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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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Endlich lud er auch oft lauter Taube. Podagristeu, Kahlköpfige, Dicke u tgi
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H. in sich ein, ganz a, 1s. Peter von Rußland.




Auch diesmal lege ich meinen Betrachtungen eine Flugschrift zu Grunde: "Preu¬
ßens Aufgaben in Deutschland; Rechtsstaat wider Revolution." Vom Ver¬
fasser der "Despoten als Revolutionäre." Berlin, Hände und Spener. -- Mit
den Ansichten des Verfassers über die auswärtige Politik kann ich mich nicht einver¬
standen erklären. Ich glaube nicht, daß die preußische Regierung von seinem Rath,
sich mit dem "alten treuen Alliirten". der -- Türkei, zu verbinden, viel Nutzen
Ziehen wird; auch die Allianz mit Schweden und der Schweiz scheint mir von frag¬
lichen Werthe. Desto mehr Beifall verdient, was er über die innern Angelegenheiten
sagt. Da die Kammern nächstens wieder zusammentreten, und der Kongreß die
europäische Krisis jedenfalls auf einige Zeit hinausschieben wird, ist es überhaupt
Nöthig, die Aufmerksamkeit wieder nach dieser Seite hinzulenken. Bei Gelegenheit
des Schillerfcstes -- einer höchst unerwarteten und unbequemen Gelegenheit -- hat
sich gezeigt, daß die neue Regierung des Bciraths ihrer guten Freunde noch immer
nicht entbehren kann.

Man pflegt die neue Regierung zu loben, und im Allgemeinen mit Recht, daß
sie nicht als Partei regiert, wie es ihre Vorgängerin that. Aber um die Grenze
scstzusteckcn, innerhalb welcher sich diese Bescheidenheit halten muß, wenn sie nicht zur
Nullität führen soll, muß man die Principien dieser Vorgängerin ins Auge fassen --
°der vielmehr, da das Ministerium Manteuffel selber keine Principien hatte, die Prin¬
cipien der dominirenden Partei, der Krcuzzcitungspartci. Wenn sie sich rühmte, der
Bureaukratie entgegen zu sein, so hatte das in gewissem Sinn seinen guten Grund,
^hre Zwecke waren nämlich folgende.

1) Befreiung der Rittergüter von den Einmischungen der Büreaukratie, Autono¬
me der erstern und Herstellung ihrer patriarchalischen Beziehungen zur Bauerschaft.
Befreiung des jungen Adels von der lästigen Controlle der Polizei (Rochow Hinkel-
dey). Herstellung der Jagdrcchtc, cximirte Gerichtsbarkeit Kreis- und Provincial
stände auf aristokratischer Grundlage.

2) Reform der Bureaukratie, die in ihrer stelbstständigcn Haltung dem König¬
thum gefährlich oder vielmehr unbequem, wird, die durch ihr Examinationssystem die
bürgerlichen Emporkömmlinge begünstigt. Freie Besetzung der höchsten und höheren
Wellen nach Geburt, Ansehen im Landadel (z. B. aus den ständisch gewählten "anb¬
othen heraus); der niedern Stellen nach dem Maaßstab der Treue, guten Ge-


Endlich lud er auch oft lauter Taube. Podagristeu, Kahlköpfige, Dicke u tgi
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H. in sich ein, ganz a, 1s. Peter von Rußland.




Auch diesmal lege ich meinen Betrachtungen eine Flugschrift zu Grunde: „Preu¬
ßens Aufgaben in Deutschland; Rechtsstaat wider Revolution." Vom Ver¬
fasser der „Despoten als Revolutionäre." Berlin, Hände und Spener. — Mit
den Ansichten des Verfassers über die auswärtige Politik kann ich mich nicht einver¬
standen erklären. Ich glaube nicht, daß die preußische Regierung von seinem Rath,
sich mit dem „alten treuen Alliirten". der — Türkei, zu verbinden, viel Nutzen
Ziehen wird; auch die Allianz mit Schweden und der Schweiz scheint mir von frag¬
lichen Werthe. Desto mehr Beifall verdient, was er über die innern Angelegenheiten
sagt. Da die Kammern nächstens wieder zusammentreten, und der Kongreß die
europäische Krisis jedenfalls auf einige Zeit hinausschieben wird, ist es überhaupt
Nöthig, die Aufmerksamkeit wieder nach dieser Seite hinzulenken. Bei Gelegenheit
des Schillerfcstes — einer höchst unerwarteten und unbequemen Gelegenheit — hat
sich gezeigt, daß die neue Regierung des Bciraths ihrer guten Freunde noch immer
nicht entbehren kann.

Man pflegt die neue Regierung zu loben, und im Allgemeinen mit Recht, daß
sie nicht als Partei regiert, wie es ihre Vorgängerin that. Aber um die Grenze
scstzusteckcn, innerhalb welcher sich diese Bescheidenheit halten muß, wenn sie nicht zur
Nullität führen soll, muß man die Principien dieser Vorgängerin ins Auge fassen —
°der vielmehr, da das Ministerium Manteuffel selber keine Principien hatte, die Prin¬
cipien der dominirenden Partei, der Krcuzzcitungspartci. Wenn sie sich rühmte, der
Bureaukratie entgegen zu sein, so hatte das in gewissem Sinn seinen guten Grund,
^hre Zwecke waren nämlich folgende.

1) Befreiung der Rittergüter von den Einmischungen der Büreaukratie, Autono¬
me der erstern und Herstellung ihrer patriarchalischen Beziehungen zur Bauerschaft.
Befreiung des jungen Adels von der lästigen Controlle der Polizei (Rochow Hinkel-
dey). Herstellung der Jagdrcchtc, cximirte Gerichtsbarkeit Kreis- und Provincial
stände auf aristokratischer Grundlage.

2) Reform der Bureaukratie, die in ihrer stelbstständigcn Haltung dem König¬
thum gefährlich oder vielmehr unbequem, wird, die durch ihr Examinationssystem die
bürgerlichen Emporkömmlinge begünstigt. Freie Besetzung der höchsten und höheren
Wellen nach Geburt, Ansehen im Landadel (z. B. aus den ständisch gewählten «anb¬
othen heraus); der niedern Stellen nach dem Maaßstab der Treue, guten Ge-


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[0409] Endlich lud er auch oft lauter Taube. Podagristeu, Kahlköpfige, Dicke u tgi .. H. in sich ein, ganz a, 1s. Peter von Rußland. Auch diesmal lege ich meinen Betrachtungen eine Flugschrift zu Grunde: „Preu¬ ßens Aufgaben in Deutschland; Rechtsstaat wider Revolution." Vom Ver¬ fasser der „Despoten als Revolutionäre." Berlin, Hände und Spener. — Mit den Ansichten des Verfassers über die auswärtige Politik kann ich mich nicht einver¬ standen erklären. Ich glaube nicht, daß die preußische Regierung von seinem Rath, sich mit dem „alten treuen Alliirten". der — Türkei, zu verbinden, viel Nutzen Ziehen wird; auch die Allianz mit Schweden und der Schweiz scheint mir von frag¬ lichen Werthe. Desto mehr Beifall verdient, was er über die innern Angelegenheiten sagt. Da die Kammern nächstens wieder zusammentreten, und der Kongreß die europäische Krisis jedenfalls auf einige Zeit hinausschieben wird, ist es überhaupt Nöthig, die Aufmerksamkeit wieder nach dieser Seite hinzulenken. Bei Gelegenheit des Schillerfcstes — einer höchst unerwarteten und unbequemen Gelegenheit — hat sich gezeigt, daß die neue Regierung des Bciraths ihrer guten Freunde noch immer nicht entbehren kann. Man pflegt die neue Regierung zu loben, und im Allgemeinen mit Recht, daß sie nicht als Partei regiert, wie es ihre Vorgängerin that. Aber um die Grenze scstzusteckcn, innerhalb welcher sich diese Bescheidenheit halten muß, wenn sie nicht zur Nullität führen soll, muß man die Principien dieser Vorgängerin ins Auge fassen — °der vielmehr, da das Ministerium Manteuffel selber keine Principien hatte, die Prin¬ cipien der dominirenden Partei, der Krcuzzcitungspartci. Wenn sie sich rühmte, der Bureaukratie entgegen zu sein, so hatte das in gewissem Sinn seinen guten Grund, ^hre Zwecke waren nämlich folgende. 1) Befreiung der Rittergüter von den Einmischungen der Büreaukratie, Autono¬ me der erstern und Herstellung ihrer patriarchalischen Beziehungen zur Bauerschaft. Befreiung des jungen Adels von der lästigen Controlle der Polizei (Rochow Hinkel- dey). Herstellung der Jagdrcchtc, cximirte Gerichtsbarkeit Kreis- und Provincial stände auf aristokratischer Grundlage. 2) Reform der Bureaukratie, die in ihrer stelbstständigcn Haltung dem König¬ thum gefährlich oder vielmehr unbequem, wird, die durch ihr Examinationssystem die bürgerlichen Emporkömmlinge begünstigt. Freie Besetzung der höchsten und höheren Wellen nach Geburt, Ansehen im Landadel (z. B. aus den ständisch gewählten «anb¬ othen heraus); der niedern Stellen nach dem Maaßstab der Treue, guten Ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/409>, abgerufen am 03.05.2024.