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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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In den meisten Ländern sind, so viel wir wissen, die verschiedenen Ge¬
meindeeinnahmen, so wie die Ausgaben in genau geschiedene Classen ge¬
trennt; jedenfalls würden die Ablösungscapitalien der Classe der mit Grund¬
besitz angesessenen Angehörigen entnommen, deren Zinsen in dieser Classe
bestritten, und ebenso die durch Verpachtung der Jagden erzielt werdenden
Beträge dieser Classe in Einnahme überwiesen werden.

Begrüßen wir das auf diesem Felde sich zeigende Bestreben, alle Mi߬
stände, welche die Jahre 1848 und 1849 zurückgelassen haben, in möglichst un¬
parteiischer Weise auszugleichen, mit Anerkennung. Es wird dieses von
gedeihlicheren Folgen für die betreffenden Staaten sein, als wenn zu Werke
gegangen wird wie in Kurhessen, wo man die Jagden ohne weiteres zurück¬
nahm und an irgend eine Entschädigung nicht dachte. Hoffen wir, daß man
anderwärts ein Bruchstück aus der unglücklichen Geschichte dieses Landes nicht
nachzuspielen versuchen wird.




Guizots Denkwürdigkeiten.

MöMmrss xour servir Ä, l'bistoirö as mon tsmxs. ?ar U. Vuinot. tous II.
I^eix-zig, I". ^. LroeKbÄus. --

Wenn der erste Band dieser Memoiren hauptsächlich dazu diente, die
politischen Doctrinen des Verfassers auseinanderzusetzen, so hat der zweite
einen wesentlich verschiedenen Charakter. Die Theorie tritt nur in der Ein¬
leitung aus, die hauptsächlichen Thatsachen sind im Wesentlichen nicht anders
dargestellt, als man sie schon in den bekannten Geschichtsbüchern findet und
über den innern Organismus der Geschäfte erfährt man nichts Bestimmtes.
Dagegen ist die Physiognomie der hervorragenden Persönlichkeiten mit vielem
Geschick ausgemalt, durchweg pikant, nicht selten boshaft, und es läßt sich
im Allgemeinen annehmen, daß die Porträts getroffen sind.

Als Guizot im Juli 1830 nach Paris kam, um sich an der bekannten
Adresse an den Herzog von Orleans zu betheiligen, war die Revolution be¬
reits in vollem Gange. Der eine Theil der Sieger, und zwar derjenige, der
sich hauptsächlich am Kampf betheiligt hatte, wollte eine ganz neue Verfassung
gründen und dieselbe dem kraft der Volkssouveränetät erwählten König auf¬
nöthigen; der andere Theil hielt zwar nach der Flucht der ältern Linie Bour-
bon den Thron für erledigt, glaubte aber, daß infolge dessen Ludwig Philipp


In den meisten Ländern sind, so viel wir wissen, die verschiedenen Ge¬
meindeeinnahmen, so wie die Ausgaben in genau geschiedene Classen ge¬
trennt; jedenfalls würden die Ablösungscapitalien der Classe der mit Grund¬
besitz angesessenen Angehörigen entnommen, deren Zinsen in dieser Classe
bestritten, und ebenso die durch Verpachtung der Jagden erzielt werdenden
Beträge dieser Classe in Einnahme überwiesen werden.

Begrüßen wir das auf diesem Felde sich zeigende Bestreben, alle Mi߬
stände, welche die Jahre 1848 und 1849 zurückgelassen haben, in möglichst un¬
parteiischer Weise auszugleichen, mit Anerkennung. Es wird dieses von
gedeihlicheren Folgen für die betreffenden Staaten sein, als wenn zu Werke
gegangen wird wie in Kurhessen, wo man die Jagden ohne weiteres zurück¬
nahm und an irgend eine Entschädigung nicht dachte. Hoffen wir, daß man
anderwärts ein Bruchstück aus der unglücklichen Geschichte dieses Landes nicht
nachzuspielen versuchen wird.




Guizots Denkwürdigkeiten.

MöMmrss xour servir Ä, l'bistoirö as mon tsmxs. ?ar U. Vuinot. tous II.
I^eix-zig, I". ^. LroeKbÄus. —

Wenn der erste Band dieser Memoiren hauptsächlich dazu diente, die
politischen Doctrinen des Verfassers auseinanderzusetzen, so hat der zweite
einen wesentlich verschiedenen Charakter. Die Theorie tritt nur in der Ein¬
leitung aus, die hauptsächlichen Thatsachen sind im Wesentlichen nicht anders
dargestellt, als man sie schon in den bekannten Geschichtsbüchern findet und
über den innern Organismus der Geschäfte erfährt man nichts Bestimmtes.
Dagegen ist die Physiognomie der hervorragenden Persönlichkeiten mit vielem
Geschick ausgemalt, durchweg pikant, nicht selten boshaft, und es läßt sich
im Allgemeinen annehmen, daß die Porträts getroffen sind.

Als Guizot im Juli 1830 nach Paris kam, um sich an der bekannten
Adresse an den Herzog von Orleans zu betheiligen, war die Revolution be¬
reits in vollem Gange. Der eine Theil der Sieger, und zwar derjenige, der
sich hauptsächlich am Kampf betheiligt hatte, wollte eine ganz neue Verfassung
gründen und dieselbe dem kraft der Volkssouveränetät erwählten König auf¬
nöthigen; der andere Theil hielt zwar nach der Flucht der ältern Linie Bour-
bon den Thron für erledigt, glaubte aber, daß infolge dessen Ludwig Philipp


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/30>, abgerufen am 03.05.2024.