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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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sagen, daß ich hierin mein Unvermögen in diesem Augenblick bekennen muß,
thut mir sehr wehe. Ich bin mit vollkommener Hochachtung Ihr Freund


L. v. Beethoven.
Ur. 26.

(wahrscheinlich -1817.)


Werther Freund!

Sehr beschäftigt und sonst eben noch immer nicht ganz hergestellt, war es mir
nicht möglich, Ihnen noch auf Ihr freundschaftliches Schreiben zu antworten.

Was Ihren Antrag anbelangt, so verdient er eben so viel Dank als
Ueberlegung, ich muß sagen, daß ich früher schon auch diese Idee mit Karl
gehabt, für diesen Augenblick bin ich aber in den unbestimmbarsten Verhält¬
nissen, eben darum hai'e ich mir auch vorbehalten und Sie eben gebeten, die¬
ses anzunehmen, nämlich: den letzten Monat dieses Quartals Ihnen zusagen,
ob Karl noch künftig bei Ihnen bleiben könne, auf diese Weise ist Nichts über¬
eilt und Nichts zerstört, übrigens weiß ich recht gut, daß es gar nicht wohl¬
feil sein kann, so wie Karl jetzt bei Ihnen ist, oder auch nach Ihrem
letzten Vorschlag und eben deswegen habe ich Ihnen nur in meinem Schreiben
andeuten wollen, wie gern ich noch zu dem gewöhnlichen Honorar Ihnen
meine Dankbarkeit aus eine außerordentliche Weise erzeigt hätte, wenn ich von
Unvermögen gesprochen, so ist dieses nur hierin so gemeint, daß mich seine
Bildung aus jede andre Art höher zu stehen kommen würde, als bei Ihnen,
indessen hat jeder Vater mit der Bildung seines Kindes so viel möglich seinen
Zweck, so ich auch mit Karl. Es wird sich nun wohl bald finden, was das
Beste für Karl sei, mag dieses nun sein, daß er Erzieher auf die eine oder
die andere Art hier oder wie sonst, vor der Hand habe ich mich nur nicht
binden wollen, hierin mit völliger Freiheit, und wie es das Interesse mit sich
bringt, handeln zu können.

Große Opfer kostet mir täglich Karl, allein mehr wegen ihm habe ich nur
hiervon gesprochen, denn ich weiß, wie seine Mutter einmal Einfluß auf ihn
erlangt, welche sich durchaus einer Königin der Nacht immer würdig zeigen
will, sprengt sie doch überall aus, daß ich nicht das mindeste, sondern sie alles
für Karl bezahlt, und da wir nun eben bei ihr angelangt sind, danke ich Ihnen
für Ihren wahrhaft einsichtsvollen Brief, er wird auf jeden Fall für mich
wichtig sein, hierbei bitte ich Sie, Herrn L. S. zu bitten, daß er mich gefäl¬
ligst bei seinem Herrn Bruder entschuldige, weil ich noch nicht zu ihm gekom¬
men bin, zum Theil sehr beschäftigt, zum Theil noch immer kränkelnd, war es
mir wirklich beinahe unmöglich, denke ich noch dieser so oft schon besprochenen
Sache, so möchte ich ihn lieber in jeder andern Hinsicht besuchen, als eben
dieser Sache wegen, sie schickt nicht zu mir und so habe ich auch nicht die Zu¬
sammenkünfte mit ihrem Sohn zu befördern, was die andere Geschichte nahe-


sagen, daß ich hierin mein Unvermögen in diesem Augenblick bekennen muß,
thut mir sehr wehe. Ich bin mit vollkommener Hochachtung Ihr Freund


L. v. Beethoven.
Ur. 26.

(wahrscheinlich -1817.)


Werther Freund!

Sehr beschäftigt und sonst eben noch immer nicht ganz hergestellt, war es mir
nicht möglich, Ihnen noch auf Ihr freundschaftliches Schreiben zu antworten.

Was Ihren Antrag anbelangt, so verdient er eben so viel Dank als
Ueberlegung, ich muß sagen, daß ich früher schon auch diese Idee mit Karl
gehabt, für diesen Augenblick bin ich aber in den unbestimmbarsten Verhält¬
nissen, eben darum hai'e ich mir auch vorbehalten und Sie eben gebeten, die¬
ses anzunehmen, nämlich: den letzten Monat dieses Quartals Ihnen zusagen,
ob Karl noch künftig bei Ihnen bleiben könne, auf diese Weise ist Nichts über¬
eilt und Nichts zerstört, übrigens weiß ich recht gut, daß es gar nicht wohl¬
feil sein kann, so wie Karl jetzt bei Ihnen ist, oder auch nach Ihrem
letzten Vorschlag und eben deswegen habe ich Ihnen nur in meinem Schreiben
andeuten wollen, wie gern ich noch zu dem gewöhnlichen Honorar Ihnen
meine Dankbarkeit aus eine außerordentliche Weise erzeigt hätte, wenn ich von
Unvermögen gesprochen, so ist dieses nur hierin so gemeint, daß mich seine
Bildung aus jede andre Art höher zu stehen kommen würde, als bei Ihnen,
indessen hat jeder Vater mit der Bildung seines Kindes so viel möglich seinen
Zweck, so ich auch mit Karl. Es wird sich nun wohl bald finden, was das
Beste für Karl sei, mag dieses nun sein, daß er Erzieher auf die eine oder
die andere Art hier oder wie sonst, vor der Hand habe ich mich nur nicht
binden wollen, hierin mit völliger Freiheit, und wie es das Interesse mit sich
bringt, handeln zu können.

Große Opfer kostet mir täglich Karl, allein mehr wegen ihm habe ich nur
hiervon gesprochen, denn ich weiß, wie seine Mutter einmal Einfluß auf ihn
erlangt, welche sich durchaus einer Königin der Nacht immer würdig zeigen
will, sprengt sie doch überall aus, daß ich nicht das mindeste, sondern sie alles
für Karl bezahlt, und da wir nun eben bei ihr angelangt sind, danke ich Ihnen
für Ihren wahrhaft einsichtsvollen Brief, er wird auf jeden Fall für mich
wichtig sein, hierbei bitte ich Sie, Herrn L. S. zu bitten, daß er mich gefäl¬
ligst bei seinem Herrn Bruder entschuldige, weil ich noch nicht zu ihm gekom¬
men bin, zum Theil sehr beschäftigt, zum Theil noch immer kränkelnd, war es
mir wirklich beinahe unmöglich, denke ich noch dieser so oft schon besprochenen
Sache, so möchte ich ihn lieber in jeder andern Hinsicht besuchen, als eben
dieser Sache wegen, sie schickt nicht zu mir und so habe ich auch nicht die Zu¬
sammenkünfte mit ihrem Sohn zu befördern, was die andere Geschichte nahe-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/71>, abgerufen am 02.05.2024.