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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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Zolls an Hannover kam. Bei Trennung der Personalunion 1837 hat Han¬
nover nichts von dieser Summe an England zurückerstattet. Da nun Englands
Antheil am Staber Zoll capitalisirt ca. 200,000 Pf. Se. beträgt, so könnte es
vielleicht verlangen, mit dem von. ihm früher gezählten Kaufpreis dafür zu
compensiren.




Sport und Turf in England.

Es gab eine Zeit -- und diese Zeit ist noch im Nebel der Vergangen¬
heit zu erkennen -- wo man in England wenig begriff, von welcher Bedeu-
tung es sein könne, ob Ajar oder Little Bob oder Annie Laune oder gar Noung
Lion einander um eine Kopflänge schlagen würden. Man schätzte das schnell¬
füßigste Pferd, nicht weil es einen Silberpokal von hohem Geldpreis
seinem Züchter gewann, sondern weil es zur Erlangung eines Fuchsschwanzes
die besten Aussichten bot. In der That war die Leidenschaft deS FuchsjagenS
eine so verbreitete, daß der Geistliche auf der Kanzel, wenn das Hallo Haiti
der Jäger an sein Ohr klang, mitten im Predigen mit einer kurzen Nutzan¬
wendung schloß und in der nächsten Minute schon den Fuß - im Bügel hatte,
um Reinecke den Wind abzugewinnen; freilich nicht die niedere Geistlichkeit,
wol aber die Prälaten, welche in England, wie man weiß, der Gentry und dem
Adel angehören und zuweilen eine Stellung einnehmen, die es mit derjenigen
der lateinischen Cardinäle aufnimmt. Man jagte den Fuchs bei diesen Jagden
mit der Peitsche, und das gutgeschulte Roß deS Jägers kannte weder Hinder¬
nisse von Hecken, noch von Teichen oder fließenden Bächen; wohin der Fuchs
lief, folgte auch der Reiter, und eS ist keine Uebertreibung, wenn man sagt,
daß bei solchen Veranlassungen der Bruch von ein oder zwei Rippen kaum
für etwas der Rede Werthes galt. Die weiten Landbesitzungen der englischen Lords
boten hierzu ein schätzbares Terrain. Natürlich waren alle Füchse AltenglandS
für diese Leidenschaft nicht ausreichend. Man verschrieb sie aus Nachbar¬
ländern, Frankreich fing die seinigen ein und sandte sie über den Kanal; an
Ort und Stelle angekommen und verkauft, ließ man sie los, sobald jedermann
im Sattel saß, und fort ging der normännische Fuchs -- der englisch-nor-
Männische Adel hinterdrein.

Es ist nicht grade erfreulich, daß eine schon beginnende Verweichlichung


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Zolls an Hannover kam. Bei Trennung der Personalunion 1837 hat Han¬
nover nichts von dieser Summe an England zurückerstattet. Da nun Englands
Antheil am Staber Zoll capitalisirt ca. 200,000 Pf. Se. beträgt, so könnte es
vielleicht verlangen, mit dem von. ihm früher gezählten Kaufpreis dafür zu
compensiren.




Sport und Turf in England.

Es gab eine Zeit — und diese Zeit ist noch im Nebel der Vergangen¬
heit zu erkennen — wo man in England wenig begriff, von welcher Bedeu-
tung es sein könne, ob Ajar oder Little Bob oder Annie Laune oder gar Noung
Lion einander um eine Kopflänge schlagen würden. Man schätzte das schnell¬
füßigste Pferd, nicht weil es einen Silberpokal von hohem Geldpreis
seinem Züchter gewann, sondern weil es zur Erlangung eines Fuchsschwanzes
die besten Aussichten bot. In der That war die Leidenschaft deS FuchsjagenS
eine so verbreitete, daß der Geistliche auf der Kanzel, wenn das Hallo Haiti
der Jäger an sein Ohr klang, mitten im Predigen mit einer kurzen Nutzan¬
wendung schloß und in der nächsten Minute schon den Fuß - im Bügel hatte,
um Reinecke den Wind abzugewinnen; freilich nicht die niedere Geistlichkeit,
wol aber die Prälaten, welche in England, wie man weiß, der Gentry und dem
Adel angehören und zuweilen eine Stellung einnehmen, die es mit derjenigen
der lateinischen Cardinäle aufnimmt. Man jagte den Fuchs bei diesen Jagden
mit der Peitsche, und das gutgeschulte Roß deS Jägers kannte weder Hinder¬
nisse von Hecken, noch von Teichen oder fließenden Bächen; wohin der Fuchs
lief, folgte auch der Reiter, und eS ist keine Uebertreibung, wenn man sagt,
daß bei solchen Veranlassungen der Bruch von ein oder zwei Rippen kaum
für etwas der Rede Werthes galt. Die weiten Landbesitzungen der englischen Lords
boten hierzu ein schätzbares Terrain. Natürlich waren alle Füchse AltenglandS
für diese Leidenschaft nicht ausreichend. Man verschrieb sie aus Nachbar¬
ländern, Frankreich fing die seinigen ein und sandte sie über den Kanal; an
Ort und Stelle angekommen und verkauft, ließ man sie los, sobald jedermann
im Sattel saß, und fort ging der normännische Fuchs — der englisch-nor-
Männische Adel hinterdrein.

Es ist nicht grade erfreulich, daß eine schon beginnende Verweichlichung


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[0307] Zolls an Hannover kam. Bei Trennung der Personalunion 1837 hat Han¬ nover nichts von dieser Summe an England zurückerstattet. Da nun Englands Antheil am Staber Zoll capitalisirt ca. 200,000 Pf. Se. beträgt, so könnte es vielleicht verlangen, mit dem von. ihm früher gezählten Kaufpreis dafür zu compensiren. Sport und Turf in England. Es gab eine Zeit — und diese Zeit ist noch im Nebel der Vergangen¬ heit zu erkennen — wo man in England wenig begriff, von welcher Bedeu- tung es sein könne, ob Ajar oder Little Bob oder Annie Laune oder gar Noung Lion einander um eine Kopflänge schlagen würden. Man schätzte das schnell¬ füßigste Pferd, nicht weil es einen Silberpokal von hohem Geldpreis seinem Züchter gewann, sondern weil es zur Erlangung eines Fuchsschwanzes die besten Aussichten bot. In der That war die Leidenschaft deS FuchsjagenS eine so verbreitete, daß der Geistliche auf der Kanzel, wenn das Hallo Haiti der Jäger an sein Ohr klang, mitten im Predigen mit einer kurzen Nutzan¬ wendung schloß und in der nächsten Minute schon den Fuß - im Bügel hatte, um Reinecke den Wind abzugewinnen; freilich nicht die niedere Geistlichkeit, wol aber die Prälaten, welche in England, wie man weiß, der Gentry und dem Adel angehören und zuweilen eine Stellung einnehmen, die es mit derjenigen der lateinischen Cardinäle aufnimmt. Man jagte den Fuchs bei diesen Jagden mit der Peitsche, und das gutgeschulte Roß deS Jägers kannte weder Hinder¬ nisse von Hecken, noch von Teichen oder fließenden Bächen; wohin der Fuchs lief, folgte auch der Reiter, und eS ist keine Uebertreibung, wenn man sagt, daß bei solchen Veranlassungen der Bruch von ein oder zwei Rippen kaum für etwas der Rede Werthes galt. Die weiten Landbesitzungen der englischen Lords boten hierzu ein schätzbares Terrain. Natürlich waren alle Füchse AltenglandS für diese Leidenschaft nicht ausreichend. Man verschrieb sie aus Nachbar¬ ländern, Frankreich fing die seinigen ein und sandte sie über den Kanal; an Ort und Stelle angekommen und verkauft, ließ man sie los, sobald jedermann im Sattel saß, und fort ging der normännische Fuchs — der englisch-nor- Männische Adel hinterdrein. Es ist nicht grade erfreulich, daß eine schon beginnende Verweichlichung 38"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/307>, abgerufen am 27.04.2024.