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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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Es versteht sich von selbst, daß die höchste Autorität, die den Krieg fuhrt, auch
die Kriegs- und Fncdcnsunterhandlungen leitet. -- In welchem Sinn, darüber wird
freilich zwischen den Souveränen (den Vollmachtgebern) und dem bevollmächtigten
Fürsten vorher eine Verständigung stattfinden müssen; aber von einem absolut bin¬
denden Mandat kann auch da keine Rede sein, da man die Ereignisse nicht vorher
berechnen kann. -- Sehr verwickelte, sehr unbequeme Verhältnisse auf beiden Sei¬
ten ; eine drückende Last des Vertrauens für Preußen, eine schwere Sorge über das
Geschick und den guten Willen des Bevollmächtigten bei den andern. -- Aber so
steht die Sache. Der deutsche Bund ist auf friedliche Verhältnisse berechnet, und
reicht dafür aus; aber-- silent IsZes inter arma! Und auf jeden Krieg muß doch
ein Friede folgen; die Friedensbedingungen festzustellen, dazu ist wiederum eine
Diplomatcnversammlung von dreißig Staaten nicht angethan.

Im Grund sieht das auch jeder ein; nur das Gefühl sträubt sich.

Und hier kann Preußen viel thun. Auch wir sind mit dem Gang der Regie¬
rung nicht ganz einverstanden. Sie ist viel besser als ihr Ruf, aber -- das ist
eben schlimm! Sie geht ruhig ihren Weg, ohne Ostentation -- vielleicht ein wenig
schwankend, aber doch im Ganzen in gerader Linie; sie ist sehr redlich deutsch --
die deutschen Hose wissen es sehr wohl, aber nicht das Volk --; sie ist opferbereit,
sie ist sehr gut gerüstet und kann in kürzester Frist sich nöthigenfalls allein mit
Frankreich messen. -- Aber das genügt nicht. Eine Zeit aufgeregten Gefühls will
nicht blos besonnenes Handeln, sie will Worte, Schaustellung, energische Action. --
Und darin ist Preußen, wie immer, sehr ungeschickt. -- Was hilft es, wenn die
Nationalzeitung und andere mit der Regierung in keiner Beziehung stehende preu¬
ßische Blätter mit dem Säbel rasselt und den Kolben aufstößt? was hilft es, wenn
gleich darauf die "Preußische Zeitung", das Organ der Regierung, gefühlvoll win¬
selt! -- Wenn wir den deutschen Staaten, in ihrem eignen und unserer aller Inter¬
esse, anempfehlen, sich der Führung Preußens anzuvertrauen -- wundern kann man
sich nicht, daß sie zögern; denn wenn man führen will, muß man zu gebieten wissen.
-- Preußen habe nur das Gefühl der eignen Kraft, und Deutschland wird bald
einig sein, auch wenn von Osten, Westen und Süden zugleich die Feinde vordringen.


1- t


Das Jubiläum der "Neuen Zeitschrift für Musik" -- bekanntlich das Organ
der Zukunftsmusiker, die sich jetzt als "wcimarische Schule" officiell constituirt haben,
gab Gelegenheit zu einer sehr umfangreichen musikalischen Schaustellung, in der
jene Schule alle ihre Kräfte entfaltete. Es ist im Lauf von vier oder fünf Tagen
so viel Musik gemacht worden, daß selbst der Leipziger, der in dieser Beziehung mehr
verträgt als irgend ein continentaler Europäer, zuletzt erschöpft zusammensank. Die
Berichte der hiesigen Kritiker beginnen und enden mit Stoßseufzern völliger Ermü¬
dung. -- Es hat natürlich auch an Festessen, Reden und constituirenden Versamm¬
lungen nicht gefehlt; die letzten sind, so weit uns bekannt, ohne erhebliche Wirkung


Es versteht sich von selbst, daß die höchste Autorität, die den Krieg fuhrt, auch
die Kriegs- und Fncdcnsunterhandlungen leitet. — In welchem Sinn, darüber wird
freilich zwischen den Souveränen (den Vollmachtgebern) und dem bevollmächtigten
Fürsten vorher eine Verständigung stattfinden müssen; aber von einem absolut bin¬
denden Mandat kann auch da keine Rede sein, da man die Ereignisse nicht vorher
berechnen kann. — Sehr verwickelte, sehr unbequeme Verhältnisse auf beiden Sei¬
ten ; eine drückende Last des Vertrauens für Preußen, eine schwere Sorge über das
Geschick und den guten Willen des Bevollmächtigten bei den andern. — Aber so
steht die Sache. Der deutsche Bund ist auf friedliche Verhältnisse berechnet, und
reicht dafür aus; aber— silent IsZes inter arma! Und auf jeden Krieg muß doch
ein Friede folgen; die Friedensbedingungen festzustellen, dazu ist wiederum eine
Diplomatcnversammlung von dreißig Staaten nicht angethan.

Im Grund sieht das auch jeder ein; nur das Gefühl sträubt sich.

Und hier kann Preußen viel thun. Auch wir sind mit dem Gang der Regie¬
rung nicht ganz einverstanden. Sie ist viel besser als ihr Ruf, aber — das ist
eben schlimm! Sie geht ruhig ihren Weg, ohne Ostentation — vielleicht ein wenig
schwankend, aber doch im Ganzen in gerader Linie; sie ist sehr redlich deutsch —
die deutschen Hose wissen es sehr wohl, aber nicht das Volk —; sie ist opferbereit,
sie ist sehr gut gerüstet und kann in kürzester Frist sich nöthigenfalls allein mit
Frankreich messen. — Aber das genügt nicht. Eine Zeit aufgeregten Gefühls will
nicht blos besonnenes Handeln, sie will Worte, Schaustellung, energische Action. —
Und darin ist Preußen, wie immer, sehr ungeschickt. — Was hilft es, wenn die
Nationalzeitung und andere mit der Regierung in keiner Beziehung stehende preu¬
ßische Blätter mit dem Säbel rasselt und den Kolben aufstößt? was hilft es, wenn
gleich darauf die „Preußische Zeitung", das Organ der Regierung, gefühlvoll win¬
selt! — Wenn wir den deutschen Staaten, in ihrem eignen und unserer aller Inter¬
esse, anempfehlen, sich der Führung Preußens anzuvertrauen — wundern kann man
sich nicht, daß sie zögern; denn wenn man führen will, muß man zu gebieten wissen.
— Preußen habe nur das Gefühl der eignen Kraft, und Deutschland wird bald
einig sein, auch wenn von Osten, Westen und Süden zugleich die Feinde vordringen.


1- t


Das Jubiläum der „Neuen Zeitschrift für Musik" — bekanntlich das Organ
der Zukunftsmusiker, die sich jetzt als „wcimarische Schule" officiell constituirt haben,
gab Gelegenheit zu einer sehr umfangreichen musikalischen Schaustellung, in der
jene Schule alle ihre Kräfte entfaltete. Es ist im Lauf von vier oder fünf Tagen
so viel Musik gemacht worden, daß selbst der Leipziger, der in dieser Beziehung mehr
verträgt als irgend ein continentaler Europäer, zuletzt erschöpft zusammensank. Die
Berichte der hiesigen Kritiker beginnen und enden mit Stoßseufzern völliger Ermü¬
dung. — Es hat natürlich auch an Festessen, Reden und constituirenden Versamm¬
lungen nicht gefehlt; die letzten sind, so weit uns bekannt, ohne erhebliche Wirkung


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[0449] Es versteht sich von selbst, daß die höchste Autorität, die den Krieg fuhrt, auch die Kriegs- und Fncdcnsunterhandlungen leitet. — In welchem Sinn, darüber wird freilich zwischen den Souveränen (den Vollmachtgebern) und dem bevollmächtigten Fürsten vorher eine Verständigung stattfinden müssen; aber von einem absolut bin¬ denden Mandat kann auch da keine Rede sein, da man die Ereignisse nicht vorher berechnen kann. — Sehr verwickelte, sehr unbequeme Verhältnisse auf beiden Sei¬ ten ; eine drückende Last des Vertrauens für Preußen, eine schwere Sorge über das Geschick und den guten Willen des Bevollmächtigten bei den andern. — Aber so steht die Sache. Der deutsche Bund ist auf friedliche Verhältnisse berechnet, und reicht dafür aus; aber— silent IsZes inter arma! Und auf jeden Krieg muß doch ein Friede folgen; die Friedensbedingungen festzustellen, dazu ist wiederum eine Diplomatcnversammlung von dreißig Staaten nicht angethan. Im Grund sieht das auch jeder ein; nur das Gefühl sträubt sich. Und hier kann Preußen viel thun. Auch wir sind mit dem Gang der Regie¬ rung nicht ganz einverstanden. Sie ist viel besser als ihr Ruf, aber — das ist eben schlimm! Sie geht ruhig ihren Weg, ohne Ostentation — vielleicht ein wenig schwankend, aber doch im Ganzen in gerader Linie; sie ist sehr redlich deutsch — die deutschen Hose wissen es sehr wohl, aber nicht das Volk —; sie ist opferbereit, sie ist sehr gut gerüstet und kann in kürzester Frist sich nöthigenfalls allein mit Frankreich messen. — Aber das genügt nicht. Eine Zeit aufgeregten Gefühls will nicht blos besonnenes Handeln, sie will Worte, Schaustellung, energische Action. — Und darin ist Preußen, wie immer, sehr ungeschickt. — Was hilft es, wenn die Nationalzeitung und andere mit der Regierung in keiner Beziehung stehende preu¬ ßische Blätter mit dem Säbel rasselt und den Kolben aufstößt? was hilft es, wenn gleich darauf die „Preußische Zeitung", das Organ der Regierung, gefühlvoll win¬ selt! — Wenn wir den deutschen Staaten, in ihrem eignen und unserer aller Inter¬ esse, anempfehlen, sich der Führung Preußens anzuvertrauen — wundern kann man sich nicht, daß sie zögern; denn wenn man führen will, muß man zu gebieten wissen. — Preußen habe nur das Gefühl der eignen Kraft, und Deutschland wird bald einig sein, auch wenn von Osten, Westen und Süden zugleich die Feinde vordringen. 1- t Das Jubiläum der „Neuen Zeitschrift für Musik" — bekanntlich das Organ der Zukunftsmusiker, die sich jetzt als „wcimarische Schule" officiell constituirt haben, gab Gelegenheit zu einer sehr umfangreichen musikalischen Schaustellung, in der jene Schule alle ihre Kräfte entfaltete. Es ist im Lauf von vier oder fünf Tagen so viel Musik gemacht worden, daß selbst der Leipziger, der in dieser Beziehung mehr verträgt als irgend ein continentaler Europäer, zuletzt erschöpft zusammensank. Die Berichte der hiesigen Kritiker beginnen und enden mit Stoßseufzern völliger Ermü¬ dung. — Es hat natürlich auch an Festessen, Reden und constituirenden Versamm¬ lungen nicht gefehlt; die letzten sind, so weit uns bekannt, ohne erhebliche Wirkung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/449>, abgerufen am 02.05.2024.