Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Operndichter und der Compomst nach Mozart.

Das Folgende ist eine Mittheilung aus dem Manuscript des vortrefflichen
Werkes: Leben Mozarts von O. Jahr, dritter Band, welcher Ende dieses
Sommers im Buchhandel erscheinen soll. Der Abdruck ist nach den der Redaction
auf ihr Ansuchen freundlichst mitgetheilten Aushängebogen gemacht und nur
in so weit geändert, als für diesen separaten Abdruck nöthig war; so durften
einzelne Anmerkungen des Verfassers weggelassen, andere in den Tert aus¬
genommen werden. --

"Mozarts Vater hatte gegen das Textbuch der Entführung aus dem Serail
und die damit vorgenommenen Aenderungen mancherlei kritische Bedenken geäußert,
aufweiche der Sohn ihm folgende merkwürdige Antwort ertheilte (13. October
-I78l). ""Nun wegen dem Tert von der Opera. --Was des Stephanie seine
Arbeit anbelangt, so haben Sie freilich Recht, doch .ist die Poesie dem Charakter
des dummen, groben und boshaften OSmin ganz angemessen. Und ich weiß
wohl, daß die Versart darin nicht die beste ist; doch ist sie so passend mit meinen
musikalischen Gedanken (die schon vorher in meinem Kopfe herumspazierten)
übereingekommen, daß sie mir nothwendig gefallen mußte; und ich wollte wetten,
daß man bei dessen Aufführung nichts vermissen wird. Was die in dem Stücke
selbst sich befindende Poesie betrifft, so könnte ich sie wirklich nicht verachten. --
Die Uria von Belmont: O wie ängstlich könnte fast für die Musik nicht
besser geschrieben sein. -- Das Hui und Kummer ruht in meinem Schoß
(denn der Kummer kann nicht ruhen) ausgenommen*), ist die Uria auch nicht
schlecht, besonders der erste Theil; und ich weiß nicht, -- bei einer Opera
muß schlechterdings die Poesie der Musik gehorsame Tochter sein. -- Warum



) In der Arie der Constanze (S) heißt es " Dock) im Hui schwand meine Freude,
Trennung war mein banges Loos;
Und nun schwimmt mein Aug' in Thränen,
Kummer richt in meinem Schooß.
Darüber hatte Mozart seinem Vater schon vorher geschrieben (26. Sept. -I781): "Das Hui
habe ich tu schnell verändert, also: Doch wie schnell schwand meine Freude. Ich
weiß nicht, was sich unsere deutschen Dichter denken; wenn sie schon das Theater nicht ver¬
stehen, was die Oper anbelangt, so sollten sie doch wenigstens die Leute nicht reden lassen,
als wenn Schweine vor ihnen stünden."
Grenzboten. I. -1867. Ki
Der Operndichter und der Compomst nach Mozart.

Das Folgende ist eine Mittheilung aus dem Manuscript des vortrefflichen
Werkes: Leben Mozarts von O. Jahr, dritter Band, welcher Ende dieses
Sommers im Buchhandel erscheinen soll. Der Abdruck ist nach den der Redaction
auf ihr Ansuchen freundlichst mitgetheilten Aushängebogen gemacht und nur
in so weit geändert, als für diesen separaten Abdruck nöthig war; so durften
einzelne Anmerkungen des Verfassers weggelassen, andere in den Tert aus¬
genommen werden. —

„Mozarts Vater hatte gegen das Textbuch der Entführung aus dem Serail
und die damit vorgenommenen Aenderungen mancherlei kritische Bedenken geäußert,
aufweiche der Sohn ihm folgende merkwürdige Antwort ertheilte (13. October
-I78l). „„Nun wegen dem Tert von der Opera. —Was des Stephanie seine
Arbeit anbelangt, so haben Sie freilich Recht, doch .ist die Poesie dem Charakter
des dummen, groben und boshaften OSmin ganz angemessen. Und ich weiß
wohl, daß die Versart darin nicht die beste ist; doch ist sie so passend mit meinen
musikalischen Gedanken (die schon vorher in meinem Kopfe herumspazierten)
übereingekommen, daß sie mir nothwendig gefallen mußte; und ich wollte wetten,
daß man bei dessen Aufführung nichts vermissen wird. Was die in dem Stücke
selbst sich befindende Poesie betrifft, so könnte ich sie wirklich nicht verachten. —
Die Uria von Belmont: O wie ängstlich könnte fast für die Musik nicht
besser geschrieben sein. — Das Hui und Kummer ruht in meinem Schoß
(denn der Kummer kann nicht ruhen) ausgenommen*), ist die Uria auch nicht
schlecht, besonders der erste Theil; und ich weiß nicht, — bei einer Opera
muß schlechterdings die Poesie der Musik gehorsame Tochter sein. — Warum



) In der Arie der Constanze (S) heißt es " Dock) im Hui schwand meine Freude,
Trennung war mein banges Loos;
Und nun schwimmt mein Aug' in Thränen,
Kummer richt in meinem Schooß.
Darüber hatte Mozart seinem Vater schon vorher geschrieben (26. Sept. -I781): „Das Hui
habe ich tu schnell verändert, also: Doch wie schnell schwand meine Freude. Ich
weiß nicht, was sich unsere deutschen Dichter denken; wenn sie schon das Theater nicht ver¬
stehen, was die Oper anbelangt, so sollten sie doch wenigstens die Leute nicht reden lassen,
als wenn Schweine vor ihnen stünden."
Grenzboten. I. -1867. Ki
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0489" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/103622"/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Der Operndichter und der Compomst nach Mozart.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1668"> Das Folgende ist eine Mittheilung aus dem Manuscript des vortrefflichen<lb/>
Werkes: Leben Mozarts von O. Jahr, dritter Band, welcher Ende dieses<lb/>
Sommers im Buchhandel erscheinen soll. Der Abdruck ist nach den der Redaction<lb/>
auf ihr Ansuchen freundlichst mitgetheilten Aushängebogen gemacht und nur<lb/>
in so weit geändert, als für diesen separaten Abdruck nöthig war; so durften<lb/>
einzelne Anmerkungen des Verfassers weggelassen, andere in den Tert aus¬<lb/>
genommen werden. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1669"> &#x201E;Mozarts Vater hatte gegen das Textbuch der Entführung aus dem Serail<lb/>
und die damit vorgenommenen Aenderungen mancherlei kritische Bedenken geäußert,<lb/>
aufweiche der Sohn ihm folgende merkwürdige Antwort ertheilte (13. October<lb/>
-I78l). &#x201E;&#x201E;Nun wegen dem Tert von der Opera. &#x2014;Was des Stephanie seine<lb/>
Arbeit anbelangt, so haben Sie freilich Recht, doch .ist die Poesie dem Charakter<lb/>
des dummen, groben und boshaften OSmin ganz angemessen. Und ich weiß<lb/>
wohl, daß die Versart darin nicht die beste ist; doch ist sie so passend mit meinen<lb/>
musikalischen Gedanken (die schon vorher in meinem Kopfe herumspazierten)<lb/>
übereingekommen, daß sie mir nothwendig gefallen mußte; und ich wollte wetten,<lb/>
daß man bei dessen Aufführung nichts vermissen wird. Was die in dem Stücke<lb/>
selbst sich befindende Poesie betrifft, so könnte ich sie wirklich nicht verachten. &#x2014;<lb/>
Die Uria von Belmont: O wie ängstlich könnte fast für die Musik nicht<lb/>
besser geschrieben sein. &#x2014; Das Hui und Kummer ruht in meinem Schoß<lb/>
(denn der Kummer kann nicht ruhen) ausgenommen*), ist die Uria auch nicht<lb/>
schlecht, besonders der erste Theil; und ich weiß nicht, &#x2014; bei einer Opera<lb/>
muß schlechterdings die Poesie der Musik gehorsame Tochter sein. &#x2014; Warum</p><lb/>
          <note xml:id="FID_32" place="foot"><p xml:id="ID_1670"> ) In der Arie der Constanze (S) heißt es</p> "<p xml:id="ID_1671"> Dock) im Hui schwand meine Freude,<lb/>
Trennung war mein banges Loos;<lb/>
Und nun schwimmt mein Aug' in Thränen,<lb/>
Kummer richt in meinem Schooß.</p><lb/><p xml:id="ID_1672" next="#ID_1673"> Darüber hatte Mozart seinem Vater schon vorher geschrieben (26. Sept. -I781): &#x201E;Das Hui<lb/>
habe ich tu schnell verändert, also: Doch wie schnell schwand meine Freude. Ich<lb/>
weiß nicht, was sich unsere deutschen Dichter denken; wenn sie schon das Theater nicht ver¬<lb/>
stehen, was die Oper anbelangt, so sollten sie doch wenigstens die Leute nicht reden lassen,<lb/>
als wenn Schweine vor ihnen stünden."</p></note><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. I. -1867. Ki</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0489] Der Operndichter und der Compomst nach Mozart. Das Folgende ist eine Mittheilung aus dem Manuscript des vortrefflichen Werkes: Leben Mozarts von O. Jahr, dritter Band, welcher Ende dieses Sommers im Buchhandel erscheinen soll. Der Abdruck ist nach den der Redaction auf ihr Ansuchen freundlichst mitgetheilten Aushängebogen gemacht und nur in so weit geändert, als für diesen separaten Abdruck nöthig war; so durften einzelne Anmerkungen des Verfassers weggelassen, andere in den Tert aus¬ genommen werden. — „Mozarts Vater hatte gegen das Textbuch der Entführung aus dem Serail und die damit vorgenommenen Aenderungen mancherlei kritische Bedenken geäußert, aufweiche der Sohn ihm folgende merkwürdige Antwort ertheilte (13. October -I78l). „„Nun wegen dem Tert von der Opera. —Was des Stephanie seine Arbeit anbelangt, so haben Sie freilich Recht, doch .ist die Poesie dem Charakter des dummen, groben und boshaften OSmin ganz angemessen. Und ich weiß wohl, daß die Versart darin nicht die beste ist; doch ist sie so passend mit meinen musikalischen Gedanken (die schon vorher in meinem Kopfe herumspazierten) übereingekommen, daß sie mir nothwendig gefallen mußte; und ich wollte wetten, daß man bei dessen Aufführung nichts vermissen wird. Was die in dem Stücke selbst sich befindende Poesie betrifft, so könnte ich sie wirklich nicht verachten. — Die Uria von Belmont: O wie ängstlich könnte fast für die Musik nicht besser geschrieben sein. — Das Hui und Kummer ruht in meinem Schoß (denn der Kummer kann nicht ruhen) ausgenommen*), ist die Uria auch nicht schlecht, besonders der erste Theil; und ich weiß nicht, — bei einer Opera muß schlechterdings die Poesie der Musik gehorsame Tochter sein. — Warum ) In der Arie der Constanze (S) heißt es " Dock) im Hui schwand meine Freude, Trennung war mein banges Loos; Und nun schwimmt mein Aug' in Thränen, Kummer richt in meinem Schooß. Darüber hatte Mozart seinem Vater schon vorher geschrieben (26. Sept. -I781): „Das Hui habe ich tu schnell verändert, also: Doch wie schnell schwand meine Freude. Ich weiß nicht, was sich unsere deutschen Dichter denken; wenn sie schon das Theater nicht ver¬ stehen, was die Oper anbelangt, so sollten sie doch wenigstens die Leute nicht reden lassen, als wenn Schweine vor ihnen stünden." Grenzboten. I. -1867. Ki

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/489
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/489>, abgerufen am 27.04.2024.