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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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Armenarzte, welche durch ein Gesetz des Kaisers Valentin! an II. im Jahre
386 erfolgte. Nach der Zahl der städtischen Distrikte wurden 14 Oberärzte
mit Besoldung aus der Staatskasse eingesetzt und ihnen zur Pflicht gemacht,
nicht, wie bisher die Mehrzahl der Aerzte gethan hatte, blos ihrem Vortheil
im Dienste des Reichthums nachzugehen, sondern dem Nothrufe der ärmern
Classe zu folgen. Honorar anzunehmen war ihnen nicht verboten, aber aus¬
drücklich nur so viel, als ihnen die Genesenen freiwillig anboten, nicht aber
Summen, welche ihnen in der Todesangst für die Rettung etwa versprochen wür¬
den. Das Kollegium erhielt ferner das Recht, sich selbst zu ergänzen, und zwar
sollte nach einer sorgfältigen Prüfung der Concurrenten die Majorität der
Oberärzte den Ausschlag geben. Die übrigen rückten dann nach der Anciennc-
tät auf und der Neuangestellte bekam den untersten Platz. Diese städtischen
Aerzte waren wie die Professoren aller Wissenschaften nebst ihren Weibern
und Söhnen von allen Abgaben, auch der Recrutirung und Einquartirung
frei und wer ihre Ruhe durch Beleidigungen störte, sollte 4000 Thlr. Strafe
erlegen, war er ein Sklave, in Gegenwart des Beleidigten mit Ruthen gezüch¬
tigt werden. Diese Privilegien galten noch unter den ostgothischen Königen
und wurden auch für Konstantinopel von mehren Kaisern bestätigt.


H. G.


Das System der preußischen Festungen.

Preußen verwendete 1817 auf seine Kriegsbereitschaft etwa 15 Millionen
Thaler jährlich, in den dreißiger Jahren über 20 Millionen, im Laufe der
vierziger über 25 und jetzt nahezu 30 Millionen. Die Größe der Armee,
welche anfangs etwas die Kräfte des Staats überstieg, wurde zwar nicht
bedeutend vermehrt, um so mehr aber für ihre Ausbildung und Ausrüstung
gethan. Einen neuen Impuls gab der Regierungsantritt des jetzt regierenden
Königs. Er brachte die Neubewaffnung der Infanterie init dem damals ent¬
sprechenden Percussionsgewehr in Gang, dccretirte im Februar 1841 die Be¬
schaffung eines neuen Artillcriematerials (System Radowitz-Strotha) und gab
dem Heere eine neue Bekleidung, die seitdem mustergiltig für viele Staaten
geworden ist. Schon vor 1850 wurde mit einer abermaligen Neubewaffnung
der Infanterie (Zündnadelgewehr) der Anfang gemacht, und vor zwei Jahren
als Normalwaffe ein neues, der Mimi6buesse ähnelndes Gewehr für das Gros
des Fußvolks adoptirt. Hierzu rechne man die vielfachen Verbesserungen,
welche in der Artillerie eingeführt worden. Worauf wir indeß den meisten


Armenarzte, welche durch ein Gesetz des Kaisers Valentin! an II. im Jahre
386 erfolgte. Nach der Zahl der städtischen Distrikte wurden 14 Oberärzte
mit Besoldung aus der Staatskasse eingesetzt und ihnen zur Pflicht gemacht,
nicht, wie bisher die Mehrzahl der Aerzte gethan hatte, blos ihrem Vortheil
im Dienste des Reichthums nachzugehen, sondern dem Nothrufe der ärmern
Classe zu folgen. Honorar anzunehmen war ihnen nicht verboten, aber aus¬
drücklich nur so viel, als ihnen die Genesenen freiwillig anboten, nicht aber
Summen, welche ihnen in der Todesangst für die Rettung etwa versprochen wür¬
den. Das Kollegium erhielt ferner das Recht, sich selbst zu ergänzen, und zwar
sollte nach einer sorgfältigen Prüfung der Concurrenten die Majorität der
Oberärzte den Ausschlag geben. Die übrigen rückten dann nach der Anciennc-
tät auf und der Neuangestellte bekam den untersten Platz. Diese städtischen
Aerzte waren wie die Professoren aller Wissenschaften nebst ihren Weibern
und Söhnen von allen Abgaben, auch der Recrutirung und Einquartirung
frei und wer ihre Ruhe durch Beleidigungen störte, sollte 4000 Thlr. Strafe
erlegen, war er ein Sklave, in Gegenwart des Beleidigten mit Ruthen gezüch¬
tigt werden. Diese Privilegien galten noch unter den ostgothischen Königen
und wurden auch für Konstantinopel von mehren Kaisern bestätigt.


H. G.


Das System der preußischen Festungen.

Preußen verwendete 1817 auf seine Kriegsbereitschaft etwa 15 Millionen
Thaler jährlich, in den dreißiger Jahren über 20 Millionen, im Laufe der
vierziger über 25 und jetzt nahezu 30 Millionen. Die Größe der Armee,
welche anfangs etwas die Kräfte des Staats überstieg, wurde zwar nicht
bedeutend vermehrt, um so mehr aber für ihre Ausbildung und Ausrüstung
gethan. Einen neuen Impuls gab der Regierungsantritt des jetzt regierenden
Königs. Er brachte die Neubewaffnung der Infanterie init dem damals ent¬
sprechenden Percussionsgewehr in Gang, dccretirte im Februar 1841 die Be¬
schaffung eines neuen Artillcriematerials (System Radowitz-Strotha) und gab
dem Heere eine neue Bekleidung, die seitdem mustergiltig für viele Staaten
geworden ist. Schon vor 1850 wurde mit einer abermaligen Neubewaffnung
der Infanterie (Zündnadelgewehr) der Anfang gemacht, und vor zwei Jahren
als Normalwaffe ein neues, der Mimi6buesse ähnelndes Gewehr für das Gros
des Fußvolks adoptirt. Hierzu rechne man die vielfachen Verbesserungen,
welche in der Artillerie eingeführt worden. Worauf wir indeß den meisten


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[0260] Armenarzte, welche durch ein Gesetz des Kaisers Valentin! an II. im Jahre 386 erfolgte. Nach der Zahl der städtischen Distrikte wurden 14 Oberärzte mit Besoldung aus der Staatskasse eingesetzt und ihnen zur Pflicht gemacht, nicht, wie bisher die Mehrzahl der Aerzte gethan hatte, blos ihrem Vortheil im Dienste des Reichthums nachzugehen, sondern dem Nothrufe der ärmern Classe zu folgen. Honorar anzunehmen war ihnen nicht verboten, aber aus¬ drücklich nur so viel, als ihnen die Genesenen freiwillig anboten, nicht aber Summen, welche ihnen in der Todesangst für die Rettung etwa versprochen wür¬ den. Das Kollegium erhielt ferner das Recht, sich selbst zu ergänzen, und zwar sollte nach einer sorgfältigen Prüfung der Concurrenten die Majorität der Oberärzte den Ausschlag geben. Die übrigen rückten dann nach der Anciennc- tät auf und der Neuangestellte bekam den untersten Platz. Diese städtischen Aerzte waren wie die Professoren aller Wissenschaften nebst ihren Weibern und Söhnen von allen Abgaben, auch der Recrutirung und Einquartirung frei und wer ihre Ruhe durch Beleidigungen störte, sollte 4000 Thlr. Strafe erlegen, war er ein Sklave, in Gegenwart des Beleidigten mit Ruthen gezüch¬ tigt werden. Diese Privilegien galten noch unter den ostgothischen Königen und wurden auch für Konstantinopel von mehren Kaisern bestätigt. H. G. Das System der preußischen Festungen. Preußen verwendete 1817 auf seine Kriegsbereitschaft etwa 15 Millionen Thaler jährlich, in den dreißiger Jahren über 20 Millionen, im Laufe der vierziger über 25 und jetzt nahezu 30 Millionen. Die Größe der Armee, welche anfangs etwas die Kräfte des Staats überstieg, wurde zwar nicht bedeutend vermehrt, um so mehr aber für ihre Ausbildung und Ausrüstung gethan. Einen neuen Impuls gab der Regierungsantritt des jetzt regierenden Königs. Er brachte die Neubewaffnung der Infanterie init dem damals ent¬ sprechenden Percussionsgewehr in Gang, dccretirte im Februar 1841 die Be¬ schaffung eines neuen Artillcriematerials (System Radowitz-Strotha) und gab dem Heere eine neue Bekleidung, die seitdem mustergiltig für viele Staaten geworden ist. Schon vor 1850 wurde mit einer abermaligen Neubewaffnung der Infanterie (Zündnadelgewehr) der Anfang gemacht, und vor zwei Jahren als Normalwaffe ein neues, der Mimi6buesse ähnelndes Gewehr für das Gros des Fußvolks adoptirt. Hierzu rechne man die vielfachen Verbesserungen, welche in der Artillerie eingeführt worden. Worauf wir indeß den meisten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/260>, abgerufen am 28.04.2024.