Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Erzgebirgen
2.
Der Bergbau und die Bergleute.

Die Hauptstadt des sächsischen Erzgebirgs hat wahrscheinlich den größten
Weltruf von allen Städten Sachsens. In den sibirischen Gebirgen, aus den
panischen Sierren, selbst in den fernen Thälern der Anden und Cordilleren
^ Freiberg ein wohlbekannter Name. Und das ist kein wohlfeiler Ruf,
solcher, den man dem Glück, der Natur, nicht sich selbst verdankt. Vom
Zwölften Jahrhundert an bis jetzt hat man im Erzgebirg für etwa 250 Millio¬
nen Thaler Silber gewonnen. Das ist eine Ausbeute an Geldeswerth, die ungefähr
Ausbeute gleichkommt, welche die kalifornischen Minen in fünf Jahren ge¬
währen. Aber der Ruf des erzgebirgischen Bergbaues gründet sich nicht so
^)r auf die Ergiebigkeit seiner Silberadern, als auf den Verstand und die
^gönnten derer, die ihn betreiben.

Die frühzeitige Erschöpfung der in den obern Teufen liegenden Mineral¬
schütze zwang die Erzgebirger, in die Tiefe zu dringen, um den Bau der Erz¬
ürn und der Erdrinde überhaupt zu erforschen. Die Schwierigkeit der Nein-
^Ustcllung des Silbers aus den Erzen war ein Sporn zur Vervollkommnung
^ chemischen Theils der Bergwissenschaft. Die gefahrdrohenden Wasser der
Schachte drängten zur Aufbietung gewaltiger Mittel des Widerstandes. Grade
letzter Beziehung, in der Bewältigung des Wassers durch das Wasser, er¬
äugen die Erzgebirger ihre größten Triumphe. Von der schlichtesten Pumpe
^ zur riesenhaftesten Wassersäulenmaschine findet man hier eine wahre Muster-
^nnnlung hydraulischer Apparate, aber was anderwärts der Dampf oder die
Mpielige Menschenhand besorgt, muß hier meist das nicht reichliche ober-
'^>>che Gewässer verrichten. Das Büchlein, das eben in einem Pochwerk thätig
muß alsbald wieder das Rad einer Pumpe treiben, von diesem füllt es
Schacht hinab auf ein zweites, von dort wol noch aus ein drittes Rad,
"ut kaum durch den Stollen entlassen, sieht sichs in einer benachbarten Grube
Arbeit eingefangen. Die kleinen Gewässer der sreiberger Gegend treiben
"'ehe weniger als 200 Wasserräder mit etwa 1000 Pferdekrüsten.

Bei weitem großartiger sind die Entwässerungsmittel, die das Erzgebirg
!^/^um Stollen besitzt. Ein im Bau begriffener Riesentunnel, der roth-
chvnbcrger Stollen, der die Wasser sämmtlicher Gruben des sreiberger Ne-
^'s ableiten soll, wird zwei deutsche Meilen lang werden, und zwei alte
eiverger Stollen sind mit ihren Krümmungen und Seitenzweigen gar zwar-
°'g Meilen lang. Kein anderes Land besitzt solche gewaltige Drainirungs-
Mlten. Schwerlich ist ein anderes Gebirg so vielfach unterhöhlt worden.


Die Erzgebirgen
2.
Der Bergbau und die Bergleute.

Die Hauptstadt des sächsischen Erzgebirgs hat wahrscheinlich den größten
Weltruf von allen Städten Sachsens. In den sibirischen Gebirgen, aus den
panischen Sierren, selbst in den fernen Thälern der Anden und Cordilleren
^ Freiberg ein wohlbekannter Name. Und das ist kein wohlfeiler Ruf,
solcher, den man dem Glück, der Natur, nicht sich selbst verdankt. Vom
Zwölften Jahrhundert an bis jetzt hat man im Erzgebirg für etwa 250 Millio¬
nen Thaler Silber gewonnen. Das ist eine Ausbeute an Geldeswerth, die ungefähr
Ausbeute gleichkommt, welche die kalifornischen Minen in fünf Jahren ge¬
währen. Aber der Ruf des erzgebirgischen Bergbaues gründet sich nicht so
^)r auf die Ergiebigkeit seiner Silberadern, als auf den Verstand und die
^gönnten derer, die ihn betreiben.

Die frühzeitige Erschöpfung der in den obern Teufen liegenden Mineral¬
schütze zwang die Erzgebirger, in die Tiefe zu dringen, um den Bau der Erz¬
ürn und der Erdrinde überhaupt zu erforschen. Die Schwierigkeit der Nein-
^Ustcllung des Silbers aus den Erzen war ein Sporn zur Vervollkommnung
^ chemischen Theils der Bergwissenschaft. Die gefahrdrohenden Wasser der
Schachte drängten zur Aufbietung gewaltiger Mittel des Widerstandes. Grade
letzter Beziehung, in der Bewältigung des Wassers durch das Wasser, er¬
äugen die Erzgebirger ihre größten Triumphe. Von der schlichtesten Pumpe
^ zur riesenhaftesten Wassersäulenmaschine findet man hier eine wahre Muster-
^nnnlung hydraulischer Apparate, aber was anderwärts der Dampf oder die
Mpielige Menschenhand besorgt, muß hier meist das nicht reichliche ober-
'^>>che Gewässer verrichten. Das Büchlein, das eben in einem Pochwerk thätig
muß alsbald wieder das Rad einer Pumpe treiben, von diesem füllt es
Schacht hinab auf ein zweites, von dort wol noch aus ein drittes Rad,
"ut kaum durch den Stollen entlassen, sieht sichs in einer benachbarten Grube
Arbeit eingefangen. Die kleinen Gewässer der sreiberger Gegend treiben
"'ehe weniger als 200 Wasserräder mit etwa 1000 Pferdekrüsten.

Bei weitem großartiger sind die Entwässerungsmittel, die das Erzgebirg
!^/^um Stollen besitzt. Ein im Bau begriffener Riesentunnel, der roth-
chvnbcrger Stollen, der die Wasser sämmtlicher Gruben des sreiberger Ne-
^'s ableiten soll, wird zwei deutsche Meilen lang werden, und zwei alte
eiverger Stollen sind mit ihren Krümmungen und Seitenzweigen gar zwar-
°'g Meilen lang. Kein anderes Land besitzt solche gewaltige Drainirungs-
Mlten. Schwerlich ist ein anderes Gebirg so vielfach unterhöhlt worden.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0157" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107743"/>
            </div>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Erzgebirgen</head><lb/>
          <div n="2">
            <head> 2.<lb/>
Der Bergbau und die Bergleute.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_511"> Die Hauptstadt des sächsischen Erzgebirgs hat wahrscheinlich den größten<lb/>
Weltruf von allen Städten Sachsens. In den sibirischen Gebirgen, aus den<lb/>
panischen Sierren, selbst in den fernen Thälern der Anden und Cordilleren<lb/>
^ Freiberg ein wohlbekannter Name.  Und das ist kein wohlfeiler Ruf,<lb/>
solcher, den man dem Glück, der Natur, nicht sich selbst verdankt. Vom<lb/>
Zwölften Jahrhundert an bis jetzt hat man im Erzgebirg für etwa 250 Millio¬<lb/>
nen Thaler Silber gewonnen. Das ist eine Ausbeute an Geldeswerth, die ungefähr<lb/>
Ausbeute gleichkommt, welche die kalifornischen Minen in fünf Jahren ge¬<lb/>
währen.  Aber der Ruf des erzgebirgischen Bergbaues gründet sich nicht so<lb/>
^)r auf die Ergiebigkeit seiner Silberadern, als auf den Verstand und die<lb/>
^gönnten derer, die ihn betreiben.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_512"> Die frühzeitige Erschöpfung der in den obern Teufen liegenden Mineral¬<lb/>
schütze zwang die Erzgebirger, in die Tiefe zu dringen, um den Bau der Erz¬<lb/>
ürn und der Erdrinde überhaupt zu erforschen.  Die Schwierigkeit der Nein-<lb/>
^Ustcllung des Silbers aus den Erzen war ein Sporn zur Vervollkommnung<lb/>
^ chemischen Theils der Bergwissenschaft.  Die gefahrdrohenden Wasser der<lb/>
Schachte drängten zur Aufbietung gewaltiger Mittel des Widerstandes. Grade<lb/>
letzter Beziehung, in der Bewältigung des Wassers durch das Wasser, er¬<lb/>
äugen die Erzgebirger ihre größten Triumphe.  Von der schlichtesten Pumpe<lb/>
^ zur riesenhaftesten Wassersäulenmaschine findet man hier eine wahre Muster-<lb/>
^nnnlung hydraulischer Apparate, aber was anderwärts der Dampf oder die<lb/>
Mpielige Menschenhand besorgt, muß hier meist das nicht reichliche ober-<lb/>
'^&gt;&gt;che Gewässer verrichten.  Das Büchlein, das eben in einem Pochwerk thätig<lb/>
muß alsbald wieder das Rad einer Pumpe treiben, von diesem füllt es<lb/>
Schacht hinab auf ein zweites, von dort wol noch aus ein drittes Rad,<lb/>
"ut kaum durch den Stollen entlassen, sieht sichs in einer benachbarten Grube<lb/>
Arbeit eingefangen.  Die kleinen Gewässer der sreiberger Gegend treiben<lb/>
"'ehe weniger als 200 Wasserräder mit etwa 1000 Pferdekrüsten.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_513" next="#ID_514"> Bei weitem großartiger sind die Entwässerungsmittel, die das Erzgebirg<lb/>
!^/^um Stollen besitzt.  Ein im Bau begriffener Riesentunnel, der roth-<lb/>
chvnbcrger Stollen, der die Wasser sämmtlicher Gruben des sreiberger Ne-<lb/>
^'s ableiten soll, wird zwei deutsche Meilen lang werden, und zwei alte<lb/>
eiverger Stollen sind mit ihren Krümmungen und Seitenzweigen gar zwar-<lb/>
°'g Meilen lang.  Kein anderes Land besitzt solche gewaltige Drainirungs-<lb/>
Mlten.  Schwerlich ist ein anderes Gebirg so vielfach unterhöhlt worden.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0157] Die Erzgebirgen 2. Der Bergbau und die Bergleute. Die Hauptstadt des sächsischen Erzgebirgs hat wahrscheinlich den größten Weltruf von allen Städten Sachsens. In den sibirischen Gebirgen, aus den panischen Sierren, selbst in den fernen Thälern der Anden und Cordilleren ^ Freiberg ein wohlbekannter Name. Und das ist kein wohlfeiler Ruf, solcher, den man dem Glück, der Natur, nicht sich selbst verdankt. Vom Zwölften Jahrhundert an bis jetzt hat man im Erzgebirg für etwa 250 Millio¬ nen Thaler Silber gewonnen. Das ist eine Ausbeute an Geldeswerth, die ungefähr Ausbeute gleichkommt, welche die kalifornischen Minen in fünf Jahren ge¬ währen. Aber der Ruf des erzgebirgischen Bergbaues gründet sich nicht so ^)r auf die Ergiebigkeit seiner Silberadern, als auf den Verstand und die ^gönnten derer, die ihn betreiben. Die frühzeitige Erschöpfung der in den obern Teufen liegenden Mineral¬ schütze zwang die Erzgebirger, in die Tiefe zu dringen, um den Bau der Erz¬ ürn und der Erdrinde überhaupt zu erforschen. Die Schwierigkeit der Nein- ^Ustcllung des Silbers aus den Erzen war ein Sporn zur Vervollkommnung ^ chemischen Theils der Bergwissenschaft. Die gefahrdrohenden Wasser der Schachte drängten zur Aufbietung gewaltiger Mittel des Widerstandes. Grade letzter Beziehung, in der Bewältigung des Wassers durch das Wasser, er¬ äugen die Erzgebirger ihre größten Triumphe. Von der schlichtesten Pumpe ^ zur riesenhaftesten Wassersäulenmaschine findet man hier eine wahre Muster- ^nnnlung hydraulischer Apparate, aber was anderwärts der Dampf oder die Mpielige Menschenhand besorgt, muß hier meist das nicht reichliche ober- '^>>che Gewässer verrichten. Das Büchlein, das eben in einem Pochwerk thätig muß alsbald wieder das Rad einer Pumpe treiben, von diesem füllt es Schacht hinab auf ein zweites, von dort wol noch aus ein drittes Rad, "ut kaum durch den Stollen entlassen, sieht sichs in einer benachbarten Grube Arbeit eingefangen. Die kleinen Gewässer der sreiberger Gegend treiben "'ehe weniger als 200 Wasserräder mit etwa 1000 Pferdekrüsten. Bei weitem großartiger sind die Entwässerungsmittel, die das Erzgebirg !^/^um Stollen besitzt. Ein im Bau begriffener Riesentunnel, der roth- chvnbcrger Stollen, der die Wasser sämmtlicher Gruben des sreiberger Ne- ^'s ableiten soll, wird zwei deutsche Meilen lang werden, und zwei alte eiverger Stollen sind mit ihren Krümmungen und Seitenzweigen gar zwar- °'g Meilen lang. Kein anderes Land besitzt solche gewaltige Drainirungs- Mlten. Schwerlich ist ein anderes Gebirg so vielfach unterhöhlt worden.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/157
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/157>, abgerufen am 28.04.2024.