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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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fcrtigter, da die äußere Form, die unendlich langen Anmerkungen mit einem
Text von zuweilen nur zwei Zeilen und das Ineinanderlaufen der Perioden
und Abschnitte eine schnelle Uebersicht fast ganz unmöglich machten. Der ge¬
lehrte Verfasser hat diesem Wunsch in einer höchst anerkennenswerther Weise
entsprochen. Das Register ist mit einer Sorgfalt ausgearbeitet, wie man es
in ähnlichen Werken sehr selten antrifft. In der Regel überläßt man der¬
gleichen einem Hilfsarbeiter, der das Buch mit dem Finger durchläuft und
jeden Eigennamen notirt, ohne eben viel Rücksicht darauf zu nehmen, in wel¬
chem Verhältniß die einzelnen Erwähnungen einer bestimmten Person zum
Gesammtbilde derselben stehen. Soll ein Register seinem Zweck entsprechen,
so muß eS der Verfasser selbst ausarbeiten; er muß in demselben gewisser¬
maßen eine Rekapitulation seines eignen Werks geben, nur nach andern Ge¬
sichtspunkten geordnet. Der Fleiß und die Mühe, die Professor Koberstein
auf diese Arbeit verwendet, ist nicht genug zu rühmen, und so kann denn
nun auch das ungelehrte Publicum von diesen reichen Früchten eines langen
und angestrengten Studiums Nutzen ziehen. --


Die classische Periode der deutschen Nationalliteratur im Mittel¬
alter, in einer Reihe von Vorlesungen dargestellt von Karl Barthel, Ver¬
fasser der "Deutschen Nationalliteratur der Neuzeit." Mit dem Porträt des
Verfassers. Braunschweig, C. A. Schwetschke und Sohn. --

DaS Buch ist aus Vorlesungen entstanden, welche Karl Barthel (gebo¬
ren 1817, gestorben 1833) 18S1 in Braunschweig vor einem großen Publi¬
cum gehalten hat. Wer die frühern Vorlesungen des Verfassers über die
deutsche Nationalliteratur der Neuzeit (zuerst 1850, 4. Ausg. 18SS) kennt,
wird die Tendenz der gegenwärtigen Schrift sich ungefähr vorstellen. Es ist
eine unbedingte Apologie des Mittelalters und seiner Literatur. Der Ver¬
fasser läßt sich durch den glänzenden Idealismus jener Zeit blenden und
übersieht den innern Widerspruch zwischen Wesen und Schein, der in keiner
Periode der Weltgeschichte so auffallend und unschön hervorgetreten ist, als
grade im Mittelalter, welches man aus jedem beliebigen Grunde rühmen
mag, nur nicht von Seiten seiner Wahrheit und Aufrichtigkeit. -- Sehen wir
aber von dieser Färbung ab, die beiläufig nicht auf alle Einzelnheiten über¬
geht, denn wo dem Verfasser die Lüge handgreiflich entgegentritt, findet er
ihr gegenüber auch die angemessene Empfindung; sehen wir von diesem un¬
historischen Idealismus ab, so können wir das Buch als eine dankenswerthe
Bereicherung unsrer Literatur begrüßen.' Das Urtheil des Verfassers ist nie
bedeutend, aber er weiß sehr gut zu erzählen, er hat einen lebhaften Sinn
für kleine Feinheiten, die der gewöhnliche Leser übersieht, und sein Stil wird
von einer wohlthuenden Wärme durchdrungen. Uns ist bis jetzt kein Hand-


fcrtigter, da die äußere Form, die unendlich langen Anmerkungen mit einem
Text von zuweilen nur zwei Zeilen und das Ineinanderlaufen der Perioden
und Abschnitte eine schnelle Uebersicht fast ganz unmöglich machten. Der ge¬
lehrte Verfasser hat diesem Wunsch in einer höchst anerkennenswerther Weise
entsprochen. Das Register ist mit einer Sorgfalt ausgearbeitet, wie man es
in ähnlichen Werken sehr selten antrifft. In der Regel überläßt man der¬
gleichen einem Hilfsarbeiter, der das Buch mit dem Finger durchläuft und
jeden Eigennamen notirt, ohne eben viel Rücksicht darauf zu nehmen, in wel¬
chem Verhältniß die einzelnen Erwähnungen einer bestimmten Person zum
Gesammtbilde derselben stehen. Soll ein Register seinem Zweck entsprechen,
so muß eS der Verfasser selbst ausarbeiten; er muß in demselben gewisser¬
maßen eine Rekapitulation seines eignen Werks geben, nur nach andern Ge¬
sichtspunkten geordnet. Der Fleiß und die Mühe, die Professor Koberstein
auf diese Arbeit verwendet, ist nicht genug zu rühmen, und so kann denn
nun auch das ungelehrte Publicum von diesen reichen Früchten eines langen
und angestrengten Studiums Nutzen ziehen. —


Die classische Periode der deutschen Nationalliteratur im Mittel¬
alter, in einer Reihe von Vorlesungen dargestellt von Karl Barthel, Ver¬
fasser der „Deutschen Nationalliteratur der Neuzeit." Mit dem Porträt des
Verfassers. Braunschweig, C. A. Schwetschke und Sohn. —

DaS Buch ist aus Vorlesungen entstanden, welche Karl Barthel (gebo¬
ren 1817, gestorben 1833) 18S1 in Braunschweig vor einem großen Publi¬
cum gehalten hat. Wer die frühern Vorlesungen des Verfassers über die
deutsche Nationalliteratur der Neuzeit (zuerst 1850, 4. Ausg. 18SS) kennt,
wird die Tendenz der gegenwärtigen Schrift sich ungefähr vorstellen. Es ist
eine unbedingte Apologie des Mittelalters und seiner Literatur. Der Ver¬
fasser läßt sich durch den glänzenden Idealismus jener Zeit blenden und
übersieht den innern Widerspruch zwischen Wesen und Schein, der in keiner
Periode der Weltgeschichte so auffallend und unschön hervorgetreten ist, als
grade im Mittelalter, welches man aus jedem beliebigen Grunde rühmen
mag, nur nicht von Seiten seiner Wahrheit und Aufrichtigkeit. — Sehen wir
aber von dieser Färbung ab, die beiläufig nicht auf alle Einzelnheiten über¬
geht, denn wo dem Verfasser die Lüge handgreiflich entgegentritt, findet er
ihr gegenüber auch die angemessene Empfindung; sehen wir von diesem un¬
historischen Idealismus ab, so können wir das Buch als eine dankenswerthe
Bereicherung unsrer Literatur begrüßen.' Das Urtheil des Verfassers ist nie
bedeutend, aber er weiß sehr gut zu erzählen, er hat einen lebhaften Sinn
für kleine Feinheiten, die der gewöhnliche Leser übersieht, und sein Stil wird
von einer wohlthuenden Wärme durchdrungen. Uns ist bis jetzt kein Hand-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/276>, abgerufen am 27.04.2024.