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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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sind elegant, kalt und geleckt, er gibt niemals wieder wie eine Sache erscheint,
sondern er gibt nur den Organismus derselben. Daher das unerträglich Ein¬
förmige und Langweilige in der Behandlung. Seine Zeichnungen sehen bei weitem
am geistreichsten und lebendigsten aus, wenn sie blos ganz leicht skizzirt sind, und
werden immer glatter und lebloser, je mehr er sie ausführt, so daß sie zuletzt, wenn
das Gemälde fertig ist, eigentlich am wenigsten gut, 'und fast ganz an dem Punkte
angelangt sind, an dem die Zopfmalcr, Goethes Freund der selige Oeser voran,
aufgehört haben. Sie sind fast ebenso todt und schemenhaft wie diese, zeichnen
sich ebenso durch die totale Abwesenheit alles Germanisch-Individuellen aus, so daß
ich keine unnationalcre Kunst wüßte als dieses moderne Griechenthum, das alle wahren
und echten Empfindungen, deren Darstellung immer nur auf dem nationalen Boden
gedeihen kann, in eine duftende und u,nwahre, officielle Hofkunst aufzulösen droht,
wie es der weiland Zopf grade auch so trieb. Es ist um so nöthiger, dieser Richtung
mit aller Entschiedenheit entgegenzutreten, als Kaulbach, wie wir hören, sich eben
jetzt daran gemacht hat, unsern größten nationalen Dichter Goethe aus dieselbe Weise
zu mißhandeln.




Neue geographische und Reiseliteratur.

Das Mittelmeer. Eine Darstellung seiner physischen Geographie nebst an¬
dern geographischen, historischen und nautischen Untersuchungen. Von Dr. C. nöti¬
ger. 1. Lieferung. Leipzig, Gustav Mayer. 1858. --

Unter den Meeren der Erde beansprucht das Mittelmeer mehr wie irgend ein
anderes das Interesse aller Gebildeten. Wie Europa trotz seiner Kleinheit im Ver¬
gleich mit andern Welttheilen das wichtigste Land der Geschichte geworden ist, so
das Mittelmeer trotz seiner verhältnißmäßigen Enge der Ausgangspunkt der be¬
deutungsvollsten Begebenheiten. Es nimmt die Mitte zwischen den drei großen Land-
vesten der alten Geographie ein, und es war und ist das Meer der mannigfachsten
Vermittlung. Es vermittelt klimatisch die in den Wüsten Asiens und Afrikas sich
sammelnde Glut mit der Kälte des europäischen Nordens. Es steht mit der Pflan¬
zen- und Thierwelt seiner Inseln und Küsten in der Mitte zwischen der tropischen
und der arktischen Zone. Es vermittelt in der Geschichte den Uebergang der ältesten,
blos potamischen Culturcntwicklung in den Reichen am Tigris, Euphrat und Nil
mit der oceanischen der neuen Zeit. An ihm erblühte das griechische Leben, an ihm
bildete sich das römische Weltreich zur Amphiktyonie aller alten Völker, an ihm
berührten sich die romanischen, germanischen und semitischen Stämme, die edelsten
Zweige der kaukasischen Race, unsere gesammte religiöse und künstlerische Bildung
hat an seinen Gestaden ihre Wurzeln. Die Bedeutung dieses Meeres nach ihren
verschiedenen Beziehungen zu prüfen, dasselbe in seiner physischen und historischen
Lebendigkeit zu schildern, ist somit unzweifelhaft eine schöne und lohnende Aufgabe, und
wir glauben, nach dem, was der Verfasser in ähnlichen Dingen bereits geleistet,
so wie nach der Weise, in der er seinen Gegenstand in dieser ersten Lieferung be¬
handelt, daß diese Ausgabe hier auch in den rechten Händen ist. Derselbe betrachtet
jn den uns vorliegenden ersten Abschnitten mit Benutzung von Admiral Smyths


sind elegant, kalt und geleckt, er gibt niemals wieder wie eine Sache erscheint,
sondern er gibt nur den Organismus derselben. Daher das unerträglich Ein¬
förmige und Langweilige in der Behandlung. Seine Zeichnungen sehen bei weitem
am geistreichsten und lebendigsten aus, wenn sie blos ganz leicht skizzirt sind, und
werden immer glatter und lebloser, je mehr er sie ausführt, so daß sie zuletzt, wenn
das Gemälde fertig ist, eigentlich am wenigsten gut, 'und fast ganz an dem Punkte
angelangt sind, an dem die Zopfmalcr, Goethes Freund der selige Oeser voran,
aufgehört haben. Sie sind fast ebenso todt und schemenhaft wie diese, zeichnen
sich ebenso durch die totale Abwesenheit alles Germanisch-Individuellen aus, so daß
ich keine unnationalcre Kunst wüßte als dieses moderne Griechenthum, das alle wahren
und echten Empfindungen, deren Darstellung immer nur auf dem nationalen Boden
gedeihen kann, in eine duftende und u,nwahre, officielle Hofkunst aufzulösen droht,
wie es der weiland Zopf grade auch so trieb. Es ist um so nöthiger, dieser Richtung
mit aller Entschiedenheit entgegenzutreten, als Kaulbach, wie wir hören, sich eben
jetzt daran gemacht hat, unsern größten nationalen Dichter Goethe aus dieselbe Weise
zu mißhandeln.




Neue geographische und Reiseliteratur.

Das Mittelmeer. Eine Darstellung seiner physischen Geographie nebst an¬
dern geographischen, historischen und nautischen Untersuchungen. Von Dr. C. nöti¬
ger. 1. Lieferung. Leipzig, Gustav Mayer. 1858. —

Unter den Meeren der Erde beansprucht das Mittelmeer mehr wie irgend ein
anderes das Interesse aller Gebildeten. Wie Europa trotz seiner Kleinheit im Ver¬
gleich mit andern Welttheilen das wichtigste Land der Geschichte geworden ist, so
das Mittelmeer trotz seiner verhältnißmäßigen Enge der Ausgangspunkt der be¬
deutungsvollsten Begebenheiten. Es nimmt die Mitte zwischen den drei großen Land-
vesten der alten Geographie ein, und es war und ist das Meer der mannigfachsten
Vermittlung. Es vermittelt klimatisch die in den Wüsten Asiens und Afrikas sich
sammelnde Glut mit der Kälte des europäischen Nordens. Es steht mit der Pflan¬
zen- und Thierwelt seiner Inseln und Küsten in der Mitte zwischen der tropischen
und der arktischen Zone. Es vermittelt in der Geschichte den Uebergang der ältesten,
blos potamischen Culturcntwicklung in den Reichen am Tigris, Euphrat und Nil
mit der oceanischen der neuen Zeit. An ihm erblühte das griechische Leben, an ihm
bildete sich das römische Weltreich zur Amphiktyonie aller alten Völker, an ihm
berührten sich die romanischen, germanischen und semitischen Stämme, die edelsten
Zweige der kaukasischen Race, unsere gesammte religiöse und künstlerische Bildung
hat an seinen Gestaden ihre Wurzeln. Die Bedeutung dieses Meeres nach ihren
verschiedenen Beziehungen zu prüfen, dasselbe in seiner physischen und historischen
Lebendigkeit zu schildern, ist somit unzweifelhaft eine schöne und lohnende Aufgabe, und
wir glauben, nach dem, was der Verfasser in ähnlichen Dingen bereits geleistet,
so wie nach der Weise, in der er seinen Gegenstand in dieser ersten Lieferung be¬
handelt, daß diese Ausgabe hier auch in den rechten Händen ist. Derselbe betrachtet
jn den uns vorliegenden ersten Abschnitten mit Benutzung von Admiral Smyths


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/86>, abgerufen am 05.05.2024.