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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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und unfruchtbarer kleiner Krieg statt, in welchem die Niederlagen Preußens
keine Siege für Oestreich geworden sind. Ueberall war die Begehrlichkeit grö¬
ßer als die Kraft. Und im Innern bietet der große, uns so nahe verwandte
Staat ein noch seltsameres Schauspiel. Unausgesetzte, zum Theil großartige
Anstrengungen, die nationale Kraft zu heben; kühne, ja weise Maßregeln, dem
Einheitstaat des Kaiserhauses aus disp^raten Stämmen auch eine Nation zu
schaffen, und daneben wieder eine Kette von andern siegreichen Anstrengungen,
deren ausgesprochener Zweck ist, der Negierung und dem Volke in der Kirche
einen lästigen Vormund zu setzen, und das Aufblühen der Volksbildung durch
Weihrauch und ErorciSmen zurückzuhalten. Auf der einen Seile erfolgreiche
Bemühungen, die Schranken, welche Oestreich von Deutschland trennen, nieder¬
zureißen, und dicht daneben noch erfolgreichere Bestrebungen, neue Schranken
zwischen deutscher Bildung und ostreichischer Gemüthlichkeit aufzurichten. Es
ist unschwer vorauszusehen, daß die Neformzeit der "Bach, Buol, Brück" zu
Ende geht, gleichviel ob ihre Personen den Ministerstuhl behaupten oder nicht.

Bei solchen unruhigen Plänen Frankreichs, und so großem Nuhebedürfniß
Rußlands und Oestreichs, ist für Preußen die Zeit-gekommen, wieder activ in
den Rath der großen Mächte einzutreten, aus dem dieser Staat seit sieben
Jahren ausgeschieden ist. Ein Bündniß Preußens mit England und Frank¬
reich und Sardinien vermag in dieser Zeit die Schicksale Europas zu bestimmen.
Ein Bündniß mit England, Frankreich, Sardinien und Nußland, das wenigstens
für bestimmte Zielpunkte nicht unmöglich ist, würde Oestreich in eine Lage
setzen, wie sie der Kaiserstaat noch nie durchgemacht hat. -- Unter allen Umstän¬
den aber wirb Preußen von jetzt ab nicht nur das linke Rheinufer, sondern
jeden Schrittbreit deutschen Bodens gegen jeden Angriff, woher er auch komme,
zu behaupten wissen.




Alls der römischen Kaiserzeit.
Die bildende Kunst.

In einem Märchen aus Tausend und einer Nacht läßt der glückliche
Sterbliche, dem der Zufall die geisterbeherrschende Wunderlampe in die Hände
gespielt hat, auf den Wunsch des Chalifen während einer einzigen Nacht
einen Wunderpalast erstehen. Alles ist darin von edlem Metall oder köstlichem
Gestein, nur ein Fenstergesimse ist ohne Bekleidung gelassen. Der Chalif bietet
nun alle seine Schätze und alle Juweliere seines Reichs auf, um diese einzige
Lücke auszufüllen; aber trotz Mer Anstrengungen ist eS unmöglich, den klei¬
nen Fleck so zu schmücken, daß er nicht im Vergleich mit der ringsum aus-


und unfruchtbarer kleiner Krieg statt, in welchem die Niederlagen Preußens
keine Siege für Oestreich geworden sind. Ueberall war die Begehrlichkeit grö¬
ßer als die Kraft. Und im Innern bietet der große, uns so nahe verwandte
Staat ein noch seltsameres Schauspiel. Unausgesetzte, zum Theil großartige
Anstrengungen, die nationale Kraft zu heben; kühne, ja weise Maßregeln, dem
Einheitstaat des Kaiserhauses aus disp^raten Stämmen auch eine Nation zu
schaffen, und daneben wieder eine Kette von andern siegreichen Anstrengungen,
deren ausgesprochener Zweck ist, der Negierung und dem Volke in der Kirche
einen lästigen Vormund zu setzen, und das Aufblühen der Volksbildung durch
Weihrauch und ErorciSmen zurückzuhalten. Auf der einen Seile erfolgreiche
Bemühungen, die Schranken, welche Oestreich von Deutschland trennen, nieder¬
zureißen, und dicht daneben noch erfolgreichere Bestrebungen, neue Schranken
zwischen deutscher Bildung und ostreichischer Gemüthlichkeit aufzurichten. Es
ist unschwer vorauszusehen, daß die Neformzeit der „Bach, Buol, Brück" zu
Ende geht, gleichviel ob ihre Personen den Ministerstuhl behaupten oder nicht.

Bei solchen unruhigen Plänen Frankreichs, und so großem Nuhebedürfniß
Rußlands und Oestreichs, ist für Preußen die Zeit-gekommen, wieder activ in
den Rath der großen Mächte einzutreten, aus dem dieser Staat seit sieben
Jahren ausgeschieden ist. Ein Bündniß Preußens mit England und Frank¬
reich und Sardinien vermag in dieser Zeit die Schicksale Europas zu bestimmen.
Ein Bündniß mit England, Frankreich, Sardinien und Nußland, das wenigstens
für bestimmte Zielpunkte nicht unmöglich ist, würde Oestreich in eine Lage
setzen, wie sie der Kaiserstaat noch nie durchgemacht hat. — Unter allen Umstän¬
den aber wirb Preußen von jetzt ab nicht nur das linke Rheinufer, sondern
jeden Schrittbreit deutschen Bodens gegen jeden Angriff, woher er auch komme,
zu behaupten wissen.




Alls der römischen Kaiserzeit.
Die bildende Kunst.

In einem Märchen aus Tausend und einer Nacht läßt der glückliche
Sterbliche, dem der Zufall die geisterbeherrschende Wunderlampe in die Hände
gespielt hat, auf den Wunsch des Chalifen während einer einzigen Nacht
einen Wunderpalast erstehen. Alles ist darin von edlem Metall oder köstlichem
Gestein, nur ein Fenstergesimse ist ohne Bekleidung gelassen. Der Chalif bietet
nun alle seine Schätze und alle Juweliere seines Reichs auf, um diese einzige
Lücke auszufüllen; aber trotz Mer Anstrengungen ist eS unmöglich, den klei¬
nen Fleck so zu schmücken, daß er nicht im Vergleich mit der ringsum aus-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/334>, abgerufen am 30.04.2024.