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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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schrift "Deutsche Literatur" darüber sagt.*) Unter den in Amerika lebenden Deut¬
schen selbst ist übrigens die Schriftstellern noch nicht aufgeblüht. Sie haben keine
Zeit dazu, -- anch fehlt es bis jetzt noch in Amerika an deutschen Verlagshand¬
lungen.

Eines der wirksamsten Mittel, deutscher Bildung und Sinnesweise in den Ver¬
einigten Staaten Geltung und Verbreitung zu verschaffen, wäre ohne Zweifel ein
häufiger und freundlicher Privatverkehr mit den Amerikanern und ihren Familien, --
noch mehr vielleicht häufige Heirathen zwischen Deutschen und Amerikanern. Allein
Beides findet bis jetzt seltener Statt als man denken sollte. Der Deutsche fühlt
sich in der Regel durch den Umgang mit Amerikanern --- selbst mit gebildeten --
nicht sehr angezogen, wozu noch kommt, daß der deutsche Ehemann eine andere
Art Hauswesen liebt, als woran die Amerikanerinnen gewöhnt sind. Diese hegen
weniger Abneigung gegen Verbindungen mit Deutschen; vielmehr behaupten sie,
daß der Deutsche seinen Gefühlen einen lebhaftern und wärmern, Ausdruck zu
geben pflege, als der Amerikaner. -- Unter den Deutschen selbst existirt an
manchen Orten eine seltsame Spannung, die ihren freundlichen Verkehr gefährdet.
Da nämlich in den Vereinigten Staaten Mu Unterschied der Stände anerkannt wird,
die Verschiedenheit des Bildungsgrades aber sich dennoch, wie natürlich, in mannig¬
facher Richtung geltend macht, so erregt dies den Unmuth vieler Deutschen von ge¬
meinern Schlage und treibt sie zur Feindseligkeit gegen ihre besser erzogenen und
kcnntnißreichern Landsleute. Sie schelten dieselben "Lateiner" und machen auf
die verkehrteste Weise (auch in öffentlichen Angelegenheiten, namentlich in Schul¬
sachen) Opposition gegen sie. Daß dieser Krähwinkelgeist auf die Amerikaner
keinen guten Eindruck macht, liegt in der Natur der Sache.




Literatur.
Länder- Und Völkerkunde.

-- Die großen Ausstellungen zu Paris haben unter
den vielen beschreibenden Werken zwei Arbeiten hervorgerufen, die, so verschieden
sie in ihrem Inhalt sind, doch beide als tüchtig und belehrend allgemeine Beachtung
verdienen und ein Interesse beanspruchen dürfen, welches über die Zeit hinaus¬
reicht, wo die Ausstellungen ein gewöhnlicher Unterhaltungsstoff waren. Das erste
sei hier nnr erwähnt:

Bericht über die Ausstellung der Industrie aller Nationen zu
Paris. Bremen, Geffken, 185S. Glänzendes Muster eines geschäftlichen Berichts,
welcher kurz und doch eingehend, Referat und Kritik der Industrien gibt, nach den
Fächern geordnet, mit besonderer Beachtung und unbefangener Beurtheilung der
deutschen Industrie. Bei der Lectüre der Schrift entrollt sich vor dem erfreuten
Leser ein Totalbild der modernen Gewerbs- und Handelsthätigkeit mit großer Sach¬
kenntniß und wohlthuender Klarheit geschrieben. -- Die Knustausstcllungen zu Paris
dagegen behandelt:



Dieser Aufsatz war veranlaßt durch eine amerikanische Ueversetzuug des Werkes über
deutsche Literatur von W. Menzel und enthält eine Kritik dieses Werkes.

schrift „Deutsche Literatur" darüber sagt.*) Unter den in Amerika lebenden Deut¬
schen selbst ist übrigens die Schriftstellern noch nicht aufgeblüht. Sie haben keine
Zeit dazu, — anch fehlt es bis jetzt noch in Amerika an deutschen Verlagshand¬
lungen.

Eines der wirksamsten Mittel, deutscher Bildung und Sinnesweise in den Ver¬
einigten Staaten Geltung und Verbreitung zu verschaffen, wäre ohne Zweifel ein
häufiger und freundlicher Privatverkehr mit den Amerikanern und ihren Familien, —
noch mehr vielleicht häufige Heirathen zwischen Deutschen und Amerikanern. Allein
Beides findet bis jetzt seltener Statt als man denken sollte. Der Deutsche fühlt
sich in der Regel durch den Umgang mit Amerikanern —- selbst mit gebildeten —
nicht sehr angezogen, wozu noch kommt, daß der deutsche Ehemann eine andere
Art Hauswesen liebt, als woran die Amerikanerinnen gewöhnt sind. Diese hegen
weniger Abneigung gegen Verbindungen mit Deutschen; vielmehr behaupten sie,
daß der Deutsche seinen Gefühlen einen lebhaftern und wärmern, Ausdruck zu
geben pflege, als der Amerikaner. — Unter den Deutschen selbst existirt an
manchen Orten eine seltsame Spannung, die ihren freundlichen Verkehr gefährdet.
Da nämlich in den Vereinigten Staaten Mu Unterschied der Stände anerkannt wird,
die Verschiedenheit des Bildungsgrades aber sich dennoch, wie natürlich, in mannig¬
facher Richtung geltend macht, so erregt dies den Unmuth vieler Deutschen von ge¬
meinern Schlage und treibt sie zur Feindseligkeit gegen ihre besser erzogenen und
kcnntnißreichern Landsleute. Sie schelten dieselben „Lateiner" und machen auf
die verkehrteste Weise (auch in öffentlichen Angelegenheiten, namentlich in Schul¬
sachen) Opposition gegen sie. Daß dieser Krähwinkelgeist auf die Amerikaner
keinen guten Eindruck macht, liegt in der Natur der Sache.




Literatur.
Länder- Und Völkerkunde.

— Die großen Ausstellungen zu Paris haben unter
den vielen beschreibenden Werken zwei Arbeiten hervorgerufen, die, so verschieden
sie in ihrem Inhalt sind, doch beide als tüchtig und belehrend allgemeine Beachtung
verdienen und ein Interesse beanspruchen dürfen, welches über die Zeit hinaus¬
reicht, wo die Ausstellungen ein gewöhnlicher Unterhaltungsstoff waren. Das erste
sei hier nnr erwähnt:

Bericht über die Ausstellung der Industrie aller Nationen zu
Paris. Bremen, Geffken, 185S. Glänzendes Muster eines geschäftlichen Berichts,
welcher kurz und doch eingehend, Referat und Kritik der Industrien gibt, nach den
Fächern geordnet, mit besonderer Beachtung und unbefangener Beurtheilung der
deutschen Industrie. Bei der Lectüre der Schrift entrollt sich vor dem erfreuten
Leser ein Totalbild der modernen Gewerbs- und Handelsthätigkeit mit großer Sach¬
kenntniß und wohlthuender Klarheit geschrieben. — Die Knustausstcllungen zu Paris
dagegen behandelt:



Dieser Aufsatz war veranlaßt durch eine amerikanische Ueversetzuug des Werkes über
deutsche Literatur von W. Menzel und enthält eine Kritik dieses Werkes.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/405>, abgerufen am 27.04.2024.