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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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cnchien sind gewiß nicht durch das Militär aufgerichtet, sie sind organisch aus
den sittlichen Institutionen des Volks hervorgegangen, sie wurzeln in dem
Herzen des Volks: und doch wurde eine Zeit lang nicht anders geredet, als
ob das Militär ihre einzige Stütze sei. "Wider Demokraten helfen nur Sol¬
daten!" war ein beliebtes Sprichwort. Unsere angestammten Könige wurden
in officiellen Erlassen immer als die Kriegsherren bezeichnet, man sprach von
nichts als von den herrlichen Kriegsheeren und das in einer Zeit, wo man
mit großer Behutsamkeit jeden Krieg vermied, wo man sich beeilte, selbst mit
dem kleinen Dänemark Friede zu machen und wo demnach im Ausland die
Meinung von unsrer Kriegsmacht nicht sonderlich hoch stand. Glücklicherweise
ist darin eine Umkehr erfolgt, man hat sich besonnen, daß unser Volkscharak¬
ter ein vorwiegend rechtlicher ist, und daß auch unsere Monarchien am besten
gedeihn, wenn sämmtliche Volksclassen an ihrer Erhaltung betheiligt werden,
sämmtliche Volksclassen in ihnen ihre Befriedigung finden. Deutschland ist
nichts weniger als revolutionär, das hat sich jetzt wieder in dem aufrichtigen
Enthusiasmus des gestimmten preußischen Volks für das Glück seines Herr¬
scherhauses recht schlagend gezeigt; aber in seiner sittlichen Entwicklung geht
neben dem monarchischen und aristokratischen Element, die beide mit ihrem
traditionellen Charakter gepflegt und in ihrer historischen Berechtigung aner¬
kannt werden sollen, das demokratische, oder wenn man will, das bürgerliche
gleichen Schritt, und es ist die Ausgabe des Staats, diesem historisch jüngern
Element in den politischen Einrichtungen diejenige Stelle zu geben, auf der es
für das Gedeihn des Ganzen thätig mitwirkt und vor gefährlichen Auswüch¬
sen bewahrt wird, die niemals ausbleiben, wenn einem factisch mächtigen
Princip die legale Geltung versagt wird. Wir freuen uns, wenn auch die
Aristokratie auf dem Boden des constitutionellen d. h. des die Einseitigkeiten
einzelner Stände ausgleichenden Rechtsstaats mehr und mehr festen Fuß faßt;
neben ihr wird ebenbürtig die Demokratie ihren Platz behaupten. Es war
einseitig, die Monarchie blos "auf breitester demokratischer Grundlage" auf¬
richten zu wollen; noch einseitiger wäre es, ihr blos die Aristokratie zur Stütze
zugeben: völlig unmöglich, ein Prätorianerthum aufzurichten, grade weil das
deutsche Volk mit der Revolution nichts zu thun hat.




Schleswig-Holsteinische Aussichten.

Wenige Patrioten werden von de-r jetzigen Thätigkeit des Bundestages
etwas Ersprießliches für die Schleswig-holsteinische Angelegenheit erwarten.
Zwar sind in der Sitzung vom 11. Februar die bekannten Ausschußanträge zum


Grenzboten I. 1853. 42

cnchien sind gewiß nicht durch das Militär aufgerichtet, sie sind organisch aus
den sittlichen Institutionen des Volks hervorgegangen, sie wurzeln in dem
Herzen des Volks: und doch wurde eine Zeit lang nicht anders geredet, als
ob das Militär ihre einzige Stütze sei. „Wider Demokraten helfen nur Sol¬
daten!" war ein beliebtes Sprichwort. Unsere angestammten Könige wurden
in officiellen Erlassen immer als die Kriegsherren bezeichnet, man sprach von
nichts als von den herrlichen Kriegsheeren und das in einer Zeit, wo man
mit großer Behutsamkeit jeden Krieg vermied, wo man sich beeilte, selbst mit
dem kleinen Dänemark Friede zu machen und wo demnach im Ausland die
Meinung von unsrer Kriegsmacht nicht sonderlich hoch stand. Glücklicherweise
ist darin eine Umkehr erfolgt, man hat sich besonnen, daß unser Volkscharak¬
ter ein vorwiegend rechtlicher ist, und daß auch unsere Monarchien am besten
gedeihn, wenn sämmtliche Volksclassen an ihrer Erhaltung betheiligt werden,
sämmtliche Volksclassen in ihnen ihre Befriedigung finden. Deutschland ist
nichts weniger als revolutionär, das hat sich jetzt wieder in dem aufrichtigen
Enthusiasmus des gestimmten preußischen Volks für das Glück seines Herr¬
scherhauses recht schlagend gezeigt; aber in seiner sittlichen Entwicklung geht
neben dem monarchischen und aristokratischen Element, die beide mit ihrem
traditionellen Charakter gepflegt und in ihrer historischen Berechtigung aner¬
kannt werden sollen, das demokratische, oder wenn man will, das bürgerliche
gleichen Schritt, und es ist die Ausgabe des Staats, diesem historisch jüngern
Element in den politischen Einrichtungen diejenige Stelle zu geben, auf der es
für das Gedeihn des Ganzen thätig mitwirkt und vor gefährlichen Auswüch¬
sen bewahrt wird, die niemals ausbleiben, wenn einem factisch mächtigen
Princip die legale Geltung versagt wird. Wir freuen uns, wenn auch die
Aristokratie auf dem Boden des constitutionellen d. h. des die Einseitigkeiten
einzelner Stände ausgleichenden Rechtsstaats mehr und mehr festen Fuß faßt;
neben ihr wird ebenbürtig die Demokratie ihren Platz behaupten. Es war
einseitig, die Monarchie blos „auf breitester demokratischer Grundlage" auf¬
richten zu wollen; noch einseitiger wäre es, ihr blos die Aristokratie zur Stütze
zugeben: völlig unmöglich, ein Prätorianerthum aufzurichten, grade weil das
deutsche Volk mit der Revolution nichts zu thun hat.




Schleswig-Holsteinische Aussichten.

Wenige Patrioten werden von de-r jetzigen Thätigkeit des Bundestages
etwas Ersprießliches für die Schleswig-holsteinische Angelegenheit erwarten.
Zwar sind in der Sitzung vom 11. Februar die bekannten Ausschußanträge zum


Grenzboten I. 1853. 42
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[0337] cnchien sind gewiß nicht durch das Militär aufgerichtet, sie sind organisch aus den sittlichen Institutionen des Volks hervorgegangen, sie wurzeln in dem Herzen des Volks: und doch wurde eine Zeit lang nicht anders geredet, als ob das Militär ihre einzige Stütze sei. „Wider Demokraten helfen nur Sol¬ daten!" war ein beliebtes Sprichwort. Unsere angestammten Könige wurden in officiellen Erlassen immer als die Kriegsherren bezeichnet, man sprach von nichts als von den herrlichen Kriegsheeren und das in einer Zeit, wo man mit großer Behutsamkeit jeden Krieg vermied, wo man sich beeilte, selbst mit dem kleinen Dänemark Friede zu machen und wo demnach im Ausland die Meinung von unsrer Kriegsmacht nicht sonderlich hoch stand. Glücklicherweise ist darin eine Umkehr erfolgt, man hat sich besonnen, daß unser Volkscharak¬ ter ein vorwiegend rechtlicher ist, und daß auch unsere Monarchien am besten gedeihn, wenn sämmtliche Volksclassen an ihrer Erhaltung betheiligt werden, sämmtliche Volksclassen in ihnen ihre Befriedigung finden. Deutschland ist nichts weniger als revolutionär, das hat sich jetzt wieder in dem aufrichtigen Enthusiasmus des gestimmten preußischen Volks für das Glück seines Herr¬ scherhauses recht schlagend gezeigt; aber in seiner sittlichen Entwicklung geht neben dem monarchischen und aristokratischen Element, die beide mit ihrem traditionellen Charakter gepflegt und in ihrer historischen Berechtigung aner¬ kannt werden sollen, das demokratische, oder wenn man will, das bürgerliche gleichen Schritt, und es ist die Ausgabe des Staats, diesem historisch jüngern Element in den politischen Einrichtungen diejenige Stelle zu geben, auf der es für das Gedeihn des Ganzen thätig mitwirkt und vor gefährlichen Auswüch¬ sen bewahrt wird, die niemals ausbleiben, wenn einem factisch mächtigen Princip die legale Geltung versagt wird. Wir freuen uns, wenn auch die Aristokratie auf dem Boden des constitutionellen d. h. des die Einseitigkeiten einzelner Stände ausgleichenden Rechtsstaats mehr und mehr festen Fuß faßt; neben ihr wird ebenbürtig die Demokratie ihren Platz behaupten. Es war einseitig, die Monarchie blos „auf breitester demokratischer Grundlage" auf¬ richten zu wollen; noch einseitiger wäre es, ihr blos die Aristokratie zur Stütze zugeben: völlig unmöglich, ein Prätorianerthum aufzurichten, grade weil das deutsche Volk mit der Revolution nichts zu thun hat. Schleswig-Holsteinische Aussichten. Wenige Patrioten werden von de-r jetzigen Thätigkeit des Bundestages etwas Ersprießliches für die Schleswig-holsteinische Angelegenheit erwarten. Zwar sind in der Sitzung vom 11. Februar die bekannten Ausschußanträge zum Grenzboten I. 1853. 42

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/337>, abgerufen am 28.04.2024.