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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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Schlachtfeldern der Weltgeschichte in den Nächten vernommen und geschaut
wird, welche den Geistern gehören.

Wohl aber ruht auf Jerusalem noch immer der alte Fluch, eine Quelle
des Streits für die Völker zu sein. Der Kampf zwischen Abendland und
Morgenland grollt fort. An die Stelle des todkranken Sarazenenthums und
der Welt der Kreuzritter sind das Moskowiterthum und das neue Frankenreich,
der östliche und der westliche Katholicismus getreten. Der letzte orientalische
Krieg nahm seinen Anfang am heiligen Grabe, er hat die Streitenden hier so
wenig wie anderwärts zu einem dauernden Frieden geführt, und noch lange
Jahre wird es währen, ehe Jerusalem, die Friedensstäbe unsrer frommen
Überschwenglichen, in Wahrheit ausrufen kann: "Siehe wie fein und lieb¬
M. B. lich ists, daß Brüder einträchtig beieinander wohnen."




Das reformirte Gymnasium in Debreczin.

Dem, einen integrirenden Bestandtheil des altberühmten
evangelisch-helvetischen Collegiums bildenden Obergymnasiuni in Debreczin,
der calvinischen Hauptstadt des ungarischen "Alföld", wurde durch Erlaß der
Statthaltereiabtheilung Großwardein bekanntlich das Recht, Maturitätsprüfungen
abzuhalten, entzogen. Da dieses Factum, wie die Ursachen desselben sehr
leicht nach dieser oder jener Seite hin falsch gedeutet werden könnten, so sei
es gestattet, einiges Licht darüber zu verbreiten. Gemäß §. 5 des berühmten
26. Gesctzartikels des ungarischen Reichstages haben die Evangelischen das
Recht, auch an ihre Gymnasien, die sie frei errichten dürfen, Lehrer, Professo¬
ren, Rectoren und Snbrectorcn zu berufen und dieselben zu entlassen, die Zahl
derselben zu vermehre" oder zu vermindern, Schulcuratorcn zu wählen, die
Art (rationem), die Norm und die Ordnung (ol'curso) des Unterrichts (un¬
beschadet des Allerhöchsten Oberaufsichtsrechts) zu bestimmen (orcli-
jedoch so, daß das über Vorschlag der Stände von Sr. Majestät fest¬
zusetzende Unterrichtssystem auch aus diese Schulen, jedoch mit Ausschluß der
Religionsgegenstände, welche jeder Konfession anheimgestellt bleiben, aus¬
gedehnt werde. (Looi'äinirtivne ta-inen litsiÄriae Institutionis, el-Zg, clswis-
8s.in gtatuum, et oiMnuin xroxositionew, per Luiun Naja:ses.dem äewi'minÄuäg,,
^et das xermäs SelwI^s, Iiuc t-unen trauä intelleetis Reu'siouis oHectis, ciug.v
^nivis lieligioni xroxria ma-more Zebeut, exteväoiräa,). Ist nun auch nicht
Su verkennen, daß dieser Schlußsatz die den Evangelischen im Vordersatz, in
den Worten: rationem, norirnrm et orätnew äoeemäi atczue cliseeiräi vrclingre,
eingeräumte Freiheit, also das Recht, einen eignen Lehrplan selbstständig ein-


Schlachtfeldern der Weltgeschichte in den Nächten vernommen und geschaut
wird, welche den Geistern gehören.

Wohl aber ruht auf Jerusalem noch immer der alte Fluch, eine Quelle
des Streits für die Völker zu sein. Der Kampf zwischen Abendland und
Morgenland grollt fort. An die Stelle des todkranken Sarazenenthums und
der Welt der Kreuzritter sind das Moskowiterthum und das neue Frankenreich,
der östliche und der westliche Katholicismus getreten. Der letzte orientalische
Krieg nahm seinen Anfang am heiligen Grabe, er hat die Streitenden hier so
wenig wie anderwärts zu einem dauernden Frieden geführt, und noch lange
Jahre wird es währen, ehe Jerusalem, die Friedensstäbe unsrer frommen
Überschwenglichen, in Wahrheit ausrufen kann: „Siehe wie fein und lieb¬
M. B. lich ists, daß Brüder einträchtig beieinander wohnen."




Das reformirte Gymnasium in Debreczin.

Dem, einen integrirenden Bestandtheil des altberühmten
evangelisch-helvetischen Collegiums bildenden Obergymnasiuni in Debreczin,
der calvinischen Hauptstadt des ungarischen „Alföld", wurde durch Erlaß der
Statthaltereiabtheilung Großwardein bekanntlich das Recht, Maturitätsprüfungen
abzuhalten, entzogen. Da dieses Factum, wie die Ursachen desselben sehr
leicht nach dieser oder jener Seite hin falsch gedeutet werden könnten, so sei
es gestattet, einiges Licht darüber zu verbreiten. Gemäß §. 5 des berühmten
26. Gesctzartikels des ungarischen Reichstages haben die Evangelischen das
Recht, auch an ihre Gymnasien, die sie frei errichten dürfen, Lehrer, Professo¬
ren, Rectoren und Snbrectorcn zu berufen und dieselben zu entlassen, die Zahl
derselben zu vermehre» oder zu vermindern, Schulcuratorcn zu wählen, die
Art (rationem), die Norm und die Ordnung (ol'curso) des Unterrichts (un¬
beschadet des Allerhöchsten Oberaufsichtsrechts) zu bestimmen (orcli-
jedoch so, daß das über Vorschlag der Stände von Sr. Majestät fest¬
zusetzende Unterrichtssystem auch aus diese Schulen, jedoch mit Ausschluß der
Religionsgegenstände, welche jeder Konfession anheimgestellt bleiben, aus¬
gedehnt werde. (Looi'äinirtivne ta-inen litsiÄriae Institutionis, el-Zg, clswis-
8s.in gtatuum, et oiMnuin xroxositionew, per Luiun Naja:ses.dem äewi'minÄuäg,,
^et das xermäs SelwI^s, Iiuc t-unen trauä intelleetis Reu'siouis oHectis, ciug.v
^nivis lieligioni xroxria ma-more Zebeut, exteväoiräa,). Ist nun auch nicht
Su verkennen, daß dieser Schlußsatz die den Evangelischen im Vordersatz, in
den Worten: rationem, norirnrm et orätnew äoeemäi atczue cliseeiräi vrclingre,
eingeräumte Freiheit, also das Recht, einen eignen Lehrplan selbstständig ein-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/491>, abgerufen am 27.04.2024.