblick auf die
Behinderung, welche die deutsche Stromschiffahrt durch unzählige Zölle, Stapel-
gerechtigkeitcn, Bannrechte u. s. w. erlitt. Und ist diese Frage nicht noch
immer berechtigt, trotz der Bestimmungen des wiener Congresses, trotz der
Flußschiffahrtsacten und ihrer 'Revisionen und Superrevisionen? Unter den
Forderungen, für welche sich 18os die deutschen Staaten in Kriegsbereitschaft
ätzten, war die Freiheit der Donauschiffahrt für den Welthandel eine der
wichtigsten; wir freuen uns, daß der pariser Friede uns dieselbe verbürgt hat,
aber sind etwa die Rhein und Elbe betastenden Zölle volkswirthschaftlich mehr
gerechtfertigt als die Abgaben, welche unter allerlei Vorwänden auf der Donau
erhoben wurden? Eine wirklich freie Schiffahrt auf diesen beiden herrlichen
Wasserstraßen gehört noch zu den frommen Wünschen des deutschen Handels.
Die Rhein- und Elbzölle sind ein Vermächtniß des Mittelalters und hielten
steh gegen alle Versuche, welche bis zum Ende des 18. Jahrhunderts von
mehren der betheiligten Uferstaaten für ihre Herabsetzung gemacht wurden.
Für den Rhein brachte endlich der lüneviller Frieden und der Neichsdeputations-
hauptschluß von -1803 eine durchgreifende Aenderung, eine gemeinschaftliche
Rheinschiffahrtsoctroi ward festgestellt und später durch die wiener Congreßacte
ausdrücklich anerkannt. Der Rheinverkehr erfreute sich infolge dessen einer
sehr bedeutenden Erleichterung, indeß blieben die Zölle noch immer bedeutend.
Für die Elbschiffahrt aber war nichts geschehen, 181i ward vorläufig der alte
Zustand der Elbzollerhebungen wieder hergestellt, wonach es von Metrik bis
Hamburg allein 3ü Elbzollstätten gab, jede mit einem verschiedenen, meist
gar nicht publicirten Tarif, und diese Tarife wurden wiederum in den ver¬
schiedensten Münzsorten erhoben und waren mit mannigfachen Sporteln ver¬
bunden. Das Einzige, wodurch unter diesen Umständen der Verkehr noch
Möglich wurde, war, daß es nicht sehr streng mit der Verzollung genommen
ward, und die Zollämter sich mit allgemeinen Deklarationen begnügten, daß
endlich in den Tarifen viele Artikel ausgelassen waren. Nach zweijährigen
Berathungen der Bevollmächtigten der Elbuferstaaten kam am 23. Juni 1821


Grenzboten, I. -I8ö7. 31
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[0249] Die Elbzölle. i. „Warum verderbt ihr Deutsche euch selbst den Gebrauch eurer schönen Flüsse?" rief am Ende des vorigen Jahrhunderts Busch im Hinblick auf die Behinderung, welche die deutsche Stromschiffahrt durch unzählige Zölle, Stapel- gerechtigkeitcn, Bannrechte u. s. w. erlitt. Und ist diese Frage nicht noch immer berechtigt, trotz der Bestimmungen des wiener Congresses, trotz der Flußschiffahrtsacten und ihrer 'Revisionen und Superrevisionen? Unter den Forderungen, für welche sich 18os die deutschen Staaten in Kriegsbereitschaft ätzten, war die Freiheit der Donauschiffahrt für den Welthandel eine der wichtigsten; wir freuen uns, daß der pariser Friede uns dieselbe verbürgt hat, aber sind etwa die Rhein und Elbe betastenden Zölle volkswirthschaftlich mehr gerechtfertigt als die Abgaben, welche unter allerlei Vorwänden auf der Donau erhoben wurden? Eine wirklich freie Schiffahrt auf diesen beiden herrlichen Wasserstraßen gehört noch zu den frommen Wünschen des deutschen Handels. Die Rhein- und Elbzölle sind ein Vermächtniß des Mittelalters und hielten steh gegen alle Versuche, welche bis zum Ende des 18. Jahrhunderts von mehren der betheiligten Uferstaaten für ihre Herabsetzung gemacht wurden. Für den Rhein brachte endlich der lüneviller Frieden und der Neichsdeputations- hauptschluß von -1803 eine durchgreifende Aenderung, eine gemeinschaftliche Rheinschiffahrtsoctroi ward festgestellt und später durch die wiener Congreßacte ausdrücklich anerkannt. Der Rheinverkehr erfreute sich infolge dessen einer sehr bedeutenden Erleichterung, indeß blieben die Zölle noch immer bedeutend. Für die Elbschiffahrt aber war nichts geschehen, 181i ward vorläufig der alte Zustand der Elbzollerhebungen wieder hergestellt, wonach es von Metrik bis Hamburg allein 3ü Elbzollstätten gab, jede mit einem verschiedenen, meist gar nicht publicirten Tarif, und diese Tarife wurden wiederum in den ver¬ schiedensten Münzsorten erhoben und waren mit mannigfachen Sporteln ver¬ bunden. Das Einzige, wodurch unter diesen Umständen der Verkehr noch Möglich wurde, war, daß es nicht sehr streng mit der Verzollung genommen ward, und die Zollämter sich mit allgemeinen Deklarationen begnügten, daß endlich in den Tarifen viele Artikel ausgelassen waren. Nach zweijährigen Berathungen der Bevollmächtigten der Elbuferstaaten kam am 23. Juni 1821 Grenzboten, I. -I8ö7. 31

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/249>, abgerufen am 27.04.2024.