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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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den Usern des Nil an fünfzigtausend stehen. Eine ruft der andern zu, und
diese wieder ihrer Nachbarin auf dem andern Gestade. Ein horizontal laufen- ,
des Rad treibt ein lothrechtlaufendes. Jenes wird von Ochsen in Bewegung
gesetzt, dieses schöpft mit Krüger aus einer Grube am Flusse die befruchtende
Flut in einen Graben, der sie in kleinen Kanälen über das benachbarte Feld
ausbreitet. Das bewegende Princip der Maschine, der Musikant d.es Instruments
ist ein Knabe, der auf dem horizontalen Rade sitzend, unablässig die Hinter¬
theile der Ochsen bearbeitet. Nie wird die Rabe des Rades mit fettiger
Substanz bestrichen. Sie würde der Maschine die Stimme nehmen, und der
Fellah liebt das Concert der Sakiahs wie der Alpenbewohner seinen Kuhreigen.
Das Concert ist von unendlicher Mannigfaltigkeit, aber stets von trauriger
Wirkung. Es ist der Schwanengesang Aegyptens. Einige Sakiahs haben
eine scharfe, schrille Stimme, es mögen die jungen sein. Andere kreischen
mehr in den Tönen des hilflosen, hoffnungslosen Alters. Es ist die Klage
des zu hoch besteuerten Ackerlandes, in welche sich, ganz von fernher suMmend,
ähnlich dem Insektengeschwirr unsrer Wiesen an schwülen stillen Mittsommcr-
tagen. die Klagen aller der Geschlechter mischen, welche wir in unserem träu¬
merischen Sinnen im Laus der Jahrtausende über dieses Land, gehen
und verschwinden sahen. Es hat, wo der Fluß breiter wird und die Strö¬
mung das Boot des Chowadschi durch die Mitte der Wasserfläche führt, die
wunderbarste Aehnlichkeit mit fernem Glockenklang, und der Träumende fragt
sich, ob auch das. Ohr hier eine Fata Morgana hat wie das Auge. Wir
glauben den orthodoxen Baßton des Geläuts der Kathedrale, den milden
Tenor der und jener Parvchialkirche der Vaterstadt, den -Discant ihrer
Kapellglöckchcn, die Silberstimmcn der Glocken ferner Dörfer zu vernehmen.
Das ist Se. Jakob, das Peter und Paul und das ist die Gottcsackerkirche!
Und daseist -- o daß du schwinden mußt, schöner Traum! -- das halb ara¬
bische, halb englische Kauderwälsch des Kochs aus der Kajüte-. "Abendessen
sertig, Gentlemen. Stehe zu Ihrem Befehl!"




Verantwortlicher Redacteur: D. Moritz Busch -- Verlag von F. L. He-rdig
in Leipzig.
Druck von C. E. Elbert in Leipzig.


Abonnementsanzeige zum neuen Jahr.
Mit dem Anfange des neuen Jahres beginnen die Grenzboten
den ^VR?. Jahrgang. Die unterzeichnete Verlaqshandluug erlaubt
sich zur Pränumeration auf denselben einzuladen, und bemerkt, daß alle
Buchhandlungen und Postämter Bestellungen annehmen.
Leipzig, im December 1857. Fr. Lndw. Herbig.


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diese wieder ihrer Nachbarin auf dem andern Gestade. Ein horizontal laufen- ,
des Rad treibt ein lothrechtlaufendes. Jenes wird von Ochsen in Bewegung
gesetzt, dieses schöpft mit Krüger aus einer Grube am Flusse die befruchtende
Flut in einen Graben, der sie in kleinen Kanälen über das benachbarte Feld
ausbreitet. Das bewegende Princip der Maschine, der Musikant d.es Instruments
ist ein Knabe, der auf dem horizontalen Rade sitzend, unablässig die Hinter¬
theile der Ochsen bearbeitet. Nie wird die Rabe des Rades mit fettiger
Substanz bestrichen. Sie würde der Maschine die Stimme nehmen, und der
Fellah liebt das Concert der Sakiahs wie der Alpenbewohner seinen Kuhreigen.
Das Concert ist von unendlicher Mannigfaltigkeit, aber stets von trauriger
Wirkung. Es ist der Schwanengesang Aegyptens. Einige Sakiahs haben
eine scharfe, schrille Stimme, es mögen die jungen sein. Andere kreischen
mehr in den Tönen des hilflosen, hoffnungslosen Alters. Es ist die Klage
des zu hoch besteuerten Ackerlandes, in welche sich, ganz von fernher suMmend,
ähnlich dem Insektengeschwirr unsrer Wiesen an schwülen stillen Mittsommcr-
tagen. die Klagen aller der Geschlechter mischen, welche wir in unserem träu¬
merischen Sinnen im Laus der Jahrtausende über dieses Land, gehen
und verschwinden sahen. Es hat, wo der Fluß breiter wird und die Strö¬
mung das Boot des Chowadschi durch die Mitte der Wasserfläche führt, die
wunderbarste Aehnlichkeit mit fernem Glockenklang, und der Träumende fragt
sich, ob auch das. Ohr hier eine Fata Morgana hat wie das Auge. Wir
glauben den orthodoxen Baßton des Geläuts der Kathedrale, den milden
Tenor der und jener Parvchialkirche der Vaterstadt, den -Discant ihrer
Kapellglöckchcn, die Silberstimmcn der Glocken ferner Dörfer zu vernehmen.
Das ist Se. Jakob, das Peter und Paul und das ist die Gottcsackerkirche!
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[0048] den Usern des Nil an fünfzigtausend stehen. Eine ruft der andern zu, und diese wieder ihrer Nachbarin auf dem andern Gestade. Ein horizontal laufen- , des Rad treibt ein lothrechtlaufendes. Jenes wird von Ochsen in Bewegung gesetzt, dieses schöpft mit Krüger aus einer Grube am Flusse die befruchtende Flut in einen Graben, der sie in kleinen Kanälen über das benachbarte Feld ausbreitet. Das bewegende Princip der Maschine, der Musikant d.es Instruments ist ein Knabe, der auf dem horizontalen Rade sitzend, unablässig die Hinter¬ theile der Ochsen bearbeitet. Nie wird die Rabe des Rades mit fettiger Substanz bestrichen. Sie würde der Maschine die Stimme nehmen, und der Fellah liebt das Concert der Sakiahs wie der Alpenbewohner seinen Kuhreigen. Das Concert ist von unendlicher Mannigfaltigkeit, aber stets von trauriger Wirkung. Es ist der Schwanengesang Aegyptens. Einige Sakiahs haben eine scharfe, schrille Stimme, es mögen die jungen sein. Andere kreischen mehr in den Tönen des hilflosen, hoffnungslosen Alters. Es ist die Klage des zu hoch besteuerten Ackerlandes, in welche sich, ganz von fernher suMmend, ähnlich dem Insektengeschwirr unsrer Wiesen an schwülen stillen Mittsommcr- tagen. die Klagen aller der Geschlechter mischen, welche wir in unserem träu¬ merischen Sinnen im Laus der Jahrtausende über dieses Land, gehen und verschwinden sahen. Es hat, wo der Fluß breiter wird und die Strö¬ mung das Boot des Chowadschi durch die Mitte der Wasserfläche führt, die wunderbarste Aehnlichkeit mit fernem Glockenklang, und der Träumende fragt sich, ob auch das. Ohr hier eine Fata Morgana hat wie das Auge. Wir glauben den orthodoxen Baßton des Geläuts der Kathedrale, den milden Tenor der und jener Parvchialkirche der Vaterstadt, den -Discant ihrer Kapellglöckchcn, die Silberstimmcn der Glocken ferner Dörfer zu vernehmen. Das ist Se. Jakob, das Peter und Paul und das ist die Gottcsackerkirche! Und daseist — o daß du schwinden mußt, schöner Traum! — das halb ara¬ bische, halb englische Kauderwälsch des Kochs aus der Kajüte-. „Abendessen sertig, Gentlemen. Stehe zu Ihrem Befehl!" Verantwortlicher Redacteur: D. Moritz Busch — Verlag von F. L. He-rdig in Leipzig. Druck von C. E. Elbert in Leipzig. Abonnementsanzeige zum neuen Jahr. Mit dem Anfange des neuen Jahres beginnen die Grenzboten den ^VR?. Jahrgang. Die unterzeichnete Verlaqshandluug erlaubt sich zur Pränumeration auf denselben einzuladen, und bemerkt, daß alle Buchhandlungen und Postämter Bestellungen annehmen. Leipzig, im December 1857. Fr. Lndw. Herbig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/48>, abgerufen am 29.04.2024.