Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Zum londoner Protokoll.

Der folgende Aussatz ist noch vor dem Ausbruch des Krieges geschrieben
und nuf den Wunsch des Verfassers bis jetzt zurückgelegt, weil die östrei¬
chische Regierung und Deutschland zu jener Zeit einen gemeinsamen Feind
bekämpfen zu wollen schienen. Der Abdruck erfolgt jetzt mit den kleinen Zu¬
sahen, welche durch die veränderte Sachlage nothwendig geworden find.
"

Wenn die Zeitungen über frühere Verhandlungen der bairischen zweiten
Kammer nicht falsch berichtet haben, so hat der frühere bairische Minister¬
präsident v. d. Pfordten in diesen Verhandlungen selbst die Verdienste, die
"um die Schleswig-holsteinische Angelegcuhci-t hatte, in einer Weise auseinander¬
gesetzt, welche in demselben Maße für die Ehre der übrigen deutschen Regie¬
rungen verlebend, als für diese durch H. v. d. Pfordten angeblich gerettete
Zutsche Angelegenheit nachtheilig, und welche vor allen Dingen ungenau ist.

Der damalige bairische Ministerpräsident hat den Zeitungsberichten zufolge
"klärt: Nach dem Abschluß des londoner Vertrags vom 8. Mai 1852 über
^e Schleswig-holsteinische Erbfolge habe sich Dänemark an die sämmtlichen
putschen Regierungen mit der Forderung gewendet, diesem Vertrage beizutreten,
sämmtliche deutsche Regierungen waren demselben beigetreten, nur Baiern nicht,
^aiern, dessen auswärtige Politik schon damals H. v. d. Pfordten leitete,
habe Mein den Beitritt abgelehnt und dem deutschen Bunde dadurch die Mög¬
lichkeit offen gehalten, künftig die Rechte deutscher Fürstenhäuser und jener
deutschen Lande zu wahren und geltend zu machen.

Unrichtig ist in dieser Darstellung ein wesentlicher Punkt, auf den es
H"rr> v. d. Pfordten für seine Vertheidigung vor allem ankommen mochte.
Unrichtig ist nämlich die Behauptung, daß Baiern es gewesen sei, welches im
^gensatz zu allen übrigen deutschen Staaten allein dem deutschen Bunde
in dieser Erbfolgeangelegcnheit die freie Hand erhalten habe. Vielmehr haben
sämmtlichen deutschen Staaten, mit Ausnahme von drei, damals und
später jede Betheiligung an dem londoner Vertrage abgelehnt, eine Thatsache,
d'e dem Herrn v. d. Pfordten. da sie ihm von dem bairischen Gesandten


Grenzboten III. 1859.
Zum londoner Protokoll.

Der folgende Aussatz ist noch vor dem Ausbruch des Krieges geschrieben
und nuf den Wunsch des Verfassers bis jetzt zurückgelegt, weil die östrei¬
chische Regierung und Deutschland zu jener Zeit einen gemeinsamen Feind
bekämpfen zu wollen schienen. Der Abdruck erfolgt jetzt mit den kleinen Zu¬
sahen, welche durch die veränderte Sachlage nothwendig geworden find.
"

Wenn die Zeitungen über frühere Verhandlungen der bairischen zweiten
Kammer nicht falsch berichtet haben, so hat der frühere bairische Minister¬
präsident v. d. Pfordten in diesen Verhandlungen selbst die Verdienste, die
"um die Schleswig-holsteinische Angelegcuhci-t hatte, in einer Weise auseinander¬
gesetzt, welche in demselben Maße für die Ehre der übrigen deutschen Regie¬
rungen verlebend, als für diese durch H. v. d. Pfordten angeblich gerettete
Zutsche Angelegenheit nachtheilig, und welche vor allen Dingen ungenau ist.

Der damalige bairische Ministerpräsident hat den Zeitungsberichten zufolge
"klärt: Nach dem Abschluß des londoner Vertrags vom 8. Mai 1852 über
^e Schleswig-holsteinische Erbfolge habe sich Dänemark an die sämmtlichen
putschen Regierungen mit der Forderung gewendet, diesem Vertrage beizutreten,
sämmtliche deutsche Regierungen waren demselben beigetreten, nur Baiern nicht,
^aiern, dessen auswärtige Politik schon damals H. v. d. Pfordten leitete,
habe Mein den Beitritt abgelehnt und dem deutschen Bunde dadurch die Mög¬
lichkeit offen gehalten, künftig die Rechte deutscher Fürstenhäuser und jener
deutschen Lande zu wahren und geltend zu machen.

Unrichtig ist in dieser Darstellung ein wesentlicher Punkt, auf den es
H"rr> v. d. Pfordten für seine Vertheidigung vor allem ankommen mochte.
Unrichtig ist nämlich die Behauptung, daß Baiern es gewesen sei, welches im
^gensatz zu allen übrigen deutschen Staaten allein dem deutschen Bunde
in dieser Erbfolgeangelegcnheit die freie Hand erhalten habe. Vielmehr haben
sämmtlichen deutschen Staaten, mit Ausnahme von drei, damals und
später jede Betheiligung an dem londoner Vertrage abgelehnt, eine Thatsache,
d'e dem Herrn v. d. Pfordten. da sie ihm von dem bairischen Gesandten


Grenzboten III. 1859.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0335" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107921"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Zum londoner Protokoll.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1096"> Der folgende Aussatz ist noch vor dem Ausbruch des Krieges geschrieben<lb/>
und nuf den Wunsch des Verfassers bis jetzt zurückgelegt, weil die östrei¬<lb/>
chische Regierung und Deutschland zu jener Zeit einen gemeinsamen Feind<lb/>
bekämpfen zu wollen schienen. Der Abdruck erfolgt jetzt mit den kleinen Zu¬<lb/>
sahen, welche durch die veränderte Sachlage nothwendig geworden find.<lb/>
"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1097"> Wenn die Zeitungen über frühere Verhandlungen der bairischen zweiten<lb/>
Kammer nicht falsch berichtet haben, so hat der frühere bairische Minister¬<lb/>
präsident v. d. Pfordten in diesen Verhandlungen selbst die Verdienste, die<lb/>
"um die Schleswig-holsteinische Angelegcuhci-t hatte, in einer Weise auseinander¬<lb/>
gesetzt, welche in demselben Maße für die Ehre der übrigen deutschen Regie¬<lb/>
rungen verlebend, als für diese durch H. v. d. Pfordten angeblich gerettete<lb/>
Zutsche Angelegenheit nachtheilig, und welche vor allen Dingen ungenau ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1098"> Der damalige bairische Ministerpräsident hat den Zeitungsberichten zufolge<lb/>
"klärt: Nach dem Abschluß des londoner Vertrags vom 8. Mai 1852 über<lb/>
^e Schleswig-holsteinische Erbfolge habe sich Dänemark an die sämmtlichen<lb/>
putschen Regierungen mit der Forderung gewendet, diesem Vertrage beizutreten,<lb/>
sämmtliche deutsche Regierungen waren demselben beigetreten, nur Baiern nicht,<lb/>
^aiern, dessen auswärtige Politik schon damals H. v. d. Pfordten leitete,<lb/>
habe Mein den Beitritt abgelehnt und dem deutschen Bunde dadurch die Mög¬<lb/>
lichkeit offen gehalten, künftig die Rechte deutscher Fürstenhäuser und jener<lb/>
deutschen Lande zu wahren und geltend zu machen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1099" next="#ID_1100"> Unrichtig ist in dieser Darstellung ein wesentlicher Punkt, auf den es<lb/>
H"rr&gt; v. d. Pfordten für seine Vertheidigung vor allem ankommen mochte.<lb/>
Unrichtig ist nämlich die Behauptung, daß Baiern es gewesen sei, welches im<lb/>
^gensatz zu allen übrigen deutschen Staaten allein dem deutschen Bunde<lb/>
in dieser Erbfolgeangelegcnheit die freie Hand erhalten habe.  Vielmehr haben<lb/>
sämmtlichen deutschen Staaten, mit Ausnahme von drei, damals und<lb/>
später jede Betheiligung an dem londoner Vertrage abgelehnt, eine Thatsache,<lb/>
d'e dem Herrn v. d. Pfordten. da sie ihm von dem bairischen Gesandten</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III. 1859.</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0335] Zum londoner Protokoll. Der folgende Aussatz ist noch vor dem Ausbruch des Krieges geschrieben und nuf den Wunsch des Verfassers bis jetzt zurückgelegt, weil die östrei¬ chische Regierung und Deutschland zu jener Zeit einen gemeinsamen Feind bekämpfen zu wollen schienen. Der Abdruck erfolgt jetzt mit den kleinen Zu¬ sahen, welche durch die veränderte Sachlage nothwendig geworden find. " Wenn die Zeitungen über frühere Verhandlungen der bairischen zweiten Kammer nicht falsch berichtet haben, so hat der frühere bairische Minister¬ präsident v. d. Pfordten in diesen Verhandlungen selbst die Verdienste, die "um die Schleswig-holsteinische Angelegcuhci-t hatte, in einer Weise auseinander¬ gesetzt, welche in demselben Maße für die Ehre der übrigen deutschen Regie¬ rungen verlebend, als für diese durch H. v. d. Pfordten angeblich gerettete Zutsche Angelegenheit nachtheilig, und welche vor allen Dingen ungenau ist. Der damalige bairische Ministerpräsident hat den Zeitungsberichten zufolge "klärt: Nach dem Abschluß des londoner Vertrags vom 8. Mai 1852 über ^e Schleswig-holsteinische Erbfolge habe sich Dänemark an die sämmtlichen putschen Regierungen mit der Forderung gewendet, diesem Vertrage beizutreten, sämmtliche deutsche Regierungen waren demselben beigetreten, nur Baiern nicht, ^aiern, dessen auswärtige Politik schon damals H. v. d. Pfordten leitete, habe Mein den Beitritt abgelehnt und dem deutschen Bunde dadurch die Mög¬ lichkeit offen gehalten, künftig die Rechte deutscher Fürstenhäuser und jener deutschen Lande zu wahren und geltend zu machen. Unrichtig ist in dieser Darstellung ein wesentlicher Punkt, auf den es H"rr> v. d. Pfordten für seine Vertheidigung vor allem ankommen mochte. Unrichtig ist nämlich die Behauptung, daß Baiern es gewesen sei, welches im ^gensatz zu allen übrigen deutschen Staaten allein dem deutschen Bunde in dieser Erbfolgeangelegcnheit die freie Hand erhalten habe. Vielmehr haben sämmtlichen deutschen Staaten, mit Ausnahme von drei, damals und später jede Betheiligung an dem londoner Vertrage abgelehnt, eine Thatsache, d'e dem Herrn v. d. Pfordten. da sie ihm von dem bairischen Gesandten Grenzboten III. 1859.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/335
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/335>, abgerufen am 27.04.2024.