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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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Die skandinavische Union.

Nach langem Harren haben die deutschen Großmächte in langen Noten
eine Erwiderung von Dänemark erhalten wegen der Gesammwerfassung vom
2. October 1853, eine Antwort, die so ablehnend ausgefallen, wie prophezeit
war. In Wien wie in Berlin fand man die Antwort: alles sei verfassungs--
und tractatmäßig zugegangen und Zugeständnisse könnten nicht eingeräumt
werden, keineswegs befriedigend, auch eine Verbalnote des dänischen Bundes¬
gesandten, welche doch einige Concessiönchen in Aussicht stellte, wenn die
Großmächte ihre Reclamationen aufgeben würden, nämlich die frühern: Do¬
mänenverkauf mit Majorität deS Neichsraths und eine neue: Rückgabe
der Domanialverwaltung an den Minister für Holstein und Lauenburg, aber
mit Verantwortlichkeit gegen den Reichsrath -- auch diese Liebkosungen sind
abgelehnt und dem dänischen Cabinet nur noch drei Wochen als Bedenkzeit
gewährt, nach deren Ablauf -- Anfang Mai -- die Frage über die nach¬
trägliche Vorlage der Gesammtverfassung an die Provinzialstände dem Bundes¬
tag zur Entscheidung würde gestellt werden. Dänemark hat sich gleichzeitig an
die übrigen europäischen Großmächte hingewandt und demonstrirt, daß die bani-,
sche Monarchie zusammenbreche, wenn nicht Hilfe von außen komme durch
eine europäische Verhandlung der Sache. Nach der ministeriellen "Zeit" blieb
dieser Hilferuf bisher ohne Erfolg; Rußland , welches nach anderer Lesart
den v. Scheel als "trop aperte" bezeichnet, um sich halten zu können, soll
sogar ausdrücklich die Competenz des deutschen Bundes anerkannt haben. In
den berliner Kammern sind links und sogar rechts, im Herrenhause, wo früher
die Niederlage der deutschen Politik als ein moralischer Sieg über die Revo¬
lution gepriesen wurde, den bedrängten Herzogthümern Worte und Anträge
gewidmet, die nur die Erinnerung an Schleswig, das grade in neuester Zeit,
kräftiger als in den letzten Jahren demDänenthum widerstrebt hat, vermissen lassen;
der Ministerpräsident versichert die Kammer seines ganzen Ernstes in dieser
Nationalsache und deS einträchtigen Zusammengehens des gesommten Deutsch¬
lands. Unmittelbar darauf empfängt der zerbrechliche Gesammtstaat in seinem
eignen Innern einen neuen Stoß; inmitten der bedenklichsten Krisis, während
der Reichsrath wegen des Sundzolltractats versammelt ist, bricht das lange


Grenzboten II. 1867. 21
Die skandinavische Union.

Nach langem Harren haben die deutschen Großmächte in langen Noten
eine Erwiderung von Dänemark erhalten wegen der Gesammwerfassung vom
2. October 1853, eine Antwort, die so ablehnend ausgefallen, wie prophezeit
war. In Wien wie in Berlin fand man die Antwort: alles sei verfassungs--
und tractatmäßig zugegangen und Zugeständnisse könnten nicht eingeräumt
werden, keineswegs befriedigend, auch eine Verbalnote des dänischen Bundes¬
gesandten, welche doch einige Concessiönchen in Aussicht stellte, wenn die
Großmächte ihre Reclamationen aufgeben würden, nämlich die frühern: Do¬
mänenverkauf mit Majorität deS Neichsraths und eine neue: Rückgabe
der Domanialverwaltung an den Minister für Holstein und Lauenburg, aber
mit Verantwortlichkeit gegen den Reichsrath — auch diese Liebkosungen sind
abgelehnt und dem dänischen Cabinet nur noch drei Wochen als Bedenkzeit
gewährt, nach deren Ablauf — Anfang Mai — die Frage über die nach¬
trägliche Vorlage der Gesammtverfassung an die Provinzialstände dem Bundes¬
tag zur Entscheidung würde gestellt werden. Dänemark hat sich gleichzeitig an
die übrigen europäischen Großmächte hingewandt und demonstrirt, daß die bani-,
sche Monarchie zusammenbreche, wenn nicht Hilfe von außen komme durch
eine europäische Verhandlung der Sache. Nach der ministeriellen „Zeit" blieb
dieser Hilferuf bisher ohne Erfolg; Rußland , welches nach anderer Lesart
den v. Scheel als „trop aperte" bezeichnet, um sich halten zu können, soll
sogar ausdrücklich die Competenz des deutschen Bundes anerkannt haben. In
den berliner Kammern sind links und sogar rechts, im Herrenhause, wo früher
die Niederlage der deutschen Politik als ein moralischer Sieg über die Revo¬
lution gepriesen wurde, den bedrängten Herzogthümern Worte und Anträge
gewidmet, die nur die Erinnerung an Schleswig, das grade in neuester Zeit,
kräftiger als in den letzten Jahren demDänenthum widerstrebt hat, vermissen lassen;
der Ministerpräsident versichert die Kammer seines ganzen Ernstes in dieser
Nationalsache und deS einträchtigen Zusammengehens des gesommten Deutsch¬
lands. Unmittelbar darauf empfängt der zerbrechliche Gesammtstaat in seinem
eignen Innern einen neuen Stoß; inmitten der bedenklichsten Krisis, während
der Reichsrath wegen des Sundzolltractats versammelt ist, bricht das lange


Grenzboten II. 1867. 21
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[0169] Die skandinavische Union. Nach langem Harren haben die deutschen Großmächte in langen Noten eine Erwiderung von Dänemark erhalten wegen der Gesammwerfassung vom 2. October 1853, eine Antwort, die so ablehnend ausgefallen, wie prophezeit war. In Wien wie in Berlin fand man die Antwort: alles sei verfassungs-- und tractatmäßig zugegangen und Zugeständnisse könnten nicht eingeräumt werden, keineswegs befriedigend, auch eine Verbalnote des dänischen Bundes¬ gesandten, welche doch einige Concessiönchen in Aussicht stellte, wenn die Großmächte ihre Reclamationen aufgeben würden, nämlich die frühern: Do¬ mänenverkauf mit Majorität deS Neichsraths und eine neue: Rückgabe der Domanialverwaltung an den Minister für Holstein und Lauenburg, aber mit Verantwortlichkeit gegen den Reichsrath — auch diese Liebkosungen sind abgelehnt und dem dänischen Cabinet nur noch drei Wochen als Bedenkzeit gewährt, nach deren Ablauf — Anfang Mai — die Frage über die nach¬ trägliche Vorlage der Gesammtverfassung an die Provinzialstände dem Bundes¬ tag zur Entscheidung würde gestellt werden. Dänemark hat sich gleichzeitig an die übrigen europäischen Großmächte hingewandt und demonstrirt, daß die bani-, sche Monarchie zusammenbreche, wenn nicht Hilfe von außen komme durch eine europäische Verhandlung der Sache. Nach der ministeriellen „Zeit" blieb dieser Hilferuf bisher ohne Erfolg; Rußland , welches nach anderer Lesart den v. Scheel als „trop aperte" bezeichnet, um sich halten zu können, soll sogar ausdrücklich die Competenz des deutschen Bundes anerkannt haben. In den berliner Kammern sind links und sogar rechts, im Herrenhause, wo früher die Niederlage der deutschen Politik als ein moralischer Sieg über die Revo¬ lution gepriesen wurde, den bedrängten Herzogthümern Worte und Anträge gewidmet, die nur die Erinnerung an Schleswig, das grade in neuester Zeit, kräftiger als in den letzten Jahren demDänenthum widerstrebt hat, vermissen lassen; der Ministerpräsident versichert die Kammer seines ganzen Ernstes in dieser Nationalsache und deS einträchtigen Zusammengehens des gesommten Deutsch¬ lands. Unmittelbar darauf empfängt der zerbrechliche Gesammtstaat in seinem eignen Innern einen neuen Stoß; inmitten der bedenklichsten Krisis, während der Reichsrath wegen des Sundzolltractats versammelt ist, bricht das lange Grenzboten II. 1867. 21

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/169>, abgerufen am 02.05.2024.