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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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zuweisen vermag. Das Auge trennt sich überhaupt schwer von den ausge¬
stellten Thonwaaren , am schwersten aber von diesem altfranzösischen Schatze. --

Im Vorstehenden wäre die Uebersicht der ^ri-'l'rizasurös-Lxludition zu Ende
geführt. summiren wir das Urtheil, so müssen wir zwar eingestehen, daß
die anfänglichen Erwartungen nicht sämmtlich befriedigt wurden, so wenig als
die gehofften Folgen auf die Bildung des NolkSgeschmackcs alle eintreffen
werden. Der Laie nahm nur einen ganz allgemeinen Eindruck mit nach Hause,
fand sich eher betäubt alö angeregt, Bilderliebe bei den Gebildeten und Rei¬
chen in erhöhtem Grade dürfte sich als die wichtigste und vielleicht einzige
Folge der Ausstellung herausstellen. Wahren Genuß fand nur ein kleiner Kreis,
der vorbereitet nach Manchester kam und Muße hatte, mehre Wochen dem
Besuche der Ausstellung zu widmen. Aber dieser Kreis kann nicht genug
dankbar sein für diese wahrscheinlich einzige Gelegenheit, die Kunstanschau¬
ungen zu erweitern und das Kunsturtheil zu bilden. Den Hauptgewinn trägt
die Wissenschaft davon. Ist dies aber nicht lohnend genug für die Mühe der
Unternehmer und die Liberalität der Beitragenden? Eine Bemerkung drängt
sich uns zum Schlüsse auf. Dem Eifer einiger wenigen Privatleute gelang
es nach kurzer Vorbereitung, eine Kunstsammlung auf sechs Monate zu ver¬
einigen, welche den berühmtesten und ältesten Galerien Europas nahe kommt,
wenn sie dieselben nicht gar erreicht. Auch in Deutschland sind dem größern
Publicum unbekannt im Privatbesitze kostbare Kunstschätze verborgen. Gibt es
wol in Deutschland so viele unternehmende Männer und eine so große Zahl
patriotischer und liberaler Kunstliebhaber, daß wir hoffen könnten, einmal auch
eine Ausstellung deutscher Kunstschätze zu schauen? Der Gedanke ist lockend,
die Ausführung nicht unmöglich, aber -- schon an der Wahl des Aufstel¬
lungsortes, fürchten wir, würde der Plan scheitern. London beneidete Man¬
chester, aber hinderte nicht das Zusammenkommen der Ausstellung. Würde
Wien gegen Berlin oder Frankfurt gegen München ähnlich verfahren?


A. Springer.


Hamburgs geistiges Leben,
i.
Die wissenschaftlichen Bibliotheken.

"Ich bin Jahr und Tag in Hamburg gewesen und habe nicht ge
was in Hamburg zu thun sei. Ich habe nicht gewußt, wie mancher
Kopf darin verborgen liege. Ich habe nicht gewußt, baß Hamburg eine


zuweisen vermag. Das Auge trennt sich überhaupt schwer von den ausge¬
stellten Thonwaaren , am schwersten aber von diesem altfranzösischen Schatze. —

Im Vorstehenden wäre die Uebersicht der ^ri-'l'rizasurös-Lxludition zu Ende
geführt. summiren wir das Urtheil, so müssen wir zwar eingestehen, daß
die anfänglichen Erwartungen nicht sämmtlich befriedigt wurden, so wenig als
die gehofften Folgen auf die Bildung des NolkSgeschmackcs alle eintreffen
werden. Der Laie nahm nur einen ganz allgemeinen Eindruck mit nach Hause,
fand sich eher betäubt alö angeregt, Bilderliebe bei den Gebildeten und Rei¬
chen in erhöhtem Grade dürfte sich als die wichtigste und vielleicht einzige
Folge der Ausstellung herausstellen. Wahren Genuß fand nur ein kleiner Kreis,
der vorbereitet nach Manchester kam und Muße hatte, mehre Wochen dem
Besuche der Ausstellung zu widmen. Aber dieser Kreis kann nicht genug
dankbar sein für diese wahrscheinlich einzige Gelegenheit, die Kunstanschau¬
ungen zu erweitern und das Kunsturtheil zu bilden. Den Hauptgewinn trägt
die Wissenschaft davon. Ist dies aber nicht lohnend genug für die Mühe der
Unternehmer und die Liberalität der Beitragenden? Eine Bemerkung drängt
sich uns zum Schlüsse auf. Dem Eifer einiger wenigen Privatleute gelang
es nach kurzer Vorbereitung, eine Kunstsammlung auf sechs Monate zu ver¬
einigen, welche den berühmtesten und ältesten Galerien Europas nahe kommt,
wenn sie dieselben nicht gar erreicht. Auch in Deutschland sind dem größern
Publicum unbekannt im Privatbesitze kostbare Kunstschätze verborgen. Gibt es
wol in Deutschland so viele unternehmende Männer und eine so große Zahl
patriotischer und liberaler Kunstliebhaber, daß wir hoffen könnten, einmal auch
eine Ausstellung deutscher Kunstschätze zu schauen? Der Gedanke ist lockend,
die Ausführung nicht unmöglich, aber — schon an der Wahl des Aufstel¬
lungsortes, fürchten wir, würde der Plan scheitern. London beneidete Man¬
chester, aber hinderte nicht das Zusammenkommen der Ausstellung. Würde
Wien gegen Berlin oder Frankfurt gegen München ähnlich verfahren?


A. Springer.


Hamburgs geistiges Leben,
i.
Die wissenschaftlichen Bibliotheken.

„Ich bin Jahr und Tag in Hamburg gewesen und habe nicht ge
was in Hamburg zu thun sei. Ich habe nicht gewußt, wie mancher
Kopf darin verborgen liege. Ich habe nicht gewußt, baß Hamburg eine


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[0304] zuweisen vermag. Das Auge trennt sich überhaupt schwer von den ausge¬ stellten Thonwaaren , am schwersten aber von diesem altfranzösischen Schatze. — Im Vorstehenden wäre die Uebersicht der ^ri-'l'rizasurös-Lxludition zu Ende geführt. summiren wir das Urtheil, so müssen wir zwar eingestehen, daß die anfänglichen Erwartungen nicht sämmtlich befriedigt wurden, so wenig als die gehofften Folgen auf die Bildung des NolkSgeschmackcs alle eintreffen werden. Der Laie nahm nur einen ganz allgemeinen Eindruck mit nach Hause, fand sich eher betäubt alö angeregt, Bilderliebe bei den Gebildeten und Rei¬ chen in erhöhtem Grade dürfte sich als die wichtigste und vielleicht einzige Folge der Ausstellung herausstellen. Wahren Genuß fand nur ein kleiner Kreis, der vorbereitet nach Manchester kam und Muße hatte, mehre Wochen dem Besuche der Ausstellung zu widmen. Aber dieser Kreis kann nicht genug dankbar sein für diese wahrscheinlich einzige Gelegenheit, die Kunstanschau¬ ungen zu erweitern und das Kunsturtheil zu bilden. Den Hauptgewinn trägt die Wissenschaft davon. Ist dies aber nicht lohnend genug für die Mühe der Unternehmer und die Liberalität der Beitragenden? Eine Bemerkung drängt sich uns zum Schlüsse auf. Dem Eifer einiger wenigen Privatleute gelang es nach kurzer Vorbereitung, eine Kunstsammlung auf sechs Monate zu ver¬ einigen, welche den berühmtesten und ältesten Galerien Europas nahe kommt, wenn sie dieselben nicht gar erreicht. Auch in Deutschland sind dem größern Publicum unbekannt im Privatbesitze kostbare Kunstschätze verborgen. Gibt es wol in Deutschland so viele unternehmende Männer und eine so große Zahl patriotischer und liberaler Kunstliebhaber, daß wir hoffen könnten, einmal auch eine Ausstellung deutscher Kunstschätze zu schauen? Der Gedanke ist lockend, die Ausführung nicht unmöglich, aber — schon an der Wahl des Aufstel¬ lungsortes, fürchten wir, würde der Plan scheitern. London beneidete Man¬ chester, aber hinderte nicht das Zusammenkommen der Ausstellung. Würde Wien gegen Berlin oder Frankfurt gegen München ähnlich verfahren? A. Springer. Hamburgs geistiges Leben, i. Die wissenschaftlichen Bibliotheken. „Ich bin Jahr und Tag in Hamburg gewesen und habe nicht ge was in Hamburg zu thun sei. Ich habe nicht gewußt, wie mancher Kopf darin verborgen liege. Ich habe nicht gewußt, baß Hamburg eine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/304>, abgerufen am 30.04.2024.