Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Mußten entfernt, die Handhabung des Verpflegungswesens, die unsere Armee
oft hungern ließ, einer Untersuchungscommission unterzogen werden. Im
Schuldenwesen treten nun, wie beim Nationalanlchen. Ziffern auf, wovon
wir keine Ahnung hatten, die Verwaltung verschlang Summen, denen alle
Steuerkräfte bei der größten Anstrengung nicht gewachsen waren, Unzufrieden¬
heit und Mißtrauen stiegen mit jedem Jahre. Selbst das Concordat mit
seinen schwarzen Schlagschatten trat vor diesen Enthüllungen in den Hinter¬
grund. Wir wagen es nicht anzudeuten, welches die Folgen eines zweiten
Krieges im jetzigen Augenblick wären. Alle Schichten der Bevölkerung durch¬
dringt die Ueberzeugung, Mi) diese Zustände keine Fortsetzung leiden, man
verschließt sich ihr selbst in den höchsten Kreisen nicht, aber immer und immer
wieder glaubt man mit halben Maßregeln wegzukommen. Controllirende Aus¬
schüsse für Budget und Schulden, also wieder Vertrauensmänner der Regierung,
sind es, woraus wir vertröstet werden, einer wirklichen Vertretung des Volks steht
eine unüberwindliche Scheu entgegen. Das heißt dem Volke geradezu Ein¬
sicht und guten Willen absprechen, es heißt zurückbeben vor dem Wort, das
allein neues Leben in die trägen Riesenglieder des großen Körpers brächte,
das neuen Credit und neue Kräfte schaffte, vor dem zauberischen Wort --
Vertrauen!




Ein Schillersestspiel.

Friedrich Schiller. Drama in S Aufz. von Ludwig Eckardt. Wenigen-Jena,
Hochhausen. --

Wir kennen wenig Bücher, die auf uns einen so peinlichen Eindruck ge¬
wacht hätten, als dies sogenannte Drama; ja wir könnten uns bestimmter
ausdrücken, wir kennen nur eins, den vielgelesenen Roman von Louise Mühl¬
bach. Friedrich der Große. Es handelt sich nicht um die bloße Werthlosigkeit
des Buchs: schlechte Bücher gibt es vielleicht genug; es ist die Beziehung auf
einen großen Namen und auf die allgemeine Ehrfurcht, die das Volk vor
diesem Namen empfindet, der Versuch in dem Sinn dieses großen Mannes zu
denken, zu empfinden und zu sprechen, und die Verdrehung alles Menschlichen
Und Natürlichen in ein verschrobenes herzloses Pathos, angeblich um diesen
Moßen Namen zu ehren: dieser angebliche Cultus des Genius, der aber aus
dem Genius eine abscheuliche Fratze macht, ist es. was den an sich komischen


Grenzboten IV. 1859. ^

Mußten entfernt, die Handhabung des Verpflegungswesens, die unsere Armee
oft hungern ließ, einer Untersuchungscommission unterzogen werden. Im
Schuldenwesen treten nun, wie beim Nationalanlchen. Ziffern auf, wovon
wir keine Ahnung hatten, die Verwaltung verschlang Summen, denen alle
Steuerkräfte bei der größten Anstrengung nicht gewachsen waren, Unzufrieden¬
heit und Mißtrauen stiegen mit jedem Jahre. Selbst das Concordat mit
seinen schwarzen Schlagschatten trat vor diesen Enthüllungen in den Hinter¬
grund. Wir wagen es nicht anzudeuten, welches die Folgen eines zweiten
Krieges im jetzigen Augenblick wären. Alle Schichten der Bevölkerung durch¬
dringt die Ueberzeugung, Mi) diese Zustände keine Fortsetzung leiden, man
verschließt sich ihr selbst in den höchsten Kreisen nicht, aber immer und immer
wieder glaubt man mit halben Maßregeln wegzukommen. Controllirende Aus¬
schüsse für Budget und Schulden, also wieder Vertrauensmänner der Regierung,
sind es, woraus wir vertröstet werden, einer wirklichen Vertretung des Volks steht
eine unüberwindliche Scheu entgegen. Das heißt dem Volke geradezu Ein¬
sicht und guten Willen absprechen, es heißt zurückbeben vor dem Wort, das
allein neues Leben in die trägen Riesenglieder des großen Körpers brächte,
das neuen Credit und neue Kräfte schaffte, vor dem zauberischen Wort —
Vertrauen!




Ein Schillersestspiel.

Friedrich Schiller. Drama in S Aufz. von Ludwig Eckardt. Wenigen-Jena,
Hochhausen. —

Wir kennen wenig Bücher, die auf uns einen so peinlichen Eindruck ge¬
wacht hätten, als dies sogenannte Drama; ja wir könnten uns bestimmter
ausdrücken, wir kennen nur eins, den vielgelesenen Roman von Louise Mühl¬
bach. Friedrich der Große. Es handelt sich nicht um die bloße Werthlosigkeit
des Buchs: schlechte Bücher gibt es vielleicht genug; es ist die Beziehung auf
einen großen Namen und auf die allgemeine Ehrfurcht, die das Volk vor
diesem Namen empfindet, der Versuch in dem Sinn dieses großen Mannes zu
denken, zu empfinden und zu sprechen, und die Verdrehung alles Menschlichen
Und Natürlichen in ein verschrobenes herzloses Pathos, angeblich um diesen
Moßen Namen zu ehren: dieser angebliche Cultus des Genius, der aber aus
dem Genius eine abscheuliche Fratze macht, ist es. was den an sich komischen


Grenzboten IV. 1859. ^
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0365" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/108495"/>
            <p xml:id="ID_1166" prev="#ID_1165"> Mußten entfernt, die Handhabung des Verpflegungswesens, die unsere Armee<lb/>
oft hungern ließ, einer Untersuchungscommission unterzogen werden. Im<lb/>
Schuldenwesen treten nun, wie beim Nationalanlchen. Ziffern auf, wovon<lb/>
wir keine Ahnung hatten, die Verwaltung verschlang Summen, denen alle<lb/>
Steuerkräfte bei der größten Anstrengung nicht gewachsen waren, Unzufrieden¬<lb/>
heit und Mißtrauen stiegen mit jedem Jahre. Selbst das Concordat mit<lb/>
seinen schwarzen Schlagschatten trat vor diesen Enthüllungen in den Hinter¬<lb/>
grund. Wir wagen es nicht anzudeuten, welches die Folgen eines zweiten<lb/>
Krieges im jetzigen Augenblick wären. Alle Schichten der Bevölkerung durch¬<lb/>
dringt die Ueberzeugung, Mi) diese Zustände keine Fortsetzung leiden, man<lb/>
verschließt sich ihr selbst in den höchsten Kreisen nicht, aber immer und immer<lb/>
wieder glaubt man mit halben Maßregeln wegzukommen. Controllirende Aus¬<lb/>
schüsse für Budget und Schulden, also wieder Vertrauensmänner der Regierung,<lb/>
sind es, woraus wir vertröstet werden, einer wirklichen Vertretung des Volks steht<lb/>
eine unüberwindliche Scheu entgegen. Das heißt dem Volke geradezu Ein¬<lb/>
sicht und guten Willen absprechen, es heißt zurückbeben vor dem Wort, das<lb/>
allein neues Leben in die trägen Riesenglieder des großen Körpers brächte,<lb/>
das neuen Credit und neue Kräfte schaffte, vor dem zauberischen Wort &#x2014;<lb/>
Vertrauen!</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Ein Schillersestspiel.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1167"> Friedrich Schiller.  Drama in S Aufz. von Ludwig Eckardt. Wenigen-Jena,<lb/>
Hochhausen. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1168" next="#ID_1169"> Wir kennen wenig Bücher, die auf uns einen so peinlichen Eindruck ge¬<lb/>
wacht hätten, als dies sogenannte Drama; ja wir könnten uns bestimmter<lb/>
ausdrücken, wir kennen nur eins, den vielgelesenen Roman von Louise Mühl¬<lb/>
bach. Friedrich der Große. Es handelt sich nicht um die bloße Werthlosigkeit<lb/>
des Buchs: schlechte Bücher gibt es vielleicht genug; es ist die Beziehung auf<lb/>
einen großen Namen und auf die allgemeine Ehrfurcht, die das Volk vor<lb/>
diesem Namen empfindet, der Versuch in dem Sinn dieses großen Mannes zu<lb/>
denken, zu empfinden und zu sprechen, und die Verdrehung alles Menschlichen<lb/>
Und Natürlichen in ein verschrobenes herzloses Pathos, angeblich um diesen<lb/>
Moßen Namen zu ehren: dieser angebliche Cultus des Genius, der aber aus<lb/>
dem Genius eine abscheuliche Fratze macht, ist es. was den an sich komischen</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. 1859. ^</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0365] Mußten entfernt, die Handhabung des Verpflegungswesens, die unsere Armee oft hungern ließ, einer Untersuchungscommission unterzogen werden. Im Schuldenwesen treten nun, wie beim Nationalanlchen. Ziffern auf, wovon wir keine Ahnung hatten, die Verwaltung verschlang Summen, denen alle Steuerkräfte bei der größten Anstrengung nicht gewachsen waren, Unzufrieden¬ heit und Mißtrauen stiegen mit jedem Jahre. Selbst das Concordat mit seinen schwarzen Schlagschatten trat vor diesen Enthüllungen in den Hinter¬ grund. Wir wagen es nicht anzudeuten, welches die Folgen eines zweiten Krieges im jetzigen Augenblick wären. Alle Schichten der Bevölkerung durch¬ dringt die Ueberzeugung, Mi) diese Zustände keine Fortsetzung leiden, man verschließt sich ihr selbst in den höchsten Kreisen nicht, aber immer und immer wieder glaubt man mit halben Maßregeln wegzukommen. Controllirende Aus¬ schüsse für Budget und Schulden, also wieder Vertrauensmänner der Regierung, sind es, woraus wir vertröstet werden, einer wirklichen Vertretung des Volks steht eine unüberwindliche Scheu entgegen. Das heißt dem Volke geradezu Ein¬ sicht und guten Willen absprechen, es heißt zurückbeben vor dem Wort, das allein neues Leben in die trägen Riesenglieder des großen Körpers brächte, das neuen Credit und neue Kräfte schaffte, vor dem zauberischen Wort — Vertrauen! Ein Schillersestspiel. Friedrich Schiller. Drama in S Aufz. von Ludwig Eckardt. Wenigen-Jena, Hochhausen. — Wir kennen wenig Bücher, die auf uns einen so peinlichen Eindruck ge¬ wacht hätten, als dies sogenannte Drama; ja wir könnten uns bestimmter ausdrücken, wir kennen nur eins, den vielgelesenen Roman von Louise Mühl¬ bach. Friedrich der Große. Es handelt sich nicht um die bloße Werthlosigkeit des Buchs: schlechte Bücher gibt es vielleicht genug; es ist die Beziehung auf einen großen Namen und auf die allgemeine Ehrfurcht, die das Volk vor diesem Namen empfindet, der Versuch in dem Sinn dieses großen Mannes zu denken, zu empfinden und zu sprechen, und die Verdrehung alles Menschlichen Und Natürlichen in ein verschrobenes herzloses Pathos, angeblich um diesen Moßen Namen zu ehren: dieser angebliche Cultus des Genius, der aber aus dem Genius eine abscheuliche Fratze macht, ist es. was den an sich komischen Grenzboten IV. 1859. ^

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/365
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/365>, abgerufen am 04.05.2024.