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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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Mal mit Hinzufügung einer kurzen Biographie. Wir hätten nur gewünscht,
daß er darin ein größeres Maß beobachtet hätte, denn es ist eine harte For¬
derung für eine junge Dame, von den Namen und Lebensumständen sämmt¬
licher Lyriker Notiz zu nehmen, die im Meßkatalog stehen. Es würde uns
viel zweckmäßiger scheinen, wenn man sie nur auf die wahrhaft großen Er¬
scheinungen aufmerksam machte und alles Uebrige vollkommen ignorirte.
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Korrespondenzen.
Amerikanisches. -- Sklaverei.

Die leidenschaftliche Heftigkeit und Entschie¬
denheit, welche die Sklavenhalter in neuerer Zeit gezeigt haben, ist vielen umso
mehr aufgefallen, als man weiß, daß früher, namentlich zur Zeit des Unabhängig¬
keitskrieges und der Annahme der Verfassungsurkunde (1787), das Interesse für
die Sklaverei, selbst in den südlichen Staaten, weit schwächer war als heute; daß
damals alle Staatsmänner von Bedeutung sie verwarfen, und daß man allgemein
hoffte und erwartete, sie allmälig -- und zwar in nicht sehr entfernter Zeit --
dnrch die betheiligten Staaten selbst gänzlich abgeschafft zu sehen. Ja der Wider¬
wille, den man gegen sie hegte, ging so weit, daß man in der Verfassungsurkunde,
obgleich sie (Art. til. Sect. 2. Ur. 3) eine Bestimmung enthält, welche die Aus¬
lieferung flüchtiger Sklaven anordnet, absichtlich das Wort "Sklave" oder "Skla¬
verei" vermied und statt dessen sie als "Personen, die nach den bestehenden Ge¬
setzen eines Staates zu Dienst oder Arbeit verpflichtet sind", bezeichnete, um nicht
der Sklaverei, als solcher, gewissermaßen eine verfassungsmäßige und unwiderruf¬
liche Sanction zu geben. Man nannte vielmehr die Sklaven ausdrücklich "Per¬
sonen", um dem Begriff, daß sie, wie anderes Eigenthum, blos als Sache zu
betrachten seien, zu widersprechen. Wie kommt es nun, daß die heutige Sklaven¬
partei sich von der humanen und christlichen Gesinnung der Stifter des großen
Freistaatenbundcs so weit entfernt hat? Ihre Gegner legen dies ohne Weiteres einer
moralischen Ausartung ihres Charakters zur Last und behaupten, daß Sittlichkeit,
Christenthum, Rechtsgefühl und echte Civilisation überhaupt in den Sklavenstaaten
seit jener bessern alten Zeit stete Rückschritte gemacht haben. Wie viel oder wenig
Wahres an dieser Beschuldigung ist, läßt sich schwer bestimmen. Denn wenn eS auf der
einen Seite seltsam klingt, in unsrer Zeit und in einem Lar^e, das sich der freiesten Ver¬
fassung erfreut, von Rückschritten der Civilisation zu sprechen, so läßt sich ans der andern
Seite nicht bezweifeln, daß nichts so sehr geeignet ist, die Sittlichkeit und das
Rechtsgefühl in allen Richtungen zu gefährden, als das Institut der Sklaverei,
die nicht nur an sich so durchaus inhuman, sündlich und rechtswidrig ist, sondern
auch allen Ausbrüchen roher Leidenschaft und Sinnlichkeit Thür und Thor öffnet.
Allein dies erklärt nicht, warum die Sache in neuerer Zeit so viel schlimmer ge¬
worden, da doch die Sklaverei schon lange vor der Unabhängigkeit der Vereinigten
Staaten dort bestand. Das Räthsel löst sich vielleicht durch die historische Thatsache,


Mal mit Hinzufügung einer kurzen Biographie. Wir hätten nur gewünscht,
daß er darin ein größeres Maß beobachtet hätte, denn es ist eine harte For¬
derung für eine junge Dame, von den Namen und Lebensumständen sämmt¬
licher Lyriker Notiz zu nehmen, die im Meßkatalog stehen. Es würde uns
viel zweckmäßiger scheinen, wenn man sie nur auf die wahrhaft großen Er¬
scheinungen aufmerksam machte und alles Uebrige vollkommen ignorirte.
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Amerikanisches. — Sklaverei.

Die leidenschaftliche Heftigkeit und Entschie¬
denheit, welche die Sklavenhalter in neuerer Zeit gezeigt haben, ist vielen umso
mehr aufgefallen, als man weiß, daß früher, namentlich zur Zeit des Unabhängig¬
keitskrieges und der Annahme der Verfassungsurkunde (1787), das Interesse für
die Sklaverei, selbst in den südlichen Staaten, weit schwächer war als heute; daß
damals alle Staatsmänner von Bedeutung sie verwarfen, und daß man allgemein
hoffte und erwartete, sie allmälig — und zwar in nicht sehr entfernter Zeit —
dnrch die betheiligten Staaten selbst gänzlich abgeschafft zu sehen. Ja der Wider¬
wille, den man gegen sie hegte, ging so weit, daß man in der Verfassungsurkunde,
obgleich sie (Art. til. Sect. 2. Ur. 3) eine Bestimmung enthält, welche die Aus¬
lieferung flüchtiger Sklaven anordnet, absichtlich das Wort „Sklave" oder „Skla¬
verei" vermied und statt dessen sie als „Personen, die nach den bestehenden Ge¬
setzen eines Staates zu Dienst oder Arbeit verpflichtet sind", bezeichnete, um nicht
der Sklaverei, als solcher, gewissermaßen eine verfassungsmäßige und unwiderruf¬
liche Sanction zu geben. Man nannte vielmehr die Sklaven ausdrücklich „Per¬
sonen", um dem Begriff, daß sie, wie anderes Eigenthum, blos als Sache zu
betrachten seien, zu widersprechen. Wie kommt es nun, daß die heutige Sklaven¬
partei sich von der humanen und christlichen Gesinnung der Stifter des großen
Freistaatenbundcs so weit entfernt hat? Ihre Gegner legen dies ohne Weiteres einer
moralischen Ausartung ihres Charakters zur Last und behaupten, daß Sittlichkeit,
Christenthum, Rechtsgefühl und echte Civilisation überhaupt in den Sklavenstaaten
seit jener bessern alten Zeit stete Rückschritte gemacht haben. Wie viel oder wenig
Wahres an dieser Beschuldigung ist, läßt sich schwer bestimmen. Denn wenn eS auf der
einen Seite seltsam klingt, in unsrer Zeit und in einem Lar^e, das sich der freiesten Ver¬
fassung erfreut, von Rückschritten der Civilisation zu sprechen, so läßt sich ans der andern
Seite nicht bezweifeln, daß nichts so sehr geeignet ist, die Sittlichkeit und das
Rechtsgefühl in allen Richtungen zu gefährden, als das Institut der Sklaverei,
die nicht nur an sich so durchaus inhuman, sündlich und rechtswidrig ist, sondern
auch allen Ausbrüchen roher Leidenschaft und Sinnlichkeit Thür und Thor öffnet.
Allein dies erklärt nicht, warum die Sache in neuerer Zeit so viel schlimmer ge¬
worden, da doch die Sklaverei schon lange vor der Unabhängigkeit der Vereinigten
Staaten dort bestand. Das Räthsel löst sich vielleicht durch die historische Thatsache,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/278>, abgerufen am 27.04.2024.