Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Schleiermacher hervorgerufene Vertiefung des Christenthums. Elters erinnert
daran, daß selbst Claus Harms, spater der Vorfechter der lutherischen Or¬
thodoxie, damals noch lehrte: "Der heilige Geist ist gebunden an keine Zeit,
an kein-Geschlecht, an keine Religion, sondern in jeder Religion daS, wodurch
sie sich wahr macht, worin ihre Gewalt besteht an den Gemüthern, womit sie
der Gläubigen Seelen erfreut, aneinanderzieht und bindet." Ferner: "Wir
suchen und fragen: Wer ist der Tödtende? Wer ist der Schaffende? Wer ist
der Erhaltende? Die Gesetze der ewigen Ordnung; wer schrieb sie oben am
Himmel, unten auf der Erde jeglichem Wesen vor? Wer ist der über alles?
der in allem! Nicht tiefer drang der forschende Verstand, nichts Höheres hat
jemals er ausgesprochen, dem auch das Herz willig huldigte, als Natur ist
Gott, Gott ist Natur! u. s. w." Später ging freilich der ehemalige Pan-
theist, zuerst durch Schleiermacher angeregt, in der kirchlichen Reaction bedeu¬
tend über sein Vorbild hinaus. -- Schleiermacher besuchte unsern Gymnasial-
director einmal in Kreutznach, und sagte zu ihm: "Was Ihr Ministerium be¬
triff!, so ist das bald abgemacht, es fängt mit <Me>- (iisdem) an und hört
mit />7,M>' (Meter) auf." -- Zum Schluß des Bandes wirb Elters veranlaßt,
die Nectorstelle, mit welcher er sehr zufrieden war, aufzugeben, und dafür das
einflußreiche, aber auch undankbare Amt eines Provinzialschulraths anzunehmen.
Seine Weigerung beschwichtigte der neue Oberpräsidem der Rheinprovinz,
v. Nestel, durch die Warnung: "Nun dann werden Sie unter die Fuchtel
eines Hegelianers kommen, der nicht sanft mit Ihnen, als einem Feinde des
Hegelianismus, umgehen wird, und ein solcher ist für den Fall, daß Sie die
Stelle nicht'annehmen, bereits designirt. Diesen hat sich der Referent im Mi¬
nisterium, der, wie Sie wissen, sür das Hegelthum schwärmt, ausersehen; ich
aber würde es als , ein großes Unglück sür die Provinz betrachten, wenn
unsere Schulen im Geist hegelscher Weltanschauung geleitet würden. Wir
brauchen einen Man", der die praktischen Gesichtspunkte im Auge behält."
-- In der Hoffnung, in den späteren Lieferungen noch manche interessante
Enthüllungen zu erhalten, nehmen wir für heute von dem Verfasser Abschied.


I. S.


Robert Schumann.

Eine Biographie vo" Joseph von Wasiclewski. Dresden, Kunze.

Diejenigen Leser, welche unsere Zeitschrift mit einer gewissen Aufmerksam¬
keit verfolgt haben, werden sich vielleicht noch einer ausführlichen Abhandlung
über Schumann erinnern, welche wir im 3. Quartal 18ki0, S. i>"9 und


Schleiermacher hervorgerufene Vertiefung des Christenthums. Elters erinnert
daran, daß selbst Claus Harms, spater der Vorfechter der lutherischen Or¬
thodoxie, damals noch lehrte: „Der heilige Geist ist gebunden an keine Zeit,
an kein-Geschlecht, an keine Religion, sondern in jeder Religion daS, wodurch
sie sich wahr macht, worin ihre Gewalt besteht an den Gemüthern, womit sie
der Gläubigen Seelen erfreut, aneinanderzieht und bindet." Ferner: „Wir
suchen und fragen: Wer ist der Tödtende? Wer ist der Schaffende? Wer ist
der Erhaltende? Die Gesetze der ewigen Ordnung; wer schrieb sie oben am
Himmel, unten auf der Erde jeglichem Wesen vor? Wer ist der über alles?
der in allem! Nicht tiefer drang der forschende Verstand, nichts Höheres hat
jemals er ausgesprochen, dem auch das Herz willig huldigte, als Natur ist
Gott, Gott ist Natur! u. s. w." Später ging freilich der ehemalige Pan-
theist, zuerst durch Schleiermacher angeregt, in der kirchlichen Reaction bedeu¬
tend über sein Vorbild hinaus. — Schleiermacher besuchte unsern Gymnasial-
director einmal in Kreutznach, und sagte zu ihm: „Was Ihr Ministerium be¬
triff!, so ist das bald abgemacht, es fängt mit <Me>- (iisdem) an und hört
mit />7,M>' (Meter) auf." — Zum Schluß des Bandes wirb Elters veranlaßt,
die Nectorstelle, mit welcher er sehr zufrieden war, aufzugeben, und dafür das
einflußreiche, aber auch undankbare Amt eines Provinzialschulraths anzunehmen.
Seine Weigerung beschwichtigte der neue Oberpräsidem der Rheinprovinz,
v. Nestel, durch die Warnung: „Nun dann werden Sie unter die Fuchtel
eines Hegelianers kommen, der nicht sanft mit Ihnen, als einem Feinde des
Hegelianismus, umgehen wird, und ein solcher ist für den Fall, daß Sie die
Stelle nicht'annehmen, bereits designirt. Diesen hat sich der Referent im Mi¬
nisterium, der, wie Sie wissen, sür das Hegelthum schwärmt, ausersehen; ich
aber würde es als , ein großes Unglück sür die Provinz betrachten, wenn
unsere Schulen im Geist hegelscher Weltanschauung geleitet würden. Wir
brauchen einen Man», der die praktischen Gesichtspunkte im Auge behält."
— In der Hoffnung, in den späteren Lieferungen noch manche interessante
Enthüllungen zu erhalten, nehmen wir für heute von dem Verfasser Abschied.


I. S.


Robert Schumann.

Eine Biographie vo» Joseph von Wasiclewski. Dresden, Kunze.

Diejenigen Leser, welche unsere Zeitschrift mit einer gewissen Aufmerksam¬
keit verfolgt haben, werden sich vielleicht noch einer ausführlichen Abhandlung
über Schumann erinnern, welche wir im 3. Quartal 18ki0, S. i>«9 und


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0517" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/105244"/>
            <p xml:id="ID_1388" prev="#ID_1387"> Schleiermacher hervorgerufene Vertiefung des Christenthums. Elters erinnert<lb/>
daran, daß selbst Claus Harms, spater der Vorfechter der lutherischen Or¬<lb/>
thodoxie, damals noch lehrte: &#x201E;Der heilige Geist ist gebunden an keine Zeit,<lb/>
an kein-Geschlecht, an keine Religion, sondern in jeder Religion daS, wodurch<lb/>
sie sich wahr macht, worin ihre Gewalt besteht an den Gemüthern, womit sie<lb/>
der Gläubigen Seelen erfreut, aneinanderzieht und bindet." Ferner: &#x201E;Wir<lb/>
suchen und fragen: Wer ist der Tödtende? Wer ist der Schaffende? Wer ist<lb/>
der Erhaltende? Die Gesetze der ewigen Ordnung; wer schrieb sie oben am<lb/>
Himmel, unten auf der Erde jeglichem Wesen vor? Wer ist der über alles?<lb/>
der in allem! Nicht tiefer drang der forschende Verstand, nichts Höheres hat<lb/>
jemals er ausgesprochen, dem auch das Herz willig huldigte, als Natur ist<lb/>
Gott, Gott ist Natur! u. s. w." Später ging freilich der ehemalige Pan-<lb/>
theist, zuerst durch Schleiermacher angeregt, in der kirchlichen Reaction bedeu¬<lb/>
tend über sein Vorbild hinaus. &#x2014; Schleiermacher besuchte unsern Gymnasial-<lb/>
director einmal in Kreutznach, und sagte zu ihm: &#x201E;Was Ihr Ministerium be¬<lb/>
triff!, so ist das bald abgemacht, es fängt mit &lt;Me&gt;- (iisdem) an und hört<lb/>
mit /&gt;7,M&gt;' (Meter) auf." &#x2014; Zum Schluß des Bandes wirb Elters veranlaßt,<lb/>
die Nectorstelle, mit welcher er sehr zufrieden war, aufzugeben, und dafür das<lb/>
einflußreiche, aber auch undankbare Amt eines Provinzialschulraths anzunehmen.<lb/>
Seine Weigerung beschwichtigte der neue Oberpräsidem der Rheinprovinz,<lb/>
v. Nestel, durch die Warnung: &#x201E;Nun dann werden Sie unter die Fuchtel<lb/>
eines Hegelianers kommen, der nicht sanft mit Ihnen, als einem Feinde des<lb/>
Hegelianismus, umgehen wird, und ein solcher ist für den Fall, daß Sie die<lb/>
Stelle nicht'annehmen, bereits designirt. Diesen hat sich der Referent im Mi¬<lb/>
nisterium, der, wie Sie wissen, sür das Hegelthum schwärmt, ausersehen; ich<lb/>
aber würde es als , ein großes Unglück sür die Provinz betrachten, wenn<lb/>
unsere Schulen im Geist hegelscher Weltanschauung geleitet würden. Wir<lb/>
brauchen einen Man», der die praktischen Gesichtspunkte im Auge behält."<lb/>
&#x2014; In der Hoffnung, in den späteren Lieferungen noch manche interessante<lb/>
Enthüllungen zu erhalten, nehmen wir für heute von dem Verfasser Abschied.</p><lb/>
            <note type="byline"> I. S.</note><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Robert Schumann.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1389"> Eine Biographie vo» Joseph von Wasiclewski. Dresden, Kunze.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1390" next="#ID_1391"> Diejenigen Leser, welche unsere Zeitschrift mit einer gewissen Aufmerksam¬<lb/>
keit verfolgt haben, werden sich vielleicht noch einer ausführlichen Abhandlung<lb/>
über Schumann erinnern, welche wir im 3. Quartal 18ki0, S. i&gt;«9 und</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0517] Schleiermacher hervorgerufene Vertiefung des Christenthums. Elters erinnert daran, daß selbst Claus Harms, spater der Vorfechter der lutherischen Or¬ thodoxie, damals noch lehrte: „Der heilige Geist ist gebunden an keine Zeit, an kein-Geschlecht, an keine Religion, sondern in jeder Religion daS, wodurch sie sich wahr macht, worin ihre Gewalt besteht an den Gemüthern, womit sie der Gläubigen Seelen erfreut, aneinanderzieht und bindet." Ferner: „Wir suchen und fragen: Wer ist der Tödtende? Wer ist der Schaffende? Wer ist der Erhaltende? Die Gesetze der ewigen Ordnung; wer schrieb sie oben am Himmel, unten auf der Erde jeglichem Wesen vor? Wer ist der über alles? der in allem! Nicht tiefer drang der forschende Verstand, nichts Höheres hat jemals er ausgesprochen, dem auch das Herz willig huldigte, als Natur ist Gott, Gott ist Natur! u. s. w." Später ging freilich der ehemalige Pan- theist, zuerst durch Schleiermacher angeregt, in der kirchlichen Reaction bedeu¬ tend über sein Vorbild hinaus. — Schleiermacher besuchte unsern Gymnasial- director einmal in Kreutznach, und sagte zu ihm: „Was Ihr Ministerium be¬ triff!, so ist das bald abgemacht, es fängt mit <Me>- (iisdem) an und hört mit />7,M>' (Meter) auf." — Zum Schluß des Bandes wirb Elters veranlaßt, die Nectorstelle, mit welcher er sehr zufrieden war, aufzugeben, und dafür das einflußreiche, aber auch undankbare Amt eines Provinzialschulraths anzunehmen. Seine Weigerung beschwichtigte der neue Oberpräsidem der Rheinprovinz, v. Nestel, durch die Warnung: „Nun dann werden Sie unter die Fuchtel eines Hegelianers kommen, der nicht sanft mit Ihnen, als einem Feinde des Hegelianismus, umgehen wird, und ein solcher ist für den Fall, daß Sie die Stelle nicht'annehmen, bereits designirt. Diesen hat sich der Referent im Mi¬ nisterium, der, wie Sie wissen, sür das Hegelthum schwärmt, ausersehen; ich aber würde es als , ein großes Unglück sür die Provinz betrachten, wenn unsere Schulen im Geist hegelscher Weltanschauung geleitet würden. Wir brauchen einen Man», der die praktischen Gesichtspunkte im Auge behält." — In der Hoffnung, in den späteren Lieferungen noch manche interessante Enthüllungen zu erhalten, nehmen wir für heute von dem Verfasser Abschied. I. S. Robert Schumann. Eine Biographie vo» Joseph von Wasiclewski. Dresden, Kunze. Diejenigen Leser, welche unsere Zeitschrift mit einer gewissen Aufmerksam¬ keit verfolgt haben, werden sich vielleicht noch einer ausführlichen Abhandlung über Schumann erinnern, welche wir im 3. Quartal 18ki0, S. i>«9 und

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/517
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/517>, abgerufen am 30.04.2024.