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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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Duncker und Bertheau in Göttingen. Selbst Neander hat eine Zeit lang das
Hamburger akademische Gymnasium besucht. In der Kunstgeschichte wird
Hamburg vertreten durch den Director Wangen in Berlin, Prof. Overbek in
Leipzig; in der Literaturgeschichte durch die beiden verstorbenen Gries und
Danzel. Viele bedeutende Hamburger Namen weisen die juristischen Facul-
täten auf; ich nenne nur die verstorbenen Cropp, Heise und Wilda, ferner
Bluhme und Perthes in Bonn, Hanßen in Göttingen, Joh. Fallati in
Tübingen. Hamburg gebar die Reisenden Barth, Overweg und Gerstäcker,
und schon wieder hat ein junger Hamburger, Röscher, der jüngst ein Buch
über den Ptolemäus herausgab und noch jetzt in Leipzig studirt, die bestimmte
Absicht gefaßt, inS Innere Afrikas vorzudringen. Auch für die systematische
Bearbeitung der Geographie hat Hamburg an Wappaeus in Göttingen eine
bedeutende Kraft geliefert. So haben sich also in fast allen Wissenschaften Ham¬
burger Gelehrte ausgezeichnet.

Daß so viel geistige Kräfte außerhalb ihrer Vaterstadt Verwendung
suchen mußten, darin könnte Mancher ein schlechtes Zeugniß für die Werth¬
achtung der Intelligenz in Hamburg finden wollen. Und es ist wol wahr,
daß Hamburg Anstalt machen sollte, sich selber mehr heimische geistige Kräfte
zu erhalten, als eS thut. Aber nichtsdestoweniger bleibt eS doch ein erfreu¬
liches Zeichen von der Verbreitung ernsterer geistigen Interessen, wenn eine
so große Anzahl bedeutender Kräfte nicht von dem zu viel reicherem Gewinn
führenden Strome materieller Interessen mit fortgerissen wird.




Literatur.

Reisen in Südwest - Afrika bis zum See Ngami. Von Eh. Anders-
son. Aus dem Schwedischen von "r. H. Lotze. Zweiter Band. Mit acht Stahl¬
stichen in Tondrnck, zahlreichen Holzschnitten und einer Karte. Leipzig, H. Coste-
noble, 18S8.

Dieser zweite Theil enthält die Beschreibung der Reise, welche Andersson nach
dem See Ngami unternahm, den er bei seiner ersten Tour nicht erreichte, und der
im Lande der Bctjuancn nördlich von der Capcolonie gelegen, zu den größten
Landseen Südafrikas gehört. Einen sehr bedeutenden wissenschaftlichen Werth
haben diese Capitel nicht, da dem Verfasser zum Theil die Instrumente, zum Theil
wol auch die vollen Kenntnisse fehlten, um Beobachtungen von ungewöhnlichem
Werth zu machen. Dagegen eignet sich auch dieser Band zur UntcrhaltungS-
lectüre. Abenteuer reiht sich an Abenteuer, die Jägcrtüchtigkeit des kühnen
Reisenden häuft förmliche Berge von Elephanten-, Rhinoceros-, Antilopcn-
und Giraffcnflcisch vor den Augen des Lesers auf. Mit einer Unerschrockenheit
ohne Gleichen geht er Gefahren unter wilden Thieren und ebenso wilden Menscher
entgegen, mit Geistesgegenwart handelt er, wenn die Gefahr ihm nahe kommt,


Duncker und Bertheau in Göttingen. Selbst Neander hat eine Zeit lang das
Hamburger akademische Gymnasium besucht. In der Kunstgeschichte wird
Hamburg vertreten durch den Director Wangen in Berlin, Prof. Overbek in
Leipzig; in der Literaturgeschichte durch die beiden verstorbenen Gries und
Danzel. Viele bedeutende Hamburger Namen weisen die juristischen Facul-
täten auf; ich nenne nur die verstorbenen Cropp, Heise und Wilda, ferner
Bluhme und Perthes in Bonn, Hanßen in Göttingen, Joh. Fallati in
Tübingen. Hamburg gebar die Reisenden Barth, Overweg und Gerstäcker,
und schon wieder hat ein junger Hamburger, Röscher, der jüngst ein Buch
über den Ptolemäus herausgab und noch jetzt in Leipzig studirt, die bestimmte
Absicht gefaßt, inS Innere Afrikas vorzudringen. Auch für die systematische
Bearbeitung der Geographie hat Hamburg an Wappaeus in Göttingen eine
bedeutende Kraft geliefert. So haben sich also in fast allen Wissenschaften Ham¬
burger Gelehrte ausgezeichnet.

Daß so viel geistige Kräfte außerhalb ihrer Vaterstadt Verwendung
suchen mußten, darin könnte Mancher ein schlechtes Zeugniß für die Werth¬
achtung der Intelligenz in Hamburg finden wollen. Und es ist wol wahr,
daß Hamburg Anstalt machen sollte, sich selber mehr heimische geistige Kräfte
zu erhalten, als eS thut. Aber nichtsdestoweniger bleibt eS doch ein erfreu¬
liches Zeichen von der Verbreitung ernsterer geistigen Interessen, wenn eine
so große Anzahl bedeutender Kräfte nicht von dem zu viel reicherem Gewinn
führenden Strome materieller Interessen mit fortgerissen wird.




Literatur.

Reisen in Südwest - Afrika bis zum See Ngami. Von Eh. Anders-
son. Aus dem Schwedischen von »r. H. Lotze. Zweiter Band. Mit acht Stahl¬
stichen in Tondrnck, zahlreichen Holzschnitten und einer Karte. Leipzig, H. Coste-
noble, 18S8.

Dieser zweite Theil enthält die Beschreibung der Reise, welche Andersson nach
dem See Ngami unternahm, den er bei seiner ersten Tour nicht erreichte, und der
im Lande der Bctjuancn nördlich von der Capcolonie gelegen, zu den größten
Landseen Südafrikas gehört. Einen sehr bedeutenden wissenschaftlichen Werth
haben diese Capitel nicht, da dem Verfasser zum Theil die Instrumente, zum Theil
wol auch die vollen Kenntnisse fehlten, um Beobachtungen von ungewöhnlichem
Werth zu machen. Dagegen eignet sich auch dieser Band zur UntcrhaltungS-
lectüre. Abenteuer reiht sich an Abenteuer, die Jägcrtüchtigkeit des kühnen
Reisenden häuft förmliche Berge von Elephanten-, Rhinoceros-, Antilopcn-
und Giraffcnflcisch vor den Augen des Lesers auf. Mit einer Unerschrockenheit
ohne Gleichen geht er Gefahren unter wilden Thieren und ebenso wilden Menscher
entgegen, mit Geistesgegenwart handelt er, wenn die Gefahr ihm nahe kommt,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/486>, abgerufen am 30.04.2024.