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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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Die Reliquien der heiligen Elisabeth.

Ob es jetzt gerechtfertigt erscheint, die Aufmerksamkeit der Leser von der
schwülen Gegenwart fort und auf die Gebeine von Heiligen zu lenken, will
'es nicht entscheiden. Ich würde darüber zu reden mich auch nicht entschlossen
huben, wäre nicht von andern Seiten der Sache eine so außerordentlich hohe
Wichtigkeit beigelegt worden. Ich meine die angebliche Wiederauffindung der
Gebeine der H.Elisabeth. Schon 1855 erschien zu Mainz eine Schrift, welche
über den Fund berichtete: "Die Wiederauffindung der Gebeine der h. Elisa-
^h. Bon A. Scharfenberg" und 1858 zu Wien eine neue: "Ueber die Auf¬
findung der Reliquien der h. Elisabeth. Von Dr. Dudik." Während jene
^ noch zweifelhaft läßt, ob die gefundenen Gebeine wirklich die der heilig
öesprochcnen Fürstin seien, glaubt diese dagegen jeden Zweifel darüber beseiti¬
gn zu können und fordert im hohen Tone, den Resten der Heiligen eine neue
würdige Stätte der Verehrung zu gewähren.

Diesen Beweis stützt der Verfasser auf von ihm aufgefundene Acten. Be-
vor ich mich jedoch hierauf einlasse, bedarf es eines Rückblicks auf die Ge¬
richte der Gebeine.

Die Reste der h. Elisabeth wurden in einem noch jetzt vorhandenen präch¬
tigen Sarge in der ihr geweihten Kirche des deutschen Ordens zu Marburg
bis zum Jahr 1539 verwahrt. Um jedoch den fortdauernd darnach stattfin¬
denden Wallfahrten ein Ende zu machen, nahm sie im genannten Jahre Land¬
es Philipp von Hessen zu sich. Der Orden führte zwar darüber beim Kaiser
Beschwerde, und es erfolgte infolge dessen auch ein kaiserliches Mandat, das-
^be blieb aber ohne Resultat; der Landgraf antwortete den zur Empfang-
nahme der Gebeine Bevollmächtigten: Er habe die Gebeine auf dem Se.
MichMkirchhof (der Kirche der h. Elisabeth gegenüber) und zwar zerstreut an
verschiedene Orte vergraben lassen, so daß man sie nicht wiederfinden könne.

Man scheint indeß dieser Angabe keinen vollen Glauben geschenkt zu haben,
denn sobald Landgraf Philipp 1547 des Kaisers Gefangener geworden war,
sendete sich der Orden wiederum an den Kaiser und brachte es dahin, daß
Man die Rückgabe der Gebeine unter die Forderungen aufnahm, welche dem
Landgrafen gestellt wurden.

Ohne Sträuben ging derselbe auch darauf ein. Als jedoch nun der Land-
^wthur zu Marburg sich deshalb an den dortigen Statthalter Georg von
Kolniatsch, welchem die Gebeine 1539 vom Landgrafen übergeben worden
^ren, wendete, antwortete dieser darauf") am 22. Juni 1548: "Wie Ihr



") Dieses und die beiden folgenden Schreiben sind noch ungedruckt.
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Die Reliquien der heiligen Elisabeth.

Ob es jetzt gerechtfertigt erscheint, die Aufmerksamkeit der Leser von der
schwülen Gegenwart fort und auf die Gebeine von Heiligen zu lenken, will
'es nicht entscheiden. Ich würde darüber zu reden mich auch nicht entschlossen
huben, wäre nicht von andern Seiten der Sache eine so außerordentlich hohe
Wichtigkeit beigelegt worden. Ich meine die angebliche Wiederauffindung der
Gebeine der H.Elisabeth. Schon 1855 erschien zu Mainz eine Schrift, welche
über den Fund berichtete: „Die Wiederauffindung der Gebeine der h. Elisa-
^h. Bon A. Scharfenberg" und 1858 zu Wien eine neue: „Ueber die Auf¬
findung der Reliquien der h. Elisabeth. Von Dr. Dudik." Während jene
^ noch zweifelhaft läßt, ob die gefundenen Gebeine wirklich die der heilig
öesprochcnen Fürstin seien, glaubt diese dagegen jeden Zweifel darüber beseiti¬
gn zu können und fordert im hohen Tone, den Resten der Heiligen eine neue
würdige Stätte der Verehrung zu gewähren.

Diesen Beweis stützt der Verfasser auf von ihm aufgefundene Acten. Be-
vor ich mich jedoch hierauf einlasse, bedarf es eines Rückblicks auf die Ge¬
richte der Gebeine.

Die Reste der h. Elisabeth wurden in einem noch jetzt vorhandenen präch¬
tigen Sarge in der ihr geweihten Kirche des deutschen Ordens zu Marburg
bis zum Jahr 1539 verwahrt. Um jedoch den fortdauernd darnach stattfin¬
denden Wallfahrten ein Ende zu machen, nahm sie im genannten Jahre Land¬
es Philipp von Hessen zu sich. Der Orden führte zwar darüber beim Kaiser
Beschwerde, und es erfolgte infolge dessen auch ein kaiserliches Mandat, das-
^be blieb aber ohne Resultat; der Landgraf antwortete den zur Empfang-
nahme der Gebeine Bevollmächtigten: Er habe die Gebeine auf dem Se.
MichMkirchhof (der Kirche der h. Elisabeth gegenüber) und zwar zerstreut an
verschiedene Orte vergraben lassen, so daß man sie nicht wiederfinden könne.

Man scheint indeß dieser Angabe keinen vollen Glauben geschenkt zu haben,
denn sobald Landgraf Philipp 1547 des Kaisers Gefangener geworden war,
sendete sich der Orden wiederum an den Kaiser und brachte es dahin, daß
Man die Rückgabe der Gebeine unter die Forderungen aufnahm, welche dem
Landgrafen gestellt wurden.

Ohne Sträuben ging derselbe auch darauf ein. Als jedoch nun der Land-
^wthur zu Marburg sich deshalb an den dortigen Statthalter Georg von
Kolniatsch, welchem die Gebeine 1539 vom Landgrafen übergeben worden
^ren, wendete, antwortete dieser darauf") am 22. Juni 1548: „Wie Ihr



") Dieses und die beiden folgenden Schreiben sind noch ungedruckt.
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[0249] Die Reliquien der heiligen Elisabeth. Ob es jetzt gerechtfertigt erscheint, die Aufmerksamkeit der Leser von der schwülen Gegenwart fort und auf die Gebeine von Heiligen zu lenken, will 'es nicht entscheiden. Ich würde darüber zu reden mich auch nicht entschlossen huben, wäre nicht von andern Seiten der Sache eine so außerordentlich hohe Wichtigkeit beigelegt worden. Ich meine die angebliche Wiederauffindung der Gebeine der H.Elisabeth. Schon 1855 erschien zu Mainz eine Schrift, welche über den Fund berichtete: „Die Wiederauffindung der Gebeine der h. Elisa- ^h. Bon A. Scharfenberg" und 1858 zu Wien eine neue: „Ueber die Auf¬ findung der Reliquien der h. Elisabeth. Von Dr. Dudik." Während jene ^ noch zweifelhaft läßt, ob die gefundenen Gebeine wirklich die der heilig öesprochcnen Fürstin seien, glaubt diese dagegen jeden Zweifel darüber beseiti¬ gn zu können und fordert im hohen Tone, den Resten der Heiligen eine neue würdige Stätte der Verehrung zu gewähren. Diesen Beweis stützt der Verfasser auf von ihm aufgefundene Acten. Be- vor ich mich jedoch hierauf einlasse, bedarf es eines Rückblicks auf die Ge¬ richte der Gebeine. Die Reste der h. Elisabeth wurden in einem noch jetzt vorhandenen präch¬ tigen Sarge in der ihr geweihten Kirche des deutschen Ordens zu Marburg bis zum Jahr 1539 verwahrt. Um jedoch den fortdauernd darnach stattfin¬ denden Wallfahrten ein Ende zu machen, nahm sie im genannten Jahre Land¬ es Philipp von Hessen zu sich. Der Orden führte zwar darüber beim Kaiser Beschwerde, und es erfolgte infolge dessen auch ein kaiserliches Mandat, das- ^be blieb aber ohne Resultat; der Landgraf antwortete den zur Empfang- nahme der Gebeine Bevollmächtigten: Er habe die Gebeine auf dem Se. MichMkirchhof (der Kirche der h. Elisabeth gegenüber) und zwar zerstreut an verschiedene Orte vergraben lassen, so daß man sie nicht wiederfinden könne. Man scheint indeß dieser Angabe keinen vollen Glauben geschenkt zu haben, denn sobald Landgraf Philipp 1547 des Kaisers Gefangener geworden war, sendete sich der Orden wiederum an den Kaiser und brachte es dahin, daß Man die Rückgabe der Gebeine unter die Forderungen aufnahm, welche dem Landgrafen gestellt wurden. Ohne Sträuben ging derselbe auch darauf ein. Als jedoch nun der Land- ^wthur zu Marburg sich deshalb an den dortigen Statthalter Georg von Kolniatsch, welchem die Gebeine 1539 vom Landgrafen übergeben worden ^ren, wendete, antwortete dieser darauf") am 22. Juni 1548: „Wie Ihr ") Dieses und die beiden folgenden Schreiben sind noch ungedruckt. 30*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/249>, abgerufen am 27.04.2024.