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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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Es wird in dieser Beziehung verschiedenes erzählt. Bald soll der König
von Sardinien darauf gedrungen haben, daß die gan^e Armee vorgehe, um
seinen General Garibaldi loszumachen, bald um endlich die Lombarden, die
sich bereits für ihn erhoben hatten und den höchsten Drangsalen von Seiten
der Oestreicher ausgesetzt waren, von diesen zu befreien; bald soll Napoleon
der Dritte selbst mit eifersüchtigen Blick gesehen haben, daß der alte Republi¬
kaner Garibaldi zuerst lombardischen Boden betrat. Was nun das Wahre
immer sein möge, wir halten dies alles für richtig. Es kam Napoleon dem
Dritten schließlich auf den kürzesten Weg nach Mailand lind denjenigen Weg
an. auf welchem er den mindesten Widerstand fand. Dies war fürs erste
unzweifelhaft der Weg über Novara; aber er blieb nichtsdestoweniger der ge¬
fährlichste und der im Glücksfall am wenigsten entscheidende. Er war nur
dann durchaus nicht gefährlich, wenn Napoleon der Dritte seinen Gegner
völlig erkannt hatte. War es so? Unmöglich ist das nicht. Wir werden das
Weitere in der Erzählung der Schlacht von Magenta zusammenfassen.


5.

Noch im Laufe des 2. Juni sendete Napoleon der Dritte die Division
der Voltigeurs der Garde (Canon), dreizehn Bataillone mit den nöthigen
Brückentrains aus der Straße über Galliate von Novara an den Tessin, um
dort einige Brücken über den Fluß zu werfen. Der Punkt, wo dies geschehn
sollte, heißt von einer alten Brücke und dem östlich des Flusses gelegenen
Dorfe Turbigo Ponte ti Turbigo, er liegt etwa zwei Stunden von Novara
und ebenso weit von S. Martino, wo der Eisenbahndamm von Novara nach
Mailand den Tessin kreuzt. Die Brücke an letzterem Punkte wird bald die
Brücke von S. Martino, bald -- letzteres gewöhnlicher -- die Brücke von
Buffalora von dem am östlichen Ufer gelegenen Dorfe dieses Namens genannt.
Ueberschreitet man sie in der Richtung von Novara nach Mailand, so kreuzt
man 4000 Schritt östlich des Tessin den großen Kanal (Mviglio gianäL),
welcher den Tessin bei Tornavento mit Mailand verbindet, noch 3500 Schritte
weiter östlich liegt das Dorf Magenta. Zwischen der Brücke von Buffalora
und Magenta ist die Eisenbahn noch nicht fahrbar.

Die Stelle des Tessin, welche die Franzosen zum Brückenschlag bei Tur¬
bigo gewählt hatten, macht einen gegen die Lombardei hin geöffneten Bogen;
sie erfüllte also für eine Armee, die von Westen herkam, eine der wesentlichsten
Bedingungen für einen Flußübergang.

Die Division Canon fand bei Turbigo keinen Feind, drei Brücken wur¬
den hier ohne Widerstand in der Nacht vom 2. auf den 3. Juni über den
Fluß geworfen.


Grenzboten II. 1859. 62

Es wird in dieser Beziehung verschiedenes erzählt. Bald soll der König
von Sardinien darauf gedrungen haben, daß die gan^e Armee vorgehe, um
seinen General Garibaldi loszumachen, bald um endlich die Lombarden, die
sich bereits für ihn erhoben hatten und den höchsten Drangsalen von Seiten
der Oestreicher ausgesetzt waren, von diesen zu befreien; bald soll Napoleon
der Dritte selbst mit eifersüchtigen Blick gesehen haben, daß der alte Republi¬
kaner Garibaldi zuerst lombardischen Boden betrat. Was nun das Wahre
immer sein möge, wir halten dies alles für richtig. Es kam Napoleon dem
Dritten schließlich auf den kürzesten Weg nach Mailand lind denjenigen Weg
an. auf welchem er den mindesten Widerstand fand. Dies war fürs erste
unzweifelhaft der Weg über Novara; aber er blieb nichtsdestoweniger der ge¬
fährlichste und der im Glücksfall am wenigsten entscheidende. Er war nur
dann durchaus nicht gefährlich, wenn Napoleon der Dritte seinen Gegner
völlig erkannt hatte. War es so? Unmöglich ist das nicht. Wir werden das
Weitere in der Erzählung der Schlacht von Magenta zusammenfassen.


5.

Noch im Laufe des 2. Juni sendete Napoleon der Dritte die Division
der Voltigeurs der Garde (Canon), dreizehn Bataillone mit den nöthigen
Brückentrains aus der Straße über Galliate von Novara an den Tessin, um
dort einige Brücken über den Fluß zu werfen. Der Punkt, wo dies geschehn
sollte, heißt von einer alten Brücke und dem östlich des Flusses gelegenen
Dorfe Turbigo Ponte ti Turbigo, er liegt etwa zwei Stunden von Novara
und ebenso weit von S. Martino, wo der Eisenbahndamm von Novara nach
Mailand den Tessin kreuzt. Die Brücke an letzterem Punkte wird bald die
Brücke von S. Martino, bald — letzteres gewöhnlicher — die Brücke von
Buffalora von dem am östlichen Ufer gelegenen Dorfe dieses Namens genannt.
Ueberschreitet man sie in der Richtung von Novara nach Mailand, so kreuzt
man 4000 Schritt östlich des Tessin den großen Kanal (Mviglio gianäL),
welcher den Tessin bei Tornavento mit Mailand verbindet, noch 3500 Schritte
weiter östlich liegt das Dorf Magenta. Zwischen der Brücke von Buffalora
und Magenta ist die Eisenbahn noch nicht fahrbar.

Die Stelle des Tessin, welche die Franzosen zum Brückenschlag bei Tur¬
bigo gewählt hatten, macht einen gegen die Lombardei hin geöffneten Bogen;
sie erfüllte also für eine Armee, die von Westen herkam, eine der wesentlichsten
Bedingungen für einen Flußübergang.

Die Division Canon fand bei Turbigo keinen Feind, drei Brücken wur¬
den hier ohne Widerstand in der Nacht vom 2. auf den 3. Juni über den
Fluß geworfen.


Grenzboten II. 1859. 62
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/499>, abgerufen am 03.05.2024.