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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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hinreichen, eine Menge mildernder Umstände zu beseitigen, die sie ohne Zwei¬
fel gegen diese Briefe hätte vorbringen können.

Beethoven entblößte sich zu Gunsten seines Neffen in solchem Grade, daß
er, um das diesem bei Lebzeiten Vermachte nicht anzugreifen, sogar in Gefahr
kam, selbst Mangel zu leiden, ja einmal selbst Hunger litt, und auf dem
Sterbebette noch an Moscheles einen Hilferuf ergehen lassen mußte, der haupt¬
sächlich verschuldet hat, daß Beethoven in den Schein eines Geizhalses geriet!).
Er starb in dem Augenblick, als die philharmonische Gesellschaft ihm von
England die Hand des helfenden Samariters herüberreichte -- und als man
nach seinem Tode seinen Koffer öffnete, fand man über 9000 si darin. Aber sie
gehörten nicht Beethoven, er hatte sie für seinen Pflegling zusammengespart,
dem er äußerlich wenigstens einigen Halt zurücklassen wollte.

Da die wenigsten der Briefe datirt sind, so ist ihre Reihenfolge nach
Wahrscheinlichkeitsgründen geordnet. Viele waren kaum zu entziffern; einige
weisen jene riesigen Buchstaben auf, die man am besten dem gigantischen
Schritt seiner musikalischen Gedanken vergleicht.


'No' <. ,

, ,
(1816?)

Euer Wohlgeboren! Ich sage Ihnen mit großem Vergnügen, daß ich
morgen endlich mein mir anvertrautes theures Pfand zu Ihnen bringen werde.
-- Uebrigens bitte ich Sie noch einmal durchaus der Mutter keinen Einfluß zu
gestatten, wie oder wann sie ihn sehen soll, alles dieses werde ich mit Ihnen
morgen näher verabreden . . Sie dürfen selbst auf Ihren Bedienten einiger¬
maßen merken lassen, denn der meinige ward schon von ihr zwar in einer
andern Gelegenheit bestochen! -- mündlich ausführlicher hierüber, obschon
mir das Stillschweigen das Liebste hierüber -- allein Ihres künftigen Welt¬
bürgers wegen bedarf es dieser mir traurigen Mittheilung. Mit Hochachtung
Euer Wohlgeboren


Beethoven. ergebenster Diener und Freund
'
-Mo.jSmui

i.1816?)

Ich hörte, mein werther Freund, daß Sie mir etwas zu übergeben hätten,
leider gestern Abends zu spät, sonst würde ich noch zu Ihnen gekommen sein,
ich bitte Sie also mir dieses zu überschicken, indem's wohl nichts Anderes als
ein Schreiben der K. d. N. (Königin der Nacht) an mich sein wird. -- Obschon
Sie mir die Erlaubniß ertheilt, zweimal Karl abholen zu können, so ersuche
ich Sie denn doch deswegen, ihn morgen gegen elf Uhr abholen zu lassen,
indem ich ihn zu einer interessanten Musik führen will, auch habe ich mir vor¬
genommen, ihn morgen bei mir spielen zu lassen, welches lange unterblieben
ist. -- Uebrigens bitte ich Sie ihn hente noch anhaltender als gewöhnlich zu


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hinreichen, eine Menge mildernder Umstände zu beseitigen, die sie ohne Zwei¬
fel gegen diese Briefe hätte vorbringen können.

Beethoven entblößte sich zu Gunsten seines Neffen in solchem Grade, daß
er, um das diesem bei Lebzeiten Vermachte nicht anzugreifen, sogar in Gefahr
kam, selbst Mangel zu leiden, ja einmal selbst Hunger litt, und auf dem
Sterbebette noch an Moscheles einen Hilferuf ergehen lassen mußte, der haupt¬
sächlich verschuldet hat, daß Beethoven in den Schein eines Geizhalses geriet!).
Er starb in dem Augenblick, als die philharmonische Gesellschaft ihm von
England die Hand des helfenden Samariters herüberreichte — und als man
nach seinem Tode seinen Koffer öffnete, fand man über 9000 si darin. Aber sie
gehörten nicht Beethoven, er hatte sie für seinen Pflegling zusammengespart,
dem er äußerlich wenigstens einigen Halt zurücklassen wollte.

Da die wenigsten der Briefe datirt sind, so ist ihre Reihenfolge nach
Wahrscheinlichkeitsgründen geordnet. Viele waren kaum zu entziffern; einige
weisen jene riesigen Buchstaben auf, die man am besten dem gigantischen
Schritt seiner musikalischen Gedanken vergleicht.


'No' <. ,

, ,
(1816?)

Euer Wohlgeboren! Ich sage Ihnen mit großem Vergnügen, daß ich
morgen endlich mein mir anvertrautes theures Pfand zu Ihnen bringen werde.
— Uebrigens bitte ich Sie noch einmal durchaus der Mutter keinen Einfluß zu
gestatten, wie oder wann sie ihn sehen soll, alles dieses werde ich mit Ihnen
morgen näher verabreden . . Sie dürfen selbst auf Ihren Bedienten einiger¬
maßen merken lassen, denn der meinige ward schon von ihr zwar in einer
andern Gelegenheit bestochen! — mündlich ausführlicher hierüber, obschon
mir das Stillschweigen das Liebste hierüber — allein Ihres künftigen Welt¬
bürgers wegen bedarf es dieser mir traurigen Mittheilung. Mit Hochachtung
Euer Wohlgeboren


Beethoven. ergebenster Diener und Freund
'
-Mo.jSmui

i.1816?)

Ich hörte, mein werther Freund, daß Sie mir etwas zu übergeben hätten,
leider gestern Abends zu spät, sonst würde ich noch zu Ihnen gekommen sein,
ich bitte Sie also mir dieses zu überschicken, indem's wohl nichts Anderes als
ein Schreiben der K. d. N. (Königin der Nacht) an mich sein wird. — Obschon
Sie mir die Erlaubniß ertheilt, zweimal Karl abholen zu können, so ersuche
ich Sie denn doch deswegen, ihn morgen gegen elf Uhr abholen zu lassen,
indem ich ihn zu einer interessanten Musik führen will, auch habe ich mir vor¬
genommen, ihn morgen bei mir spielen zu lassen, welches lange unterblieben
ist. — Uebrigens bitte ich Sie ihn hente noch anhaltender als gewöhnlich zu


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[0059] hinreichen, eine Menge mildernder Umstände zu beseitigen, die sie ohne Zwei¬ fel gegen diese Briefe hätte vorbringen können. Beethoven entblößte sich zu Gunsten seines Neffen in solchem Grade, daß er, um das diesem bei Lebzeiten Vermachte nicht anzugreifen, sogar in Gefahr kam, selbst Mangel zu leiden, ja einmal selbst Hunger litt, und auf dem Sterbebette noch an Moscheles einen Hilferuf ergehen lassen mußte, der haupt¬ sächlich verschuldet hat, daß Beethoven in den Schein eines Geizhalses geriet!). Er starb in dem Augenblick, als die philharmonische Gesellschaft ihm von England die Hand des helfenden Samariters herüberreichte — und als man nach seinem Tode seinen Koffer öffnete, fand man über 9000 si darin. Aber sie gehörten nicht Beethoven, er hatte sie für seinen Pflegling zusammengespart, dem er äußerlich wenigstens einigen Halt zurücklassen wollte. Da die wenigsten der Briefe datirt sind, so ist ihre Reihenfolge nach Wahrscheinlichkeitsgründen geordnet. Viele waren kaum zu entziffern; einige weisen jene riesigen Buchstaben auf, die man am besten dem gigantischen Schritt seiner musikalischen Gedanken vergleicht. 'No' <. , , , (1816?) Euer Wohlgeboren! Ich sage Ihnen mit großem Vergnügen, daß ich morgen endlich mein mir anvertrautes theures Pfand zu Ihnen bringen werde. — Uebrigens bitte ich Sie noch einmal durchaus der Mutter keinen Einfluß zu gestatten, wie oder wann sie ihn sehen soll, alles dieses werde ich mit Ihnen morgen näher verabreden . . Sie dürfen selbst auf Ihren Bedienten einiger¬ maßen merken lassen, denn der meinige ward schon von ihr zwar in einer andern Gelegenheit bestochen! — mündlich ausführlicher hierüber, obschon mir das Stillschweigen das Liebste hierüber — allein Ihres künftigen Welt¬ bürgers wegen bedarf es dieser mir traurigen Mittheilung. Mit Hochachtung Euer Wohlgeboren Beethoven. ergebenster Diener und Freund ' -Mo.jSmui i.1816?) Ich hörte, mein werther Freund, daß Sie mir etwas zu übergeben hätten, leider gestern Abends zu spät, sonst würde ich noch zu Ihnen gekommen sein, ich bitte Sie also mir dieses zu überschicken, indem's wohl nichts Anderes als ein Schreiben der K. d. N. (Königin der Nacht) an mich sein wird. — Obschon Sie mir die Erlaubniß ertheilt, zweimal Karl abholen zu können, so ersuche ich Sie denn doch deswegen, ihn morgen gegen elf Uhr abholen zu lassen, indem ich ihn zu einer interessanten Musik führen will, auch habe ich mir vor¬ genommen, ihn morgen bei mir spielen zu lassen, welches lange unterblieben ist. — Uebrigens bitte ich Sie ihn hente noch anhaltender als gewöhnlich zu 7*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/59>, abgerufen am 02.05.2024.