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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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Das Znhr 18.17 in der Schweiz.

Nicht leicht hat die Schweiz ein mannigfaltiger bewegtes Jahr durch¬
gemacht, als das jüngst abgelaufene war. Der drohende Krieg, das nach
allseitigem Zugeständnis; großartigste aller bis jetzt gefeierten Schützenfeste,
verbunden mit einer allgemeinen nationalen Ausstellung, dann die Erneu¬
erungswahl des Nationalraths und durch dessen Mittel die Erneuerung des
Vundcsraths. zuletzt die Krisen für die Industrie, deren Gedeihen die ökono¬
mische Wohlfahrt vieler Tausende, ja ganzer Cantone bedingt: dies mit man¬
chem Andern hat sich uns in den Rahmen eines einzigen Jahres zusammen¬
gedrängt. Und wenn man nun erfährt, daß alle diese recht eigentlich das
Mark des öffentlichen und privaten Lebens berührenden Erscheinungen an un¬
serm Volk vorübergegangen sind, ohne es im Geringsten aus der Bahn jener
ruhigen Verständigkeit zu werfen, die einen Hauptcharakterzuc^ des Schweizers
ausmacht, dann wird man uns zugestehen, daß die Zeiten gründlich absol-
virt sind, in denen die kleine Alpenrepublik mit einigem Schein von Grund
dem monarchischen Europa als ein entwit tviiidlv in der politischen Warnungs¬
tafel notirt werden konnte.

Gewiß, die Zeit der Putsche ist vorüber. Den letzten hat man unter
monarchischer Fahne versucht, allein der Erfolg war so wenig ermunternd,
daß ich Ihnen gutstehen möchte, es wird nicht so leicht eine Partei einen
"allerletzten" wagen. Ueberhaupt sind die Putsche schon seit dem großen all¬
gemeinen Losgang der Parteien vom Jahr 1847, genannt Sondcrbunds-
feldzug, nur mehr als Seltenheiten zum Vorschein gekommen, während das
Schicksal zwischen 1836 und 1847 ihrer durchschnittlich alle Jahre einen auf
die Tagesordnung setzte. Was derartiges seit 1848 in den Cantonen Frei¬
burg und Tessin passirt ist, waren nur die letzten Zuckungen einer überwun¬
denen Periode. Ich möchte diese Erscheinungen -- si Mrva, liest eompouoic!
UMAM8 -- in etwas vergleichen mit den letzten Unternehmungen der von
den Spaniern und Maria von Medici unterstützten französischen Großen unter
Heinrich IV. und Richelieu, und was zur heutigen Stunde von ähnlichen
Machinationen aus etlichen katholischen und paritätischen Cantonen verlautet,
erinnert nicht übel an die Fronde, für welche sich aber ebenfalls ein Mazarin


Gmizbotcn I. 1358. 51
Das Znhr 18.17 in der Schweiz.

Nicht leicht hat die Schweiz ein mannigfaltiger bewegtes Jahr durch¬
gemacht, als das jüngst abgelaufene war. Der drohende Krieg, das nach
allseitigem Zugeständnis; großartigste aller bis jetzt gefeierten Schützenfeste,
verbunden mit einer allgemeinen nationalen Ausstellung, dann die Erneu¬
erungswahl des Nationalraths und durch dessen Mittel die Erneuerung des
Vundcsraths. zuletzt die Krisen für die Industrie, deren Gedeihen die ökono¬
mische Wohlfahrt vieler Tausende, ja ganzer Cantone bedingt: dies mit man¬
chem Andern hat sich uns in den Rahmen eines einzigen Jahres zusammen¬
gedrängt. Und wenn man nun erfährt, daß alle diese recht eigentlich das
Mark des öffentlichen und privaten Lebens berührenden Erscheinungen an un¬
serm Volk vorübergegangen sind, ohne es im Geringsten aus der Bahn jener
ruhigen Verständigkeit zu werfen, die einen Hauptcharakterzuc^ des Schweizers
ausmacht, dann wird man uns zugestehen, daß die Zeiten gründlich absol-
virt sind, in denen die kleine Alpenrepublik mit einigem Schein von Grund
dem monarchischen Europa als ein entwit tviiidlv in der politischen Warnungs¬
tafel notirt werden konnte.

Gewiß, die Zeit der Putsche ist vorüber. Den letzten hat man unter
monarchischer Fahne versucht, allein der Erfolg war so wenig ermunternd,
daß ich Ihnen gutstehen möchte, es wird nicht so leicht eine Partei einen
„allerletzten" wagen. Ueberhaupt sind die Putsche schon seit dem großen all¬
gemeinen Losgang der Parteien vom Jahr 1847, genannt Sondcrbunds-
feldzug, nur mehr als Seltenheiten zum Vorschein gekommen, während das
Schicksal zwischen 1836 und 1847 ihrer durchschnittlich alle Jahre einen auf
die Tagesordnung setzte. Was derartiges seit 1848 in den Cantonen Frei¬
burg und Tessin passirt ist, waren nur die letzten Zuckungen einer überwun¬
denen Periode. Ich möchte diese Erscheinungen — si Mrva, liest eompouoic!
UMAM8 — in etwas vergleichen mit den letzten Unternehmungen der von
den Spaniern und Maria von Medici unterstützten französischen Großen unter
Heinrich IV. und Richelieu, und was zur heutigen Stunde von ähnlichen
Machinationen aus etlichen katholischen und paritätischen Cantonen verlautet,
erinnert nicht übel an die Fronde, für welche sich aber ebenfalls ein Mazarin


Gmizbotcn I. 1358. 51
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[0409] Das Znhr 18.17 in der Schweiz. Nicht leicht hat die Schweiz ein mannigfaltiger bewegtes Jahr durch¬ gemacht, als das jüngst abgelaufene war. Der drohende Krieg, das nach allseitigem Zugeständnis; großartigste aller bis jetzt gefeierten Schützenfeste, verbunden mit einer allgemeinen nationalen Ausstellung, dann die Erneu¬ erungswahl des Nationalraths und durch dessen Mittel die Erneuerung des Vundcsraths. zuletzt die Krisen für die Industrie, deren Gedeihen die ökono¬ mische Wohlfahrt vieler Tausende, ja ganzer Cantone bedingt: dies mit man¬ chem Andern hat sich uns in den Rahmen eines einzigen Jahres zusammen¬ gedrängt. Und wenn man nun erfährt, daß alle diese recht eigentlich das Mark des öffentlichen und privaten Lebens berührenden Erscheinungen an un¬ serm Volk vorübergegangen sind, ohne es im Geringsten aus der Bahn jener ruhigen Verständigkeit zu werfen, die einen Hauptcharakterzuc^ des Schweizers ausmacht, dann wird man uns zugestehen, daß die Zeiten gründlich absol- virt sind, in denen die kleine Alpenrepublik mit einigem Schein von Grund dem monarchischen Europa als ein entwit tviiidlv in der politischen Warnungs¬ tafel notirt werden konnte. Gewiß, die Zeit der Putsche ist vorüber. Den letzten hat man unter monarchischer Fahne versucht, allein der Erfolg war so wenig ermunternd, daß ich Ihnen gutstehen möchte, es wird nicht so leicht eine Partei einen „allerletzten" wagen. Ueberhaupt sind die Putsche schon seit dem großen all¬ gemeinen Losgang der Parteien vom Jahr 1847, genannt Sondcrbunds- feldzug, nur mehr als Seltenheiten zum Vorschein gekommen, während das Schicksal zwischen 1836 und 1847 ihrer durchschnittlich alle Jahre einen auf die Tagesordnung setzte. Was derartiges seit 1848 in den Cantonen Frei¬ burg und Tessin passirt ist, waren nur die letzten Zuckungen einer überwun¬ denen Periode. Ich möchte diese Erscheinungen — si Mrva, liest eompouoic! UMAM8 — in etwas vergleichen mit den letzten Unternehmungen der von den Spaniern und Maria von Medici unterstützten französischen Großen unter Heinrich IV. und Richelieu, und was zur heutigen Stunde von ähnlichen Machinationen aus etlichen katholischen und paritätischen Cantonen verlautet, erinnert nicht übel an die Fronde, für welche sich aber ebenfalls ein Mazarin Gmizbotcn I. 1358. 51

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/409>, abgerufen am 29.04.2024.