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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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Moimementsanzeige zum neuen Jahr.
Mit dem Anfange des neuen Jahres beginnen die Grenzboten
den ^H'L. Jahrgang. Die unterzeichnete Verlagshandlung erlaubt
sich zur Pränumeration aus denselben einzuladen, und bemerkt, daß alle
Buchhandlungen und Postämter Bestellnttgen annehmen.
Leipzig, im December 18ö6. Fr. Ludw. Herbig.

Der Sturz Esparteros und O'Donnels.

Die drohende Lage, in welcher die Cortes im Juli 1856 Land und Re-
n'erung Mückgelassen hatten, verschlimmerte sich mit jedem Tage. In Kata¬
lonien, Aragonien, in der Mancha, in Estremadura, in den Provinzen Neu-
castiliens und Andalusiens wiederholten sich die blutigen und vandalischen
Auftritte, deren verderbliches Beispiel zuerst Altcastilien gegeben hatte. In
Madrid herrschte eine dumpfe und bange Stimmung, gleich der Schwüle,
welche dem Gewitter vorhergeht. Die furchtbarsten Pläne wurden durch das
Gerücht den Feinden der öffentlichen Ordnung zugeschrieben; und niemand
wußte, wer eigentlich diese Feinde seien. Die einen bezüchtigten die Geistlich¬
keit der Anstiftung jener schrecklichen Scenen, die andern sahen in ihnen den
Ausbruch der Leidenschaften, welche die Demokratie so lange gepflegt hatte.
Unter solchen Umständen erwartete man bei der Rückkehr Escosuras aus Valla-
dolid und Valencia mit Spannung das Ergebniß der Untersuchung, welche
derselbe dort über die Ursache der Unruhen angestellt hatte. Der Minister deS
Innern stattete dem Cabinet einen Bericht ab, der in der Hauptsache denen
Recht gab, welche die verheerenden Vorgänge der geheimen Thätigkeit der
Neactionspartei zuschrieben. Er beantragte gegen deren Umtriebe die schärfsten
Maßregeln, unter andern die Unterdrückung der moderirten Zeitungen. Gegen
diesen Vorschlag erhob sich O'Dommel mit leidenschaftlicher Energie; auf seiner
Ansicht beharrend, die Wühlereien der revolutionären Factionen trügen die
Schuld des Geschehenen, verlangte er gegen sie die nachdrücklichste Repressiv"
und zu diesem Zweck die sofortige Verkündung des Belagerungszustandes in
ganz Spanien. Der Zwiespalt zwischen den beiden Ministern erwies sich bald
als unheilbar.

Welche dieser beiden Ansichten die Wahrheit traf oder ihr mindestens
näher kam, ist schwer zu entscheiden. Vielleicht, daß zukünftigen Geschicht¬
schreibern Quellen darüber eröffnet werden, die sich der Gegenwart verschließen.
Wir sind auf Muthmaßungen beschränkt, und die unsrigen lassen uns die
Wahrheit zwischen EScosura und O'Dommel in der Mitte liegend erscheinen.
Gewiß hatte die Demokratie durch die Verbreitung socialistischer Grundsätze,


Grenzboten. I. 18L7. 6

Moimementsanzeige zum neuen Jahr.
Mit dem Anfange des neuen Jahres beginnen die Grenzboten
den ^H'L. Jahrgang. Die unterzeichnete Verlagshandlung erlaubt
sich zur Pränumeration aus denselben einzuladen, und bemerkt, daß alle
Buchhandlungen und Postämter Bestellnttgen annehmen.
Leipzig, im December 18ö6. Fr. Ludw. Herbig.

Der Sturz Esparteros und O'Donnels.

Die drohende Lage, in welcher die Cortes im Juli 1856 Land und Re-
n'erung Mückgelassen hatten, verschlimmerte sich mit jedem Tage. In Kata¬
lonien, Aragonien, in der Mancha, in Estremadura, in den Provinzen Neu-
castiliens und Andalusiens wiederholten sich die blutigen und vandalischen
Auftritte, deren verderbliches Beispiel zuerst Altcastilien gegeben hatte. In
Madrid herrschte eine dumpfe und bange Stimmung, gleich der Schwüle,
welche dem Gewitter vorhergeht. Die furchtbarsten Pläne wurden durch das
Gerücht den Feinden der öffentlichen Ordnung zugeschrieben; und niemand
wußte, wer eigentlich diese Feinde seien. Die einen bezüchtigten die Geistlich¬
keit der Anstiftung jener schrecklichen Scenen, die andern sahen in ihnen den
Ausbruch der Leidenschaften, welche die Demokratie so lange gepflegt hatte.
Unter solchen Umständen erwartete man bei der Rückkehr Escosuras aus Valla-
dolid und Valencia mit Spannung das Ergebniß der Untersuchung, welche
derselbe dort über die Ursache der Unruhen angestellt hatte. Der Minister deS
Innern stattete dem Cabinet einen Bericht ab, der in der Hauptsache denen
Recht gab, welche die verheerenden Vorgänge der geheimen Thätigkeit der
Neactionspartei zuschrieben. Er beantragte gegen deren Umtriebe die schärfsten
Maßregeln, unter andern die Unterdrückung der moderirten Zeitungen. Gegen
diesen Vorschlag erhob sich O'Dommel mit leidenschaftlicher Energie; auf seiner
Ansicht beharrend, die Wühlereien der revolutionären Factionen trügen die
Schuld des Geschehenen, verlangte er gegen sie die nachdrücklichste Repressiv«
und zu diesem Zweck die sofortige Verkündung des Belagerungszustandes in
ganz Spanien. Der Zwiespalt zwischen den beiden Ministern erwies sich bald
als unheilbar.

Welche dieser beiden Ansichten die Wahrheit traf oder ihr mindestens
näher kam, ist schwer zu entscheiden. Vielleicht, daß zukünftigen Geschicht¬
schreibern Quellen darüber eröffnet werden, die sich der Gegenwart verschließen.
Wir sind auf Muthmaßungen beschränkt, und die unsrigen lassen uns die
Wahrheit zwischen EScosura und O'Dommel in der Mitte liegend erscheinen.
Gewiß hatte die Demokratie durch die Verbreitung socialistischer Grundsätze,


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[0049] Moimementsanzeige zum neuen Jahr. Mit dem Anfange des neuen Jahres beginnen die Grenzboten den ^H'L. Jahrgang. Die unterzeichnete Verlagshandlung erlaubt sich zur Pränumeration aus denselben einzuladen, und bemerkt, daß alle Buchhandlungen und Postämter Bestellnttgen annehmen. Leipzig, im December 18ö6. Fr. Ludw. Herbig. Der Sturz Esparteros und O'Donnels. Die drohende Lage, in welcher die Cortes im Juli 1856 Land und Re- n'erung Mückgelassen hatten, verschlimmerte sich mit jedem Tage. In Kata¬ lonien, Aragonien, in der Mancha, in Estremadura, in den Provinzen Neu- castiliens und Andalusiens wiederholten sich die blutigen und vandalischen Auftritte, deren verderbliches Beispiel zuerst Altcastilien gegeben hatte. In Madrid herrschte eine dumpfe und bange Stimmung, gleich der Schwüle, welche dem Gewitter vorhergeht. Die furchtbarsten Pläne wurden durch das Gerücht den Feinden der öffentlichen Ordnung zugeschrieben; und niemand wußte, wer eigentlich diese Feinde seien. Die einen bezüchtigten die Geistlich¬ keit der Anstiftung jener schrecklichen Scenen, die andern sahen in ihnen den Ausbruch der Leidenschaften, welche die Demokratie so lange gepflegt hatte. Unter solchen Umständen erwartete man bei der Rückkehr Escosuras aus Valla- dolid und Valencia mit Spannung das Ergebniß der Untersuchung, welche derselbe dort über die Ursache der Unruhen angestellt hatte. Der Minister deS Innern stattete dem Cabinet einen Bericht ab, der in der Hauptsache denen Recht gab, welche die verheerenden Vorgänge der geheimen Thätigkeit der Neactionspartei zuschrieben. Er beantragte gegen deren Umtriebe die schärfsten Maßregeln, unter andern die Unterdrückung der moderirten Zeitungen. Gegen diesen Vorschlag erhob sich O'Dommel mit leidenschaftlicher Energie; auf seiner Ansicht beharrend, die Wühlereien der revolutionären Factionen trügen die Schuld des Geschehenen, verlangte er gegen sie die nachdrücklichste Repressiv« und zu diesem Zweck die sofortige Verkündung des Belagerungszustandes in ganz Spanien. Der Zwiespalt zwischen den beiden Ministern erwies sich bald als unheilbar. Welche dieser beiden Ansichten die Wahrheit traf oder ihr mindestens näher kam, ist schwer zu entscheiden. Vielleicht, daß zukünftigen Geschicht¬ schreibern Quellen darüber eröffnet werden, die sich der Gegenwart verschließen. Wir sind auf Muthmaßungen beschränkt, und die unsrigen lassen uns die Wahrheit zwischen EScosura und O'Dommel in der Mitte liegend erscheinen. Gewiß hatte die Demokratie durch die Verbreitung socialistischer Grundsätze, Grenzboten. I. 18L7. 6

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/49>, abgerufen am 27.04.2024.