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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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mulier und seine Frau unterschlagen, er war dem eignen Urtheil überlassen,
und besaß nicht Geschick genug, sich den drängenden Insurgenten zu entziehn.
Wäre er gewesen, wie viele seiner Stnndesgenossen, etwa wie Marx Stumpf,
so hätte er die Bauern trotz allem Gelöbniß verlassen. Aber treu seinem
Wort hielt er bei ihnen aus, bis die vier Wochen, für die er sich ihnen ver¬
pflichtet hirtte, vergangen waren, er hielt aus, obgleich er in der That nicht
ihr Führer, sondern ihr Gefangener war. Seitdem lebte er einige Jahre in
enger Hast, dann lange Zeit in starken Freiheitsbeschränkungen auf seinem
Schloß. Um ihn tummelte sich ein neues Geschlecht in leidenschaftlichem
Kampfe, ihn selbst bekümmerte fortwährend, daß er doch als ehrlicher Rei¬
ter in der Bauerzeit gehandelt habe, und daß er jetzt wieder treu sein.
Wort halten und die Schritte zählen müsse, die ihm aus seinem Burgthor
zu schreiten vergönnt war. Nach sechzehn Jahren einsamer Zurückgezogenheit
ward er als alter Mann noch zweimal in die Kriegshändel eines jünger"
Geschlechts gerufen, die ihm wenigstens keine Abenteuer und keine Gelegen¬
heit zu Ruhm und Beute brachten. Da er endlich 8Z Jahr alt auf seiner
Homburg in Frieden starb, war Luther seit is Jahren todt. Kaiser Karl V.
war 4 Jahre vorher im Mönchskloster eingesargt worden, aber die Selbst¬
biographie des Götz. obgleich in dem letzten Lebensjahre geschrieben, hat für
die lange Zeit seit dein Jahr 1525 nur wenige Seiten. -- Hier seien außer ei¬
nem kleinen Abenteuer aus seiner frühen Jugend, welches zeigt, wie man sich da¬
mals in einer Dorfgasse raufte, Bruchstücke aus seinem Bericht über die nürnberger
Fehde mitgetheilt:

Götz von Ber lieh i n gen.

Um >502. Ungefähr um Michaelis hat sich zugetragen, daß ich mit
Neidhart von Thüngen, dem ich damals aufwartete, von Sottenverg herab¬
geritten bin. Als wir so fortziehen, werden wir zwei Reiter bei einem Hölzlein
gewahr, an einem Dorfe, heißt Obereschenbach; das war Andreas von Ge-
münd, Amtmann zu sollent und jein Knecht, den hieß man den Affen. Nun
hatte sich zuvor begeben, daß ich einst zu Hamelburg in die Herberge zu Herrn
Neidhart und zu seinen Knechten gehn wollte, welche mehrentheils trunken
waren, da war erwähnter Affe auch da. sehr voll und hatte viel Wind in
der Nase, machte viel seltsame Reden und sagte: was will der Junkers
thun, will er auch zu .uns? und dergleichen höhnische Worte, womit er
mich aufzubringen vermeinte. Das verdroß mich in der Stille und ich
sagte zu ihm: ,,Was bedarf ich deiner Junkerci oder deines Gespöttes
oder deiner Neckerei, wenn wir einmal im Feld zusammenstoßen, da
wollen wir sehn, wer Junker oder Knecht sei. Jetzt nun, da wir von
Sottenverg herabzogen, dachte ich, er wirds sein und mit seinem Junker reiten.



') Götz wartete damals noch aus und hatte den Titel Junker nicht zu beanspruchen.

mulier und seine Frau unterschlagen, er war dem eignen Urtheil überlassen,
und besaß nicht Geschick genug, sich den drängenden Insurgenten zu entziehn.
Wäre er gewesen, wie viele seiner Stnndesgenossen, etwa wie Marx Stumpf,
so hätte er die Bauern trotz allem Gelöbniß verlassen. Aber treu seinem
Wort hielt er bei ihnen aus, bis die vier Wochen, für die er sich ihnen ver¬
pflichtet hirtte, vergangen waren, er hielt aus, obgleich er in der That nicht
ihr Führer, sondern ihr Gefangener war. Seitdem lebte er einige Jahre in
enger Hast, dann lange Zeit in starken Freiheitsbeschränkungen auf seinem
Schloß. Um ihn tummelte sich ein neues Geschlecht in leidenschaftlichem
Kampfe, ihn selbst bekümmerte fortwährend, daß er doch als ehrlicher Rei¬
ter in der Bauerzeit gehandelt habe, und daß er jetzt wieder treu sein.
Wort halten und die Schritte zählen müsse, die ihm aus seinem Burgthor
zu schreiten vergönnt war. Nach sechzehn Jahren einsamer Zurückgezogenheit
ward er als alter Mann noch zweimal in die Kriegshändel eines jünger»
Geschlechts gerufen, die ihm wenigstens keine Abenteuer und keine Gelegen¬
heit zu Ruhm und Beute brachten. Da er endlich 8Z Jahr alt auf seiner
Homburg in Frieden starb, war Luther seit is Jahren todt. Kaiser Karl V.
war 4 Jahre vorher im Mönchskloster eingesargt worden, aber die Selbst¬
biographie des Götz. obgleich in dem letzten Lebensjahre geschrieben, hat für
die lange Zeit seit dein Jahr 1525 nur wenige Seiten. — Hier seien außer ei¬
nem kleinen Abenteuer aus seiner frühen Jugend, welches zeigt, wie man sich da¬
mals in einer Dorfgasse raufte, Bruchstücke aus seinem Bericht über die nürnberger
Fehde mitgetheilt:

Götz von Ber lieh i n gen.

Um >502. Ungefähr um Michaelis hat sich zugetragen, daß ich mit
Neidhart von Thüngen, dem ich damals aufwartete, von Sottenverg herab¬
geritten bin. Als wir so fortziehen, werden wir zwei Reiter bei einem Hölzlein
gewahr, an einem Dorfe, heißt Obereschenbach; das war Andreas von Ge-
münd, Amtmann zu sollent und jein Knecht, den hieß man den Affen. Nun
hatte sich zuvor begeben, daß ich einst zu Hamelburg in die Herberge zu Herrn
Neidhart und zu seinen Knechten gehn wollte, welche mehrentheils trunken
waren, da war erwähnter Affe auch da. sehr voll und hatte viel Wind in
der Nase, machte viel seltsame Reden und sagte: was will der Junkers
thun, will er auch zu .uns? und dergleichen höhnische Worte, womit er
mich aufzubringen vermeinte. Das verdroß mich in der Stille und ich
sagte zu ihm: ,,Was bedarf ich deiner Junkerci oder deines Gespöttes
oder deiner Neckerei, wenn wir einmal im Feld zusammenstoßen, da
wollen wir sehn, wer Junker oder Knecht sei. Jetzt nun, da wir von
Sottenverg herabzogen, dachte ich, er wirds sein und mit seinem Junker reiten.



') Götz wartete damals noch aus und hatte den Titel Junker nicht zu beanspruchen.
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[0394] mulier und seine Frau unterschlagen, er war dem eignen Urtheil überlassen, und besaß nicht Geschick genug, sich den drängenden Insurgenten zu entziehn. Wäre er gewesen, wie viele seiner Stnndesgenossen, etwa wie Marx Stumpf, so hätte er die Bauern trotz allem Gelöbniß verlassen. Aber treu seinem Wort hielt er bei ihnen aus, bis die vier Wochen, für die er sich ihnen ver¬ pflichtet hirtte, vergangen waren, er hielt aus, obgleich er in der That nicht ihr Führer, sondern ihr Gefangener war. Seitdem lebte er einige Jahre in enger Hast, dann lange Zeit in starken Freiheitsbeschränkungen auf seinem Schloß. Um ihn tummelte sich ein neues Geschlecht in leidenschaftlichem Kampfe, ihn selbst bekümmerte fortwährend, daß er doch als ehrlicher Rei¬ ter in der Bauerzeit gehandelt habe, und daß er jetzt wieder treu sein. Wort halten und die Schritte zählen müsse, die ihm aus seinem Burgthor zu schreiten vergönnt war. Nach sechzehn Jahren einsamer Zurückgezogenheit ward er als alter Mann noch zweimal in die Kriegshändel eines jünger» Geschlechts gerufen, die ihm wenigstens keine Abenteuer und keine Gelegen¬ heit zu Ruhm und Beute brachten. Da er endlich 8Z Jahr alt auf seiner Homburg in Frieden starb, war Luther seit is Jahren todt. Kaiser Karl V. war 4 Jahre vorher im Mönchskloster eingesargt worden, aber die Selbst¬ biographie des Götz. obgleich in dem letzten Lebensjahre geschrieben, hat für die lange Zeit seit dein Jahr 1525 nur wenige Seiten. — Hier seien außer ei¬ nem kleinen Abenteuer aus seiner frühen Jugend, welches zeigt, wie man sich da¬ mals in einer Dorfgasse raufte, Bruchstücke aus seinem Bericht über die nürnberger Fehde mitgetheilt: Götz von Ber lieh i n gen. Um >502. Ungefähr um Michaelis hat sich zugetragen, daß ich mit Neidhart von Thüngen, dem ich damals aufwartete, von Sottenverg herab¬ geritten bin. Als wir so fortziehen, werden wir zwei Reiter bei einem Hölzlein gewahr, an einem Dorfe, heißt Obereschenbach; das war Andreas von Ge- münd, Amtmann zu sollent und jein Knecht, den hieß man den Affen. Nun hatte sich zuvor begeben, daß ich einst zu Hamelburg in die Herberge zu Herrn Neidhart und zu seinen Knechten gehn wollte, welche mehrentheils trunken waren, da war erwähnter Affe auch da. sehr voll und hatte viel Wind in der Nase, machte viel seltsame Reden und sagte: was will der Junkers thun, will er auch zu .uns? und dergleichen höhnische Worte, womit er mich aufzubringen vermeinte. Das verdroß mich in der Stille und ich sagte zu ihm: ,,Was bedarf ich deiner Junkerci oder deines Gespöttes oder deiner Neckerei, wenn wir einmal im Feld zusammenstoßen, da wollen wir sehn, wer Junker oder Knecht sei. Jetzt nun, da wir von Sottenverg herabzogen, dachte ich, er wirds sein und mit seinem Junker reiten. ') Götz wartete damals noch aus und hatte den Titel Junker nicht zu beanspruchen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/394>, abgerufen am 29.04.2024.