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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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duch bekannt, welches geeigneter wäre, das größere Publicum', welches weder
Zeit noch Lust hat, sich mit der Literatur des Mittelalters wissenschaftlich zu
beschäftigen, in diese Periode unsrer Entwicklung einzuführen. Mit sehr rich¬
tigem Takt hat Barthel diejenigen Momente hervorgehoben, die grade für die
Masse von Interesse sein können. Er hat diese Momente geschickt gruppirt
und ein anziehendes Gemälde daraus gemacht. --


Goethes Faust. Erläutert von Ernst Julius Saupe, Subconrector am
Gymnasium zu Gera. Leipzig, Fr. Fleischer. --

Der Verfasser geht nicht daraus aus, für das Verständniß des Faust neue
Gesichtspunkte aufzufinden, was auch nachgrade immer schwieriger wird, da so
Ziemlich alle Combinationen erschöpft sind, sondern er stellt nur kurz und ge¬
drängt die Notizen über die Entstehung des Einzelnen und dasjenige zusam¬
men, was zum Verständniß der Absichten des Dichters und der Beziehungen
auf gleichzeitige und alterthümliche Kuriositäten nothwendig ist. Die Erläu¬
terung umfaßt übrigens nur den ersten Theil des Faust. Für die Interpre¬
tation des Ganzen ist die ältere Schrift von Deyks noch immer das beste
Handbuch. --


Erläuterungen zu den deutschen Klassiker". Dritte Abtheilung. Erläu¬
terung zu Schillers Werken von ">'. Eckardt. I. >>. Schillers Geistes-
gang^ --- Die Räuber. Jena, F. Hochhausens Verlag. --

Wir haben schon bei den frühern Heften dieser Sammlung den Wunsch
ausgesprochen, daß die Verfasser nur dasjenige geben möchten, was zum Ver¬
ständniß der Dichtungen unumgänglich nothwendig ist. Auch dies Mal hat
sich der Verfasser nicht in den angemessenen Schranken gehalten. Wir glau¬
ben nicht, daß die Räuber Stoff zu 160 enggedruckten Seiten Erklärung
geben. Der Verfasser würde ein dankenswerthes Werk geleistet haben, wenn
er sich lediglich auf die historischen Notizen eingeschränkt hätte, die wenigstens
den Liebhaber von Kuriositäten interesstren können; aber diese ausführliche
Analyse der Intentionen, der Charakteristik u. s. w. paßt sich nicht für eine
Tragödie, die, abgesehen von einzelnen glänzenden Stellen, doch nur ein
schwaches Jugendwerk ist, und deren Zusammenhang von jedem natürlichen
Verstand ohne weitere Erklärung gefaßt werden kann. --


Geschichtliche Uebersicht der deutschen Nationallitcratur mit Hinblick
aus die gleichzeitigen Kunstbcstrebnngcn. Ein Handbuch für den Unterricht
in Töchterschulen und zur Selbstbelehrung. Von Friedrich Wernick,
Lehrer am Sophienstiste zu Weimar. Zwei Bände. Gotha, H. Schande.--

Der Verfasser ist von der Absicht ausgegangen, den Mädchenschulen
Proben von den besten prosaischen und poetischen Schriften zu geben; jedes


duch bekannt, welches geeigneter wäre, das größere Publicum', welches weder
Zeit noch Lust hat, sich mit der Literatur des Mittelalters wissenschaftlich zu
beschäftigen, in diese Periode unsrer Entwicklung einzuführen. Mit sehr rich¬
tigem Takt hat Barthel diejenigen Momente hervorgehoben, die grade für die
Masse von Interesse sein können. Er hat diese Momente geschickt gruppirt
und ein anziehendes Gemälde daraus gemacht. —


Goethes Faust. Erläutert von Ernst Julius Saupe, Subconrector am
Gymnasium zu Gera. Leipzig, Fr. Fleischer. —

Der Verfasser geht nicht daraus aus, für das Verständniß des Faust neue
Gesichtspunkte aufzufinden, was auch nachgrade immer schwieriger wird, da so
Ziemlich alle Combinationen erschöpft sind, sondern er stellt nur kurz und ge¬
drängt die Notizen über die Entstehung des Einzelnen und dasjenige zusam¬
men, was zum Verständniß der Absichten des Dichters und der Beziehungen
auf gleichzeitige und alterthümliche Kuriositäten nothwendig ist. Die Erläu¬
terung umfaßt übrigens nur den ersten Theil des Faust. Für die Interpre¬
tation des Ganzen ist die ältere Schrift von Deyks noch immer das beste
Handbuch. —


Erläuterungen zu den deutschen Klassiker». Dritte Abtheilung. Erläu¬
terung zu Schillers Werken von »>'. Eckardt. I. >>. Schillers Geistes-
gang^ —- Die Räuber. Jena, F. Hochhausens Verlag. —

Wir haben schon bei den frühern Heften dieser Sammlung den Wunsch
ausgesprochen, daß die Verfasser nur dasjenige geben möchten, was zum Ver¬
ständniß der Dichtungen unumgänglich nothwendig ist. Auch dies Mal hat
sich der Verfasser nicht in den angemessenen Schranken gehalten. Wir glau¬
ben nicht, daß die Räuber Stoff zu 160 enggedruckten Seiten Erklärung
geben. Der Verfasser würde ein dankenswerthes Werk geleistet haben, wenn
er sich lediglich auf die historischen Notizen eingeschränkt hätte, die wenigstens
den Liebhaber von Kuriositäten interesstren können; aber diese ausführliche
Analyse der Intentionen, der Charakteristik u. s. w. paßt sich nicht für eine
Tragödie, die, abgesehen von einzelnen glänzenden Stellen, doch nur ein
schwaches Jugendwerk ist, und deren Zusammenhang von jedem natürlichen
Verstand ohne weitere Erklärung gefaßt werden kann. —


Geschichtliche Uebersicht der deutschen Nationallitcratur mit Hinblick
aus die gleichzeitigen Kunstbcstrebnngcn. Ein Handbuch für den Unterricht
in Töchterschulen und zur Selbstbelehrung. Von Friedrich Wernick,
Lehrer am Sophienstiste zu Weimar. Zwei Bände. Gotha, H. Schande.—

Der Verfasser ist von der Absicht ausgegangen, den Mädchenschulen
Proben von den besten prosaischen und poetischen Schriften zu geben; jedes


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[0277] duch bekannt, welches geeigneter wäre, das größere Publicum', welches weder Zeit noch Lust hat, sich mit der Literatur des Mittelalters wissenschaftlich zu beschäftigen, in diese Periode unsrer Entwicklung einzuführen. Mit sehr rich¬ tigem Takt hat Barthel diejenigen Momente hervorgehoben, die grade für die Masse von Interesse sein können. Er hat diese Momente geschickt gruppirt und ein anziehendes Gemälde daraus gemacht. — Goethes Faust. Erläutert von Ernst Julius Saupe, Subconrector am Gymnasium zu Gera. Leipzig, Fr. Fleischer. — Der Verfasser geht nicht daraus aus, für das Verständniß des Faust neue Gesichtspunkte aufzufinden, was auch nachgrade immer schwieriger wird, da so Ziemlich alle Combinationen erschöpft sind, sondern er stellt nur kurz und ge¬ drängt die Notizen über die Entstehung des Einzelnen und dasjenige zusam¬ men, was zum Verständniß der Absichten des Dichters und der Beziehungen auf gleichzeitige und alterthümliche Kuriositäten nothwendig ist. Die Erläu¬ terung umfaßt übrigens nur den ersten Theil des Faust. Für die Interpre¬ tation des Ganzen ist die ältere Schrift von Deyks noch immer das beste Handbuch. — Erläuterungen zu den deutschen Klassiker». Dritte Abtheilung. Erläu¬ terung zu Schillers Werken von »>'. Eckardt. I. >>. Schillers Geistes- gang^ —- Die Räuber. Jena, F. Hochhausens Verlag. — Wir haben schon bei den frühern Heften dieser Sammlung den Wunsch ausgesprochen, daß die Verfasser nur dasjenige geben möchten, was zum Ver¬ ständniß der Dichtungen unumgänglich nothwendig ist. Auch dies Mal hat sich der Verfasser nicht in den angemessenen Schranken gehalten. Wir glau¬ ben nicht, daß die Räuber Stoff zu 160 enggedruckten Seiten Erklärung geben. Der Verfasser würde ein dankenswerthes Werk geleistet haben, wenn er sich lediglich auf die historischen Notizen eingeschränkt hätte, die wenigstens den Liebhaber von Kuriositäten interesstren können; aber diese ausführliche Analyse der Intentionen, der Charakteristik u. s. w. paßt sich nicht für eine Tragödie, die, abgesehen von einzelnen glänzenden Stellen, doch nur ein schwaches Jugendwerk ist, und deren Zusammenhang von jedem natürlichen Verstand ohne weitere Erklärung gefaßt werden kann. — Geschichtliche Uebersicht der deutschen Nationallitcratur mit Hinblick aus die gleichzeitigen Kunstbcstrebnngcn. Ein Handbuch für den Unterricht in Töchterschulen und zur Selbstbelehrung. Von Friedrich Wernick, Lehrer am Sophienstiste zu Weimar. Zwei Bände. Gotha, H. Schande.— Der Verfasser ist von der Absicht ausgegangen, den Mädchenschulen Proben von den besten prosaischen und poetischen Schriften zu geben; jedes

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/277>, abgerufen am 27.04.2024.