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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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Die Pläne des Kaisers Napoleon III.

Die Kaiserbesuche zu Stuttgart und Weimar sind von der öffentlichen
Meinung Deutschlands im Ganzen doch richtig beurtheilt worden, jedenfalls
hat die deutsche Presse ihnen gegenüber mehr Haltung gezeigt, als die franzö¬
sische, deren ungeschickte Fanfaronaden bewiesen, daß es dem Kaiser leichter war,
Frankreich für sich zu gewinnen, als für seine Journalisten Haltung und
Esprit. Wenn die politischen Wogen nicht grade hoch gehn, spielen die per¬
sönliche Politik der Regenten, ihre Familieninteressen und Courtoisien immereine
große Rolle. In solcher Zeit werden die Formen deS vornehmen geselligen
Verkehrs mit Eifer geübt, und die Regenten empfinden behaglich -- oder un¬
behaglich -- die Brüderlichkeit ihrer erlauchten Stellung. Was von großer Politik
bei solchem persönlichen Verkehr der Fürsten besprochen wird, erweist sich dem
Zwang der politischen Thatsachen gegenüber doch auf die Länge als unwichtig
und ein Kalendermacher könnte nach Wochen berechnen, wie lange die Wärme
anhält, welche durch die persönliche Bekanntschaft zweier Regenten in ihre
Privatbeziehungen gebracht worden ist. Allerdings hatten die Besuche dieses Herb¬
stes noch eine ernsthaftere Bedeutung. Die Zusammenkunft in Stuttgart war
für Napoleon der letzte Act seiner solennen Aufnahme in den brüderlichen
Verein der großen Monarchen Europas, und beide Höfe, der französische wie
russisches empfanden mit Stolz, daß der Fall Sebastopols'nöthig gewesen
war eine solche Zusammenkunft zu vermitteln. Die Zusammenkunft zu Weimar
war die größte Schwenkung, welche Oestreichs Politik seit dem Herbst 18i8
gemacht hat und für den ältesten Kaiserhof Europas eine gesellschaftliche Nie¬
derlage, für Rußland aber eine abfällige Genugthuung und eine lebhafte Erinne-
Nl"g an die ungarische Campagne von 1849. Es ist wenig an den wahren und
erfundenen Anekdoten gelegen, welche in den Tagen jener Besuche aus den
fürstlichen Zimmern in die Oeffentlichkeit geschlüpft sind, unsre gesprächigen
Diplomaten haben zu viel Freude an dergleichen Salongeheimnissen, um sie
enthaltsam zu verschweigen. Wie sehr aber auch das Urtheil über die Per¬
sönlichkeit der hohen Herrn den Eindruck verstärkt haben mag, welchen die
politische Position derselben bei der Zusammenkunft machte, und wie sehr der
e>ne eingenommen und der andere enttäuscht haben mag, auf das Letzte und


Grenzboten IV. nes?.
Die Pläne des Kaisers Napoleon III.

Die Kaiserbesuche zu Stuttgart und Weimar sind von der öffentlichen
Meinung Deutschlands im Ganzen doch richtig beurtheilt worden, jedenfalls
hat die deutsche Presse ihnen gegenüber mehr Haltung gezeigt, als die franzö¬
sische, deren ungeschickte Fanfaronaden bewiesen, daß es dem Kaiser leichter war,
Frankreich für sich zu gewinnen, als für seine Journalisten Haltung und
Esprit. Wenn die politischen Wogen nicht grade hoch gehn, spielen die per¬
sönliche Politik der Regenten, ihre Familieninteressen und Courtoisien immereine
große Rolle. In solcher Zeit werden die Formen deS vornehmen geselligen
Verkehrs mit Eifer geübt, und die Regenten empfinden behaglich — oder un¬
behaglich — die Brüderlichkeit ihrer erlauchten Stellung. Was von großer Politik
bei solchem persönlichen Verkehr der Fürsten besprochen wird, erweist sich dem
Zwang der politischen Thatsachen gegenüber doch auf die Länge als unwichtig
und ein Kalendermacher könnte nach Wochen berechnen, wie lange die Wärme
anhält, welche durch die persönliche Bekanntschaft zweier Regenten in ihre
Privatbeziehungen gebracht worden ist. Allerdings hatten die Besuche dieses Herb¬
stes noch eine ernsthaftere Bedeutung. Die Zusammenkunft in Stuttgart war
für Napoleon der letzte Act seiner solennen Aufnahme in den brüderlichen
Verein der großen Monarchen Europas, und beide Höfe, der französische wie
russisches empfanden mit Stolz, daß der Fall Sebastopols'nöthig gewesen
war eine solche Zusammenkunft zu vermitteln. Die Zusammenkunft zu Weimar
war die größte Schwenkung, welche Oestreichs Politik seit dem Herbst 18i8
gemacht hat und für den ältesten Kaiserhof Europas eine gesellschaftliche Nie¬
derlage, für Rußland aber eine abfällige Genugthuung und eine lebhafte Erinne-
Nl»g an die ungarische Campagne von 1849. Es ist wenig an den wahren und
erfundenen Anekdoten gelegen, welche in den Tagen jener Besuche aus den
fürstlichen Zimmern in die Oeffentlichkeit geschlüpft sind, unsre gesprächigen
Diplomaten haben zu viel Freude an dergleichen Salongeheimnissen, um sie
enthaltsam zu verschweigen. Wie sehr aber auch das Urtheil über die Per¬
sönlichkeit der hohen Herrn den Eindruck verstärkt haben mag, welchen die
politische Position derselben bei der Zusammenkunft machte, und wie sehr der
e>ne eingenommen und der andere enttäuscht haben mag, auf das Letzte und


Grenzboten IV. nes?.
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[0329] Die Pläne des Kaisers Napoleon III. Die Kaiserbesuche zu Stuttgart und Weimar sind von der öffentlichen Meinung Deutschlands im Ganzen doch richtig beurtheilt worden, jedenfalls hat die deutsche Presse ihnen gegenüber mehr Haltung gezeigt, als die franzö¬ sische, deren ungeschickte Fanfaronaden bewiesen, daß es dem Kaiser leichter war, Frankreich für sich zu gewinnen, als für seine Journalisten Haltung und Esprit. Wenn die politischen Wogen nicht grade hoch gehn, spielen die per¬ sönliche Politik der Regenten, ihre Familieninteressen und Courtoisien immereine große Rolle. In solcher Zeit werden die Formen deS vornehmen geselligen Verkehrs mit Eifer geübt, und die Regenten empfinden behaglich — oder un¬ behaglich — die Brüderlichkeit ihrer erlauchten Stellung. Was von großer Politik bei solchem persönlichen Verkehr der Fürsten besprochen wird, erweist sich dem Zwang der politischen Thatsachen gegenüber doch auf die Länge als unwichtig und ein Kalendermacher könnte nach Wochen berechnen, wie lange die Wärme anhält, welche durch die persönliche Bekanntschaft zweier Regenten in ihre Privatbeziehungen gebracht worden ist. Allerdings hatten die Besuche dieses Herb¬ stes noch eine ernsthaftere Bedeutung. Die Zusammenkunft in Stuttgart war für Napoleon der letzte Act seiner solennen Aufnahme in den brüderlichen Verein der großen Monarchen Europas, und beide Höfe, der französische wie russisches empfanden mit Stolz, daß der Fall Sebastopols'nöthig gewesen war eine solche Zusammenkunft zu vermitteln. Die Zusammenkunft zu Weimar war die größte Schwenkung, welche Oestreichs Politik seit dem Herbst 18i8 gemacht hat und für den ältesten Kaiserhof Europas eine gesellschaftliche Nie¬ derlage, für Rußland aber eine abfällige Genugthuung und eine lebhafte Erinne- Nl»g an die ungarische Campagne von 1849. Es ist wenig an den wahren und erfundenen Anekdoten gelegen, welche in den Tagen jener Besuche aus den fürstlichen Zimmern in die Oeffentlichkeit geschlüpft sind, unsre gesprächigen Diplomaten haben zu viel Freude an dergleichen Salongeheimnissen, um sie enthaltsam zu verschweigen. Wie sehr aber auch das Urtheil über die Per¬ sönlichkeit der hohen Herrn den Eindruck verstärkt haben mag, welchen die politische Position derselben bei der Zusammenkunft machte, und wie sehr der e>ne eingenommen und der andere enttäuscht haben mag, auf das Letzte und Grenzboten IV. nes?.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/329>, abgerufen am 30.04.2024.