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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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Die kurhessische Versassmlgsfrage.

Der kurhessische Verfassungsausschuß des Bundestages hat endlich am
28- Juli 1859 nach sieben Jahren seiner Existenz über die zu bewirkende Er¬
ledigung der hessischen Verfassungsfrage berichtet. Die Bundesversammlung
hat ein volles und geheiligtes Recht, dieselbe zu erledigen, denn sie hat diese
Frage selbst geschaffen. Die hessische Verfassung von 1831 hatte zwanzig
>Zähre selbst unter dem Druck des Metternichschen Systems bestanden, keine
Bundesversammlung wagte sie anzutasten, sie hatte unter schlimmen Regie¬
rungen die Finanzen des Landes geschützt. Im Jahr 1847 wollte die Ne¬
uerung sie umstürzen -- der Regent hatte sie nur als Kurprinz, aber noch
"icht als Kurfürst beschworen --, selbst von Wien aus warnte man vor einem
Eichen Schritt, und er unterblieb. Aber der Bundestag, zur Demüthigung
Preußens und zur Bezeichnung der endlich herbeigeführten rars, tölieiws dem-
i>orna reactivirt, vernichtete durch seinen Beschluß vom 27. März 1852 eine
Verfassung als bundeswidrig, welche zwanzig Jahre lang unter dem Schutz
des Bundes bestanden hatte.

Die Negierung, getragen von den Bajonetten der Baiern, war sofort
bei der Hand gewesen, eine neue Verfassung zu entwerfen, welche alles lei¬
stete, was der entschiedenste Widerwille gegen verfassungsmäßige Schranken
wünschen konnte, welche aber namentlich die Geldbörsen der Bürger öffnete,
^ud man wolle nicht aus den Augen verlieren, daß die hessischen Verfassungs-
fragen in diesem Jahrhundert mehr Fragen des Eigenthums als der Po¬
etik gewesen sind, wie im vorigen Jahrhundert die Allianzen dieser Regie-
^ug mehr von Verträgen über, Lieferung von Landeskindern als von Acten
auswärtigen Politik an sich hatten.

Die von der kurhessischen Negierung entworfene Verfassung war ein Cu-
^osum, welches selbst dem reactivirten Bundestag Bedenken einflößte. Der¬
selbe ermahnte die Regierung, einige Punkte zu ändern, gab ihr im Uebrigen
"uf, das Werk provisorisch zu puvliciren und mit den auf Basis dieser Ver¬
fassung berufenen Ständen sich definitiv über dasselbe zu verständigen, behielt
s'eh auch die schließliche Cognition vor.

So wurde die Verfassung am 13. April 1852 publicirt, und seit dieser
oeil bis heute, d. h. seit sieben Jahren, ist die kurfürstliche Negierung in un-


Grenzboten III. 1359. 31
Die kurhessische Versassmlgsfrage.

Der kurhessische Verfassungsausschuß des Bundestages hat endlich am
28- Juli 1859 nach sieben Jahren seiner Existenz über die zu bewirkende Er¬
ledigung der hessischen Verfassungsfrage berichtet. Die Bundesversammlung
hat ein volles und geheiligtes Recht, dieselbe zu erledigen, denn sie hat diese
Frage selbst geschaffen. Die hessische Verfassung von 1831 hatte zwanzig
>Zähre selbst unter dem Druck des Metternichschen Systems bestanden, keine
Bundesversammlung wagte sie anzutasten, sie hatte unter schlimmen Regie¬
rungen die Finanzen des Landes geschützt. Im Jahr 1847 wollte die Ne¬
uerung sie umstürzen — der Regent hatte sie nur als Kurprinz, aber noch
"icht als Kurfürst beschworen —, selbst von Wien aus warnte man vor einem
Eichen Schritt, und er unterblieb. Aber der Bundestag, zur Demüthigung
Preußens und zur Bezeichnung der endlich herbeigeführten rars, tölieiws dem-
i>orna reactivirt, vernichtete durch seinen Beschluß vom 27. März 1852 eine
Verfassung als bundeswidrig, welche zwanzig Jahre lang unter dem Schutz
des Bundes bestanden hatte.

Die Negierung, getragen von den Bajonetten der Baiern, war sofort
bei der Hand gewesen, eine neue Verfassung zu entwerfen, welche alles lei¬
stete, was der entschiedenste Widerwille gegen verfassungsmäßige Schranken
wünschen konnte, welche aber namentlich die Geldbörsen der Bürger öffnete,
^ud man wolle nicht aus den Augen verlieren, daß die hessischen Verfassungs-
fragen in diesem Jahrhundert mehr Fragen des Eigenthums als der Po¬
etik gewesen sind, wie im vorigen Jahrhundert die Allianzen dieser Regie-
^ug mehr von Verträgen über, Lieferung von Landeskindern als von Acten
auswärtigen Politik an sich hatten.

Die von der kurhessischen Negierung entworfene Verfassung war ein Cu-
^osum, welches selbst dem reactivirten Bundestag Bedenken einflößte. Der¬
selbe ermahnte die Regierung, einige Punkte zu ändern, gab ihr im Uebrigen
"uf, das Werk provisorisch zu puvliciren und mit den auf Basis dieser Ver¬
fassung berufenen Ständen sich definitiv über dasselbe zu verständigen, behielt
s'eh auch die schließliche Cognition vor.

So wurde die Verfassung am 13. April 1852 publicirt, und seit dieser
oeil bis heute, d. h. seit sieben Jahren, ist die kurfürstliche Negierung in un-


Grenzboten III. 1359. 31
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[0255] Die kurhessische Versassmlgsfrage. Der kurhessische Verfassungsausschuß des Bundestages hat endlich am 28- Juli 1859 nach sieben Jahren seiner Existenz über die zu bewirkende Er¬ ledigung der hessischen Verfassungsfrage berichtet. Die Bundesversammlung hat ein volles und geheiligtes Recht, dieselbe zu erledigen, denn sie hat diese Frage selbst geschaffen. Die hessische Verfassung von 1831 hatte zwanzig >Zähre selbst unter dem Druck des Metternichschen Systems bestanden, keine Bundesversammlung wagte sie anzutasten, sie hatte unter schlimmen Regie¬ rungen die Finanzen des Landes geschützt. Im Jahr 1847 wollte die Ne¬ uerung sie umstürzen — der Regent hatte sie nur als Kurprinz, aber noch "icht als Kurfürst beschworen —, selbst von Wien aus warnte man vor einem Eichen Schritt, und er unterblieb. Aber der Bundestag, zur Demüthigung Preußens und zur Bezeichnung der endlich herbeigeführten rars, tölieiws dem- i>orna reactivirt, vernichtete durch seinen Beschluß vom 27. März 1852 eine Verfassung als bundeswidrig, welche zwanzig Jahre lang unter dem Schutz des Bundes bestanden hatte. Die Negierung, getragen von den Bajonetten der Baiern, war sofort bei der Hand gewesen, eine neue Verfassung zu entwerfen, welche alles lei¬ stete, was der entschiedenste Widerwille gegen verfassungsmäßige Schranken wünschen konnte, welche aber namentlich die Geldbörsen der Bürger öffnete, ^ud man wolle nicht aus den Augen verlieren, daß die hessischen Verfassungs- fragen in diesem Jahrhundert mehr Fragen des Eigenthums als der Po¬ etik gewesen sind, wie im vorigen Jahrhundert die Allianzen dieser Regie- ^ug mehr von Verträgen über, Lieferung von Landeskindern als von Acten auswärtigen Politik an sich hatten. Die von der kurhessischen Negierung entworfene Verfassung war ein Cu- ^osum, welches selbst dem reactivirten Bundestag Bedenken einflößte. Der¬ selbe ermahnte die Regierung, einige Punkte zu ändern, gab ihr im Uebrigen "uf, das Werk provisorisch zu puvliciren und mit den auf Basis dieser Ver¬ fassung berufenen Ständen sich definitiv über dasselbe zu verständigen, behielt s'eh auch die schließliche Cognition vor. So wurde die Verfassung am 13. April 1852 publicirt, und seit dieser oeil bis heute, d. h. seit sieben Jahren, ist die kurfürstliche Negierung in un- Grenzboten III. 1359. 31

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/255>, abgerufen am 27.04.2024.