Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

wir also zuerst fertig werden. Dann Kirche, Stände und Communen, und
alles was Sie wollen."

Man sieht, die Stellung eines officiösen Schriftstellers hat ihre mi߬
lichen Seiten, und wenn er sich schließlich zu einem so aufgeklärten Ideal er¬
hebt, wie Gentz in Beziehung auf die Censur, so darf man sich darüber nicht
wundern. Mit dieser Nutzanwendung wollen wir schließen, da ohnehin die
letzten Jahre keine erhebliche Ausbeute geben. Die fortdauernde Sorge
Müllers um den Seelenzustand seines Freundes enthält nichts Neues. Die
Herausgeber verdienen den Dank des deutschen Publicums, daß sie ihm einen
so interessanten Einblick hinter die Coulissen der officiellen Welt verstattet
I. S. haben. , , ,




Zur Situation in Schleswig-Holstein.

Als im Februar 1832 die zur Vermittlung des Streites zwischen Schleswig-
Holstein und Dänemark erschienenen Bundescommissäre das Land wieder ver¬
ließen, erklärten sie, in der freudigen Hoffnung zu scheiden, es werde nun
für die betreffenden Gebiete eine Zeit dauernder Wohlfahrt beginnen. Wie
diese Hoffnung sich erfüllte, ist zur Genüge bekannt. In Schleswig hat die
Ausnothigung der dänischen Sprache die Kirchen verödet, die Schulen ver¬
wüstet. Dort wie in Holstein wurden Richter und andere Beamte ohne Urtheil
und Recht abgesetzt, dort wie in Holstein die Presse in Fesseln geschlagen.
Beide Länder überschwemmte man mit dänischen, auf Feindseligkeit gegen alles
Deutsche dressirten Pastoren, Beamten und Soldaten, überbürdete sie mit
Steuern, trieb die Beiträge zu den Ausgaben des neuen Gesanimtstaats
nach einem ungerechten Repartitionssuß ein, danistrte alle Einrichtungen:
Justiz, Polizei, Münze, Zollwesen und Postwesen -- alles zu Gunsten des
Gesammtstaates, in welchem das dänische Element unter allen Umständen vor¬
wiegen mußte.

Die deutschen Cabinete haben zu dieser Vergewaltigung sechs Jahre hin¬
durch geschwiegen. Dagegen stellten die Dänen selbst der neuen Staatsordnung
Hindernisse entgegen. Sie wußten, daß der Verlust der Herzogthümer den
Verfall des ganzen Staats nach sich ziehen würde, aber sie wußten auch, wie
mißlich es ist, eine fremde Nationalität von der Bedeutung der deutschen in
ein und dieselbe Verfassung hineinzuzwängen. Sie fürchteten, statt die deut¬
schen Herzogthümer verschlingen zu können, von den vierzig Millionen hinter
diesen verschlungen zu werden, fürchteten den Einfluß des deutschen Bundes


wir also zuerst fertig werden. Dann Kirche, Stände und Communen, und
alles was Sie wollen."

Man sieht, die Stellung eines officiösen Schriftstellers hat ihre mi߬
lichen Seiten, und wenn er sich schließlich zu einem so aufgeklärten Ideal er¬
hebt, wie Gentz in Beziehung auf die Censur, so darf man sich darüber nicht
wundern. Mit dieser Nutzanwendung wollen wir schließen, da ohnehin die
letzten Jahre keine erhebliche Ausbeute geben. Die fortdauernde Sorge
Müllers um den Seelenzustand seines Freundes enthält nichts Neues. Die
Herausgeber verdienen den Dank des deutschen Publicums, daß sie ihm einen
so interessanten Einblick hinter die Coulissen der officiellen Welt verstattet
I. S. haben. , , ,




Zur Situation in Schleswig-Holstein.

Als im Februar 1832 die zur Vermittlung des Streites zwischen Schleswig-
Holstein und Dänemark erschienenen Bundescommissäre das Land wieder ver¬
ließen, erklärten sie, in der freudigen Hoffnung zu scheiden, es werde nun
für die betreffenden Gebiete eine Zeit dauernder Wohlfahrt beginnen. Wie
diese Hoffnung sich erfüllte, ist zur Genüge bekannt. In Schleswig hat die
Ausnothigung der dänischen Sprache die Kirchen verödet, die Schulen ver¬
wüstet. Dort wie in Holstein wurden Richter und andere Beamte ohne Urtheil
und Recht abgesetzt, dort wie in Holstein die Presse in Fesseln geschlagen.
Beide Länder überschwemmte man mit dänischen, auf Feindseligkeit gegen alles
Deutsche dressirten Pastoren, Beamten und Soldaten, überbürdete sie mit
Steuern, trieb die Beiträge zu den Ausgaben des neuen Gesanimtstaats
nach einem ungerechten Repartitionssuß ein, danistrte alle Einrichtungen:
Justiz, Polizei, Münze, Zollwesen und Postwesen — alles zu Gunsten des
Gesammtstaates, in welchem das dänische Element unter allen Umständen vor¬
wiegen mußte.

Die deutschen Cabinete haben zu dieser Vergewaltigung sechs Jahre hin¬
durch geschwiegen. Dagegen stellten die Dänen selbst der neuen Staatsordnung
Hindernisse entgegen. Sie wußten, daß der Verlust der Herzogthümer den
Verfall des ganzen Staats nach sich ziehen würde, aber sie wußten auch, wie
mißlich es ist, eine fremde Nationalität von der Bedeutung der deutschen in
ein und dieselbe Verfassung hineinzuzwängen. Sie fürchteten, statt die deut¬
schen Herzogthümer verschlingen zu können, von den vierzig Millionen hinter
diesen verschlungen zu werden, fürchteten den Einfluß des deutschen Bundes


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0308" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/103975"/>
          <p xml:id="ID_871" prev="#ID_870"> wir also zuerst fertig werden. Dann Kirche, Stände und Communen, und<lb/>
alles was Sie wollen."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_872"> Man sieht, die Stellung eines officiösen Schriftstellers hat ihre mi߬<lb/>
lichen Seiten, und wenn er sich schließlich zu einem so aufgeklärten Ideal er¬<lb/>
hebt, wie Gentz in Beziehung auf die Censur, so darf man sich darüber nicht<lb/>
wundern. Mit dieser Nutzanwendung wollen wir schließen, da ohnehin die<lb/>
letzten Jahre keine erhebliche Ausbeute geben. Die fortdauernde Sorge<lb/>
Müllers um den Seelenzustand seines Freundes enthält nichts Neues. Die<lb/>
Herausgeber verdienen den Dank des deutschen Publicums, daß sie ihm einen<lb/>
so interessanten Einblick hinter die Coulissen der officiellen Welt verstattet<lb/><note type="byline"> I. S.</note> haben. , , , </p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Zur Situation in Schleswig-Holstein.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_873"> Als im Februar 1832 die zur Vermittlung des Streites zwischen Schleswig-<lb/>
Holstein und Dänemark erschienenen Bundescommissäre das Land wieder ver¬<lb/>
ließen, erklärten sie, in der freudigen Hoffnung zu scheiden, es werde nun<lb/>
für die betreffenden Gebiete eine Zeit dauernder Wohlfahrt beginnen. Wie<lb/>
diese Hoffnung sich erfüllte, ist zur Genüge bekannt. In Schleswig hat die<lb/>
Ausnothigung der dänischen Sprache die Kirchen verödet, die Schulen ver¬<lb/>
wüstet. Dort wie in Holstein wurden Richter und andere Beamte ohne Urtheil<lb/>
und Recht abgesetzt, dort wie in Holstein die Presse in Fesseln geschlagen.<lb/>
Beide Länder überschwemmte man mit dänischen, auf Feindseligkeit gegen alles<lb/>
Deutsche dressirten Pastoren, Beamten und Soldaten, überbürdete sie mit<lb/>
Steuern, trieb die Beiträge zu den Ausgaben des neuen Gesanimtstaats<lb/>
nach einem ungerechten Repartitionssuß ein, danistrte alle Einrichtungen:<lb/>
Justiz, Polizei, Münze, Zollwesen und Postwesen &#x2014; alles zu Gunsten des<lb/>
Gesammtstaates, in welchem das dänische Element unter allen Umständen vor¬<lb/>
wiegen mußte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_874" next="#ID_875"> Die deutschen Cabinete haben zu dieser Vergewaltigung sechs Jahre hin¬<lb/>
durch geschwiegen. Dagegen stellten die Dänen selbst der neuen Staatsordnung<lb/>
Hindernisse entgegen. Sie wußten, daß der Verlust der Herzogthümer den<lb/>
Verfall des ganzen Staats nach sich ziehen würde, aber sie wußten auch, wie<lb/>
mißlich es ist, eine fremde Nationalität von der Bedeutung der deutschen in<lb/>
ein und dieselbe Verfassung hineinzuzwängen. Sie fürchteten, statt die deut¬<lb/>
schen Herzogthümer verschlingen zu können, von den vierzig Millionen hinter<lb/>
diesen verschlungen zu werden, fürchteten den Einfluß des deutschen Bundes</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0308] wir also zuerst fertig werden. Dann Kirche, Stände und Communen, und alles was Sie wollen." Man sieht, die Stellung eines officiösen Schriftstellers hat ihre mi߬ lichen Seiten, und wenn er sich schließlich zu einem so aufgeklärten Ideal er¬ hebt, wie Gentz in Beziehung auf die Censur, so darf man sich darüber nicht wundern. Mit dieser Nutzanwendung wollen wir schließen, da ohnehin die letzten Jahre keine erhebliche Ausbeute geben. Die fortdauernde Sorge Müllers um den Seelenzustand seines Freundes enthält nichts Neues. Die Herausgeber verdienen den Dank des deutschen Publicums, daß sie ihm einen so interessanten Einblick hinter die Coulissen der officiellen Welt verstattet I. S. haben. , , , Zur Situation in Schleswig-Holstein. Als im Februar 1832 die zur Vermittlung des Streites zwischen Schleswig- Holstein und Dänemark erschienenen Bundescommissäre das Land wieder ver¬ ließen, erklärten sie, in der freudigen Hoffnung zu scheiden, es werde nun für die betreffenden Gebiete eine Zeit dauernder Wohlfahrt beginnen. Wie diese Hoffnung sich erfüllte, ist zur Genüge bekannt. In Schleswig hat die Ausnothigung der dänischen Sprache die Kirchen verödet, die Schulen ver¬ wüstet. Dort wie in Holstein wurden Richter und andere Beamte ohne Urtheil und Recht abgesetzt, dort wie in Holstein die Presse in Fesseln geschlagen. Beide Länder überschwemmte man mit dänischen, auf Feindseligkeit gegen alles Deutsche dressirten Pastoren, Beamten und Soldaten, überbürdete sie mit Steuern, trieb die Beiträge zu den Ausgaben des neuen Gesanimtstaats nach einem ungerechten Repartitionssuß ein, danistrte alle Einrichtungen: Justiz, Polizei, Münze, Zollwesen und Postwesen — alles zu Gunsten des Gesammtstaates, in welchem das dänische Element unter allen Umständen vor¬ wiegen mußte. Die deutschen Cabinete haben zu dieser Vergewaltigung sechs Jahre hin¬ durch geschwiegen. Dagegen stellten die Dänen selbst der neuen Staatsordnung Hindernisse entgegen. Sie wußten, daß der Verlust der Herzogthümer den Verfall des ganzen Staats nach sich ziehen würde, aber sie wußten auch, wie mißlich es ist, eine fremde Nationalität von der Bedeutung der deutschen in ein und dieselbe Verfassung hineinzuzwängen. Sie fürchteten, statt die deut¬ schen Herzogthümer verschlingen zu können, von den vierzig Millionen hinter diesen verschlungen zu werden, fürchteten den Einfluß des deutschen Bundes

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/308
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/308>, abgerufen am 02.05.2024.