Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Kassen- und 'Bankscheinen. Und dieser klägliche Zustand scheint dauernd zu
werden. Alle Welt klagt und schilt auf Preußen. Nicht am wenigsten ver¬
hetzt waren die deutschen Regierungen, denn ihnen wurden durch solchen Vor¬
gang Preußens ernste Unannehmlichkeiten bereitet. Getränke wie einige der¬
selben mit Recht sind, haben sie sich in ihrem Gebiet unabhängig von Preußen
zu schützen gesucht, und es ist einzelnen vortrefflich gelungen. Die zu späten
Versuche Preußens, eine nachträgliche Verständigung mit einzelnen Regierungen
durchzusetzen, scheiterten, wie sich voraussehen ließ. Mit höflicher Kälte haben
sich diese geweigert, jetzt mit Vorschlägen der preußischen Regierung entgegen¬
zukommen.

Bei solcher Sachlage und einer Stimmung,, welche so allgemein gegen
Preußen gereizt ist, wird die Geschichte des Hamburger Anleihens vielen eine
willkommene Veranlassung, Preußen und Oestreich zum Nachtheil des ersteren
zu vergleichen. Ein abfälliges Urtheil über den letzten preußischen Entschluß
hat aber allerdings nur von dem Standpunkt Berechtigung, den die meisten der
Tadler nicht einnehmen. Nur der, dem Preußens Einfluß und Größe wahrhaft
am Herzen liegt, hat ein Recht, die Vorsicht, welche seine Negierung in dieser
Angelegenheit bewiesen hat, unter dem Hinweis auf eine große preußische
Politik zu beklagen.




Der Sieg der Liberalen in Belgien.
2.'

Das Wvhlthätigkeitsgesetz war durchaus keine absolute Neuerung. Der
Entwurf desselben war nur die förmliche Ausprägung des Princips der Gesetz¬
gebung, welches Belgien seit einem halben Jahrhundert regiert und es stand
im Einklang mit den Grundsätzen der ausländischen Gesetzgebungen und mit
den nationalen Ueberlieferungen. So die Klerikalen in den Ergießungen ihrer
Entrüstung über ihre Niederlage.

"Dieses unsern geschichtlichen Ueberlieferungen getreue und mit den Gesetz¬
gebungen der meisten Nationen übereinstimmende Gesetz halte außerdem das
Verdienst, sich dem Geiste unsrer Verfassung und unsrer organischen Gesetze
vollkommen anzupassen." So das Ministerium, als es sich dem König gegen¬
über in Betreff der Reinheit seiner Absichten zu vertheidigen hatte.

Den Liberalen hingegen erschien das Gesetz verdächtig, schon weil es von
der Priesterpartei mit besondern, Eifer gutgeheißen wurde. Man sah auf der Linken
darin das Streben der Reaction gegen die modernen Ideen und Institutionen
unterstützt, in seinem mildthätigen Znieck einen Vorwand zur Wiedererweckung


Kassen- und 'Bankscheinen. Und dieser klägliche Zustand scheint dauernd zu
werden. Alle Welt klagt und schilt auf Preußen. Nicht am wenigsten ver¬
hetzt waren die deutschen Regierungen, denn ihnen wurden durch solchen Vor¬
gang Preußens ernste Unannehmlichkeiten bereitet. Getränke wie einige der¬
selben mit Recht sind, haben sie sich in ihrem Gebiet unabhängig von Preußen
zu schützen gesucht, und es ist einzelnen vortrefflich gelungen. Die zu späten
Versuche Preußens, eine nachträgliche Verständigung mit einzelnen Regierungen
durchzusetzen, scheiterten, wie sich voraussehen ließ. Mit höflicher Kälte haben
sich diese geweigert, jetzt mit Vorschlägen der preußischen Regierung entgegen¬
zukommen.

Bei solcher Sachlage und einer Stimmung,, welche so allgemein gegen
Preußen gereizt ist, wird die Geschichte des Hamburger Anleihens vielen eine
willkommene Veranlassung, Preußen und Oestreich zum Nachtheil des ersteren
zu vergleichen. Ein abfälliges Urtheil über den letzten preußischen Entschluß
hat aber allerdings nur von dem Standpunkt Berechtigung, den die meisten der
Tadler nicht einnehmen. Nur der, dem Preußens Einfluß und Größe wahrhaft
am Herzen liegt, hat ein Recht, die Vorsicht, welche seine Negierung in dieser
Angelegenheit bewiesen hat, unter dem Hinweis auf eine große preußische
Politik zu beklagen.




Der Sieg der Liberalen in Belgien.
2.'

Das Wvhlthätigkeitsgesetz war durchaus keine absolute Neuerung. Der
Entwurf desselben war nur die förmliche Ausprägung des Princips der Gesetz¬
gebung, welches Belgien seit einem halben Jahrhundert regiert und es stand
im Einklang mit den Grundsätzen der ausländischen Gesetzgebungen und mit
den nationalen Ueberlieferungen. So die Klerikalen in den Ergießungen ihrer
Entrüstung über ihre Niederlage.

„Dieses unsern geschichtlichen Ueberlieferungen getreue und mit den Gesetz¬
gebungen der meisten Nationen übereinstimmende Gesetz halte außerdem das
Verdienst, sich dem Geiste unsrer Verfassung und unsrer organischen Gesetze
vollkommen anzupassen." So das Ministerium, als es sich dem König gegen¬
über in Betreff der Reinheit seiner Absichten zu vertheidigen hatte.

Den Liberalen hingegen erschien das Gesetz verdächtig, schon weil es von
der Priesterpartei mit besondern, Eifer gutgeheißen wurde. Man sah auf der Linken
darin das Streben der Reaction gegen die modernen Ideen und Institutionen
unterstützt, in seinem mildthätigen Znieck einen Vorwand zur Wiedererweckung


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0496" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/105231"/>
          <p xml:id="ID_1332" prev="#ID_1331"> Kassen- und 'Bankscheinen. Und dieser klägliche Zustand scheint dauernd zu<lb/>
werden. Alle Welt klagt und schilt auf Preußen. Nicht am wenigsten ver¬<lb/>
hetzt waren die deutschen Regierungen, denn ihnen wurden durch solchen Vor¬<lb/>
gang Preußens ernste Unannehmlichkeiten bereitet. Getränke wie einige der¬<lb/>
selben mit Recht sind, haben sie sich in ihrem Gebiet unabhängig von Preußen<lb/>
zu schützen gesucht, und es ist einzelnen vortrefflich gelungen. Die zu späten<lb/>
Versuche Preußens, eine nachträgliche Verständigung mit einzelnen Regierungen<lb/>
durchzusetzen, scheiterten, wie sich voraussehen ließ. Mit höflicher Kälte haben<lb/>
sich diese geweigert, jetzt mit Vorschlägen der preußischen Regierung entgegen¬<lb/>
zukommen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1333"> Bei solcher Sachlage und einer Stimmung,, welche so allgemein gegen<lb/>
Preußen gereizt ist, wird die Geschichte des Hamburger Anleihens vielen eine<lb/>
willkommene Veranlassung, Preußen und Oestreich zum Nachtheil des ersteren<lb/>
zu vergleichen. Ein abfälliges Urtheil über den letzten preußischen Entschluß<lb/>
hat aber allerdings nur von dem Standpunkt Berechtigung, den die meisten der<lb/>
Tadler nicht einnehmen. Nur der, dem Preußens Einfluß und Größe wahrhaft<lb/>
am Herzen liegt, hat ein Recht, die Vorsicht, welche seine Negierung in dieser<lb/>
Angelegenheit bewiesen hat, unter dem Hinweis auf eine große preußische<lb/>
Politik zu beklagen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Der Sieg der Liberalen in Belgien.</head><lb/>
          <div n="2">
            <head> 2.' </head><lb/>
            <p xml:id="ID_1334"> Das Wvhlthätigkeitsgesetz war durchaus keine absolute Neuerung. Der<lb/>
Entwurf desselben war nur die förmliche Ausprägung des Princips der Gesetz¬<lb/>
gebung, welches Belgien seit einem halben Jahrhundert regiert und es stand<lb/>
im Einklang mit den Grundsätzen der ausländischen Gesetzgebungen und mit<lb/>
den nationalen Ueberlieferungen. So die Klerikalen in den Ergießungen ihrer<lb/>
Entrüstung über ihre Niederlage.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1335"> &#x201E;Dieses unsern geschichtlichen Ueberlieferungen getreue und mit den Gesetz¬<lb/>
gebungen der meisten Nationen übereinstimmende Gesetz halte außerdem das<lb/>
Verdienst, sich dem Geiste unsrer Verfassung und unsrer organischen Gesetze<lb/>
vollkommen anzupassen." So das Ministerium, als es sich dem König gegen¬<lb/>
über in Betreff der Reinheit seiner Absichten zu vertheidigen hatte.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1336" next="#ID_1337"> Den Liberalen hingegen erschien das Gesetz verdächtig, schon weil es von<lb/>
der Priesterpartei mit besondern, Eifer gutgeheißen wurde. Man sah auf der Linken<lb/>
darin das Streben der Reaction gegen die modernen Ideen und Institutionen<lb/>
unterstützt, in seinem mildthätigen Znieck einen Vorwand zur Wiedererweckung</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0496] Kassen- und 'Bankscheinen. Und dieser klägliche Zustand scheint dauernd zu werden. Alle Welt klagt und schilt auf Preußen. Nicht am wenigsten ver¬ hetzt waren die deutschen Regierungen, denn ihnen wurden durch solchen Vor¬ gang Preußens ernste Unannehmlichkeiten bereitet. Getränke wie einige der¬ selben mit Recht sind, haben sie sich in ihrem Gebiet unabhängig von Preußen zu schützen gesucht, und es ist einzelnen vortrefflich gelungen. Die zu späten Versuche Preußens, eine nachträgliche Verständigung mit einzelnen Regierungen durchzusetzen, scheiterten, wie sich voraussehen ließ. Mit höflicher Kälte haben sich diese geweigert, jetzt mit Vorschlägen der preußischen Regierung entgegen¬ zukommen. Bei solcher Sachlage und einer Stimmung,, welche so allgemein gegen Preußen gereizt ist, wird die Geschichte des Hamburger Anleihens vielen eine willkommene Veranlassung, Preußen und Oestreich zum Nachtheil des ersteren zu vergleichen. Ein abfälliges Urtheil über den letzten preußischen Entschluß hat aber allerdings nur von dem Standpunkt Berechtigung, den die meisten der Tadler nicht einnehmen. Nur der, dem Preußens Einfluß und Größe wahrhaft am Herzen liegt, hat ein Recht, die Vorsicht, welche seine Negierung in dieser Angelegenheit bewiesen hat, unter dem Hinweis auf eine große preußische Politik zu beklagen. Der Sieg der Liberalen in Belgien. 2.' Das Wvhlthätigkeitsgesetz war durchaus keine absolute Neuerung. Der Entwurf desselben war nur die förmliche Ausprägung des Princips der Gesetz¬ gebung, welches Belgien seit einem halben Jahrhundert regiert und es stand im Einklang mit den Grundsätzen der ausländischen Gesetzgebungen und mit den nationalen Ueberlieferungen. So die Klerikalen in den Ergießungen ihrer Entrüstung über ihre Niederlage. „Dieses unsern geschichtlichen Ueberlieferungen getreue und mit den Gesetz¬ gebungen der meisten Nationen übereinstimmende Gesetz halte außerdem das Verdienst, sich dem Geiste unsrer Verfassung und unsrer organischen Gesetze vollkommen anzupassen." So das Ministerium, als es sich dem König gegen¬ über in Betreff der Reinheit seiner Absichten zu vertheidigen hatte. Den Liberalen hingegen erschien das Gesetz verdächtig, schon weil es von der Priesterpartei mit besondern, Eifer gutgeheißen wurde. Man sah auf der Linken darin das Streben der Reaction gegen die modernen Ideen und Institutionen unterstützt, in seinem mildthätigen Znieck einen Vorwand zur Wiedererweckung

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/496
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/496>, abgerufen am 30.04.2024.