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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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Ausblicke auf den Kriegsschauplatz.
4.

Als der Feldzeugmeister Giulay das rechte Sesiaufer und Vercelli auf.
gab. die Brücke von Vercelli sprengen ließ, sein Hauptquartier nach Garlasco
verlegte, eine große Recognoscirung am rechten Poufer auf Montebello anord¬
nete, Dinge, welche alle zusammen auf die beiden Tage des 19. und 20. Mai
fallen, da mußte man meinen, daß er jetzt endlich zu einem festen Entschluß
gekommen sei und man konnte über diesen Entschluß selbst kaum in Zweifel
bleiben: an der Sesia und am linken Poufer von der Sesia bis zur Scrivia-
mündung eine zähe und hartnäckige Defensive, geführt mit verhältnißmäßig
geringer Kraft, aber mit zuverlässigen Truppen, dagegen Concentrirung der
Hauptmacht am rechten Poufer und hier gestützt auf Piacenza eine energische
Offensive gegen Alessandria hin.

Freilich mußte man sich sagen, daß dieser Entschluß, der einzig ver¬
nünftige beim Beginn des Kampfes, zur Rechtfertigung des diplomatischen
Ultimatums absolut nothwendig, jetzt ein wenig spät kam, daß seine Aus¬
führung jetzt nothwendig auf größere Schwierigkeiten stoßen mußte, als da¬
mals, daß die Wahrscheinlichkeit eines Sieges jetzt minder groß war als da¬
mals. Aber man konnte auch vielleicht dem entgegnen, daß jetzt ein Sieg,
wenn er gewonnen ward, eben weil er über größere und besser organisirte
Truppenmassen davongetragen werden mußte, viel entscheidender wirken konnte.

Doch es blieb bei der Recognoscirung von Montebello. Giulay kam
langsam zu einem Entschluß und die Bedenklichkeiten gewannen stets die
Ueberhand, wo es eben auf verdoppelte Schnelligkeit angekommen wäre. Er-
muthigt durch das Zurückziehen der östreichischen Truppen hinter die Sesia über¬
schritten die Piemontesen.ihrerseits den Po, gingen an das linke Ufer dieses Flusses
und begannen vom 21. Mai ab Uebergangsdemonstrationen; an diesem Tage
und am folgenden kam es bereits zu Gefechten am linken Sesiaufer; am 25.
zu einer Kanonade an dem untern Laufe des Flusses in der Gegend von
Candia. Indessen war dies alles nicht recht ernst gemeint, es war ein Herum-


Grenzboten II. 1859. 61
Ausblicke auf den Kriegsschauplatz.
4.

Als der Feldzeugmeister Giulay das rechte Sesiaufer und Vercelli auf.
gab. die Brücke von Vercelli sprengen ließ, sein Hauptquartier nach Garlasco
verlegte, eine große Recognoscirung am rechten Poufer auf Montebello anord¬
nete, Dinge, welche alle zusammen auf die beiden Tage des 19. und 20. Mai
fallen, da mußte man meinen, daß er jetzt endlich zu einem festen Entschluß
gekommen sei und man konnte über diesen Entschluß selbst kaum in Zweifel
bleiben: an der Sesia und am linken Poufer von der Sesia bis zur Scrivia-
mündung eine zähe und hartnäckige Defensive, geführt mit verhältnißmäßig
geringer Kraft, aber mit zuverlässigen Truppen, dagegen Concentrirung der
Hauptmacht am rechten Poufer und hier gestützt auf Piacenza eine energische
Offensive gegen Alessandria hin.

Freilich mußte man sich sagen, daß dieser Entschluß, der einzig ver¬
nünftige beim Beginn des Kampfes, zur Rechtfertigung des diplomatischen
Ultimatums absolut nothwendig, jetzt ein wenig spät kam, daß seine Aus¬
führung jetzt nothwendig auf größere Schwierigkeiten stoßen mußte, als da¬
mals, daß die Wahrscheinlichkeit eines Sieges jetzt minder groß war als da¬
mals. Aber man konnte auch vielleicht dem entgegnen, daß jetzt ein Sieg,
wenn er gewonnen ward, eben weil er über größere und besser organisirte
Truppenmassen davongetragen werden mußte, viel entscheidender wirken konnte.

Doch es blieb bei der Recognoscirung von Montebello. Giulay kam
langsam zu einem Entschluß und die Bedenklichkeiten gewannen stets die
Ueberhand, wo es eben auf verdoppelte Schnelligkeit angekommen wäre. Er-
muthigt durch das Zurückziehen der östreichischen Truppen hinter die Sesia über¬
schritten die Piemontesen.ihrerseits den Po, gingen an das linke Ufer dieses Flusses
und begannen vom 21. Mai ab Uebergangsdemonstrationen; an diesem Tage
und am folgenden kam es bereits zu Gefechten am linken Sesiaufer; am 25.
zu einer Kanonade an dem untern Laufe des Flusses in der Gegend von
Candia. Indessen war dies alles nicht recht ernst gemeint, es war ein Herum-


Grenzboten II. 1859. 61
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[0491] Ausblicke auf den Kriegsschauplatz. 4. Als der Feldzeugmeister Giulay das rechte Sesiaufer und Vercelli auf. gab. die Brücke von Vercelli sprengen ließ, sein Hauptquartier nach Garlasco verlegte, eine große Recognoscirung am rechten Poufer auf Montebello anord¬ nete, Dinge, welche alle zusammen auf die beiden Tage des 19. und 20. Mai fallen, da mußte man meinen, daß er jetzt endlich zu einem festen Entschluß gekommen sei und man konnte über diesen Entschluß selbst kaum in Zweifel bleiben: an der Sesia und am linken Poufer von der Sesia bis zur Scrivia- mündung eine zähe und hartnäckige Defensive, geführt mit verhältnißmäßig geringer Kraft, aber mit zuverlässigen Truppen, dagegen Concentrirung der Hauptmacht am rechten Poufer und hier gestützt auf Piacenza eine energische Offensive gegen Alessandria hin. Freilich mußte man sich sagen, daß dieser Entschluß, der einzig ver¬ nünftige beim Beginn des Kampfes, zur Rechtfertigung des diplomatischen Ultimatums absolut nothwendig, jetzt ein wenig spät kam, daß seine Aus¬ führung jetzt nothwendig auf größere Schwierigkeiten stoßen mußte, als da¬ mals, daß die Wahrscheinlichkeit eines Sieges jetzt minder groß war als da¬ mals. Aber man konnte auch vielleicht dem entgegnen, daß jetzt ein Sieg, wenn er gewonnen ward, eben weil er über größere und besser organisirte Truppenmassen davongetragen werden mußte, viel entscheidender wirken konnte. Doch es blieb bei der Recognoscirung von Montebello. Giulay kam langsam zu einem Entschluß und die Bedenklichkeiten gewannen stets die Ueberhand, wo es eben auf verdoppelte Schnelligkeit angekommen wäre. Er- muthigt durch das Zurückziehen der östreichischen Truppen hinter die Sesia über¬ schritten die Piemontesen.ihrerseits den Po, gingen an das linke Ufer dieses Flusses und begannen vom 21. Mai ab Uebergangsdemonstrationen; an diesem Tage und am folgenden kam es bereits zu Gefechten am linken Sesiaufer; am 25. zu einer Kanonade an dem untern Laufe des Flusses in der Gegend von Candia. Indessen war dies alles nicht recht ernst gemeint, es war ein Herum- Grenzboten II. 1859. 61

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/491>, abgerufen am 02.05.2024.