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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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nicht im eigentlichen Sinne des Worts für die Zukunft der Kirchenmusik wir¬
ken, wenn das Großartigste, was sie hervorgerufen, Gemeingut des Volkes
und ein fester Boden für weitere Entwicklung würde?

Ein zweiter Grund, warum die Singakademie keine größeren eignen Auf¬
führungen gibt, soll die Weigerung sein, für Geld zu singen. Auch dann, wenn
>ches G^d zu einem gemeinnützigen Zweck verwendet würde? Undenkbar --
es wäre ein gar nicht zu rechtfertigendes Vornehmthun. Und ein solcher gemein¬
nütziger Zweck erscheint durch die Aufstellung des halleschen Händeldenkmals
l^r Leipzig so nahe gelegt, jedermann kann auf die Idee verfallen, daß ein
würdiges Bachdenkmal Leipzig gar nicht übel stehen würde. Denn die kleine
verschnörkelte Denksäule vor der Thomasschule, aus deren Giebel Bachs Kopf
le aus einem Dachfenster herausguckt, ist von jeder Würde weit entfernt,
überdies ist sie nicht, wie es sein sollte, durch eine gemeinsame Mitthätigkeit des
°lkes, sondern nur durch die, allerdings sehr ehrenwerthe Pietät eines ein-
ielnen Künstlers (Mendelssohn) begründet. Es wäre eine vortreffliche Gelegen¬
heit, vielleicht in zwei jährlichen Concerten zu diesem Zweck Bach- und Händelsche
. ^e M geben -- so wie es Ernst damit würde, bliebe die Theilnahme keinen
Ngenblick aus. Dazu bedürfte die Singakademie allerdings wol einer gründ¬
en Reorganisation; zu den neuen Bedingungen müßte jedenfalls unbeschränk¬
te Freiheit des Kapellmeisters, als er sie bis jetzt gehabt zu haben scheint,
gehören. Auch der praktische Nutzen der Bach- und Händelausgaben würde
^gen; u)jx die halleschen Aufführungen zum Besten des Denkmals ähnliche
^ vncerte in andern Städten, die sonst vielleicht gar nicht daran gedacht hätten,
D. ^vorgerufen haben, würde es auch mit Leipzig der Fall sein.




er aus einem Tagebuch Johannes Falls im Jahre 18V8.

Die Herzogin Luise von Weimar erzählte ihr sehr ernsthaft, daß der
">er Krause, den Frau von Staöl kennen gelernt, am 14. October 1806
e Gänse rupfen, und dazu seine Brille gebrauchen müssen. Die Staöl
)'e: die Herzogin schien darüber befremdet: je of xuis in'emxeekei- as rirs
Votre ^liesse räh xarävimera -- un Komme <zal xlumiz ass vies avec
^ wriettes, ad, e'est tiox Zrvle!"

Sie sagte daraus weiter, sie könne nicht begreifen, wie die Herzogin in


nicht im eigentlichen Sinne des Worts für die Zukunft der Kirchenmusik wir¬
ken, wenn das Großartigste, was sie hervorgerufen, Gemeingut des Volkes
und ein fester Boden für weitere Entwicklung würde?

Ein zweiter Grund, warum die Singakademie keine größeren eignen Auf¬
führungen gibt, soll die Weigerung sein, für Geld zu singen. Auch dann, wenn
>ches G^d zu einem gemeinnützigen Zweck verwendet würde? Undenkbar —
es wäre ein gar nicht zu rechtfertigendes Vornehmthun. Und ein solcher gemein¬
nütziger Zweck erscheint durch die Aufstellung des halleschen Händeldenkmals
l^r Leipzig so nahe gelegt, jedermann kann auf die Idee verfallen, daß ein
würdiges Bachdenkmal Leipzig gar nicht übel stehen würde. Denn die kleine
verschnörkelte Denksäule vor der Thomasschule, aus deren Giebel Bachs Kopf
le aus einem Dachfenster herausguckt, ist von jeder Würde weit entfernt,
überdies ist sie nicht, wie es sein sollte, durch eine gemeinsame Mitthätigkeit des
°lkes, sondern nur durch die, allerdings sehr ehrenwerthe Pietät eines ein-
ielnen Künstlers (Mendelssohn) begründet. Es wäre eine vortreffliche Gelegen¬
heit, vielleicht in zwei jährlichen Concerten zu diesem Zweck Bach- und Händelsche
. ^e M geben — so wie es Ernst damit würde, bliebe die Theilnahme keinen
Ngenblick aus. Dazu bedürfte die Singakademie allerdings wol einer gründ¬
en Reorganisation; zu den neuen Bedingungen müßte jedenfalls unbeschränk¬
te Freiheit des Kapellmeisters, als er sie bis jetzt gehabt zu haben scheint,
gehören. Auch der praktische Nutzen der Bach- und Händelausgaben würde
^gen; u)jx die halleschen Aufführungen zum Besten des Denkmals ähnliche
^ vncerte in andern Städten, die sonst vielleicht gar nicht daran gedacht hätten,
D. ^vorgerufen haben, würde es auch mit Leipzig der Fall sein.




er aus einem Tagebuch Johannes Falls im Jahre 18V8.

Die Herzogin Luise von Weimar erzählte ihr sehr ernsthaft, daß der
">er Krause, den Frau von Staöl kennen gelernt, am 14. October 1806
e Gänse rupfen, und dazu seine Brille gebrauchen müssen. Die Staöl
)'e: die Herzogin schien darüber befremdet: je of xuis in'emxeekei- as rirs
Votre ^liesse räh xarävimera — un Komme <zal xlumiz ass vies avec
^ wriettes, ad, e'est tiox Zrvle!«

Sie sagte daraus weiter, sie könne nicht begreifen, wie die Herzogin in


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[0173] nicht im eigentlichen Sinne des Worts für die Zukunft der Kirchenmusik wir¬ ken, wenn das Großartigste, was sie hervorgerufen, Gemeingut des Volkes und ein fester Boden für weitere Entwicklung würde? Ein zweiter Grund, warum die Singakademie keine größeren eignen Auf¬ führungen gibt, soll die Weigerung sein, für Geld zu singen. Auch dann, wenn >ches G^d zu einem gemeinnützigen Zweck verwendet würde? Undenkbar — es wäre ein gar nicht zu rechtfertigendes Vornehmthun. Und ein solcher gemein¬ nütziger Zweck erscheint durch die Aufstellung des halleschen Händeldenkmals l^r Leipzig so nahe gelegt, jedermann kann auf die Idee verfallen, daß ein würdiges Bachdenkmal Leipzig gar nicht übel stehen würde. Denn die kleine verschnörkelte Denksäule vor der Thomasschule, aus deren Giebel Bachs Kopf le aus einem Dachfenster herausguckt, ist von jeder Würde weit entfernt, überdies ist sie nicht, wie es sein sollte, durch eine gemeinsame Mitthätigkeit des °lkes, sondern nur durch die, allerdings sehr ehrenwerthe Pietät eines ein- ielnen Künstlers (Mendelssohn) begründet. Es wäre eine vortreffliche Gelegen¬ heit, vielleicht in zwei jährlichen Concerten zu diesem Zweck Bach- und Händelsche . ^e M geben — so wie es Ernst damit würde, bliebe die Theilnahme keinen Ngenblick aus. Dazu bedürfte die Singakademie allerdings wol einer gründ¬ en Reorganisation; zu den neuen Bedingungen müßte jedenfalls unbeschränk¬ te Freiheit des Kapellmeisters, als er sie bis jetzt gehabt zu haben scheint, gehören. Auch der praktische Nutzen der Bach- und Händelausgaben würde ^gen; u)jx die halleschen Aufführungen zum Besten des Denkmals ähnliche ^ vncerte in andern Städten, die sonst vielleicht gar nicht daran gedacht hätten, D. ^vorgerufen haben, würde es auch mit Leipzig der Fall sein. er aus einem Tagebuch Johannes Falls im Jahre 18V8. Die Herzogin Luise von Weimar erzählte ihr sehr ernsthaft, daß der ">er Krause, den Frau von Staöl kennen gelernt, am 14. October 1806 e Gänse rupfen, und dazu seine Brille gebrauchen müssen. Die Staöl )'e: die Herzogin schien darüber befremdet: je of xuis in'emxeekei- as rirs Votre ^liesse räh xarävimera — un Komme <zal xlumiz ass vies avec ^ wriettes, ad, e'est tiox Zrvle!« Sie sagte daraus weiter, sie könne nicht begreifen, wie die Herzogin in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/173>, abgerufen am 28.04.2024.