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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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geschlossenen Häfen, und eine Note an den Präsidenten von Dominica zeigte
diesem den Sturz des Kaisers officiell an und ertheilte zugleich die Versiche¬
rung, daß man in Port an Prince den Abschluß eines Friedens- und Freund-
schaftsvcrtrags mit dem östlichen Nachbarland wünsche. Daß damit die thö¬
richte Wirthschaft aus diesem Theil der Insel ein Ende nehmen werde, wird
nach dem Obengesagten niemand hoffen dürfen. Der Stumpfsinn und die
Trägheit der Neger läßt sich von ihnen so wenig aliwaschen wie ihre Farbe.
Ihre Unfähigkeit, einen Staat zu bilden, zeigt sich selbst in Liberia, wo die
Verhältnisse ihnen noch günstiger sind wie in Haiti. Der Naccnhaß wird
über kurz oder lang wieder zum Racenkampf sich entzünden. Schon murren
im Süden die Schwarzen, daß es ein Mulatte ist, welcher den Präsidenten¬
stuhl eingenommen hat. Nur die Herrschaft der Weißen kann hier Wandel
schaffen. Die der Schwarzen bedeutet Nacht sür die Königin der Antillen,
die der Gelben höchstens Dämmerung.




"Wir haben nur die Wahl zwischen dem Schrecklichen und dem Lächerlichen!"
sagte Thiers, als hinter den harmlosen Tischen der Ncformvanqucts das blutige
Gespenst der Revolution auftauchte: "on bon eiw^su xrvkvre I" i'iäieulo!" --
Das war verständig gesprochen, und ganz im Sinn der herrschenden Bourgeoisie;
aber der scharfsinnige Staatsmann und Geschichtschreiber übersah einen Umstand:
Gespenster lassen sich leichter rufen als bannen; das Schreckliche kam doch, und
man mußte es zum Lächerlichen mit in den Kauf nehmen.

Die Bourgeoisie ist seitdem von ihrem Thron gestürzt und das Militär hat
ihn bestiegen; die Civilklcidung ist der Uniform gewichen, statt der Spritzen fährt
man Kartätschen auf, das ganze Costüm hat sich verwandelt. Aber daß man darum
doch nicht aufhört, ein "guter Bürger" zu sein, zeigt die Monitcurnote vom
5. März. Seit zwei Monaten ist ganz Europa in Furcht und Zittern, es wird ge¬
trommelt und mit den Degen geklirrt, ein jeder ruft seinem Nachbar zu: "Fürchte
du dich, sonst fürchte ich mich!" -- und plötzlich in die Mitte des allgemeinen
Lärms tritt der lustige Moniteur und erklärt, es sei alles ein Fastnachtsschwank,
man sei ja im Carneval! Zunächst steht das schaulustige Publicum verdutzt; dann
folgt ein lautes, allgemeines, im Ganzen fröhliches Gelächter; einige grollende Töne
lassen sich doch dazwischen vernehmen; wir wollen abwarten, ob diese Gespenster
dem Bann des Lächerlichen weichen.

"Die öffentliche Meinung macht sich im Ausland von der jetzigen Stellung der
Presse in Frankreich keinen richtigen Begriff. Man scheint zu allgemein anzunehmen,
daß die Zeitungen einer vorgnngigcn Censur unterworfen seien, und man schreibt
ihnen daher leicht eine Bedeutung zu, die sie im Grunde nicht haben. Man sollte
doch wissen, daß die Regierung durchaus keine vorbeugende Einwirkung auf die


geschlossenen Häfen, und eine Note an den Präsidenten von Dominica zeigte
diesem den Sturz des Kaisers officiell an und ertheilte zugleich die Versiche¬
rung, daß man in Port an Prince den Abschluß eines Friedens- und Freund-
schaftsvcrtrags mit dem östlichen Nachbarland wünsche. Daß damit die thö¬
richte Wirthschaft aus diesem Theil der Insel ein Ende nehmen werde, wird
nach dem Obengesagten niemand hoffen dürfen. Der Stumpfsinn und die
Trägheit der Neger läßt sich von ihnen so wenig aliwaschen wie ihre Farbe.
Ihre Unfähigkeit, einen Staat zu bilden, zeigt sich selbst in Liberia, wo die
Verhältnisse ihnen noch günstiger sind wie in Haiti. Der Naccnhaß wird
über kurz oder lang wieder zum Racenkampf sich entzünden. Schon murren
im Süden die Schwarzen, daß es ein Mulatte ist, welcher den Präsidenten¬
stuhl eingenommen hat. Nur die Herrschaft der Weißen kann hier Wandel
schaffen. Die der Schwarzen bedeutet Nacht sür die Königin der Antillen,
die der Gelben höchstens Dämmerung.




„Wir haben nur die Wahl zwischen dem Schrecklichen und dem Lächerlichen!"
sagte Thiers, als hinter den harmlosen Tischen der Ncformvanqucts das blutige
Gespenst der Revolution auftauchte: „on bon eiw^su xrvkvre I« i'iäieulo!" —
Das war verständig gesprochen, und ganz im Sinn der herrschenden Bourgeoisie;
aber der scharfsinnige Staatsmann und Geschichtschreiber übersah einen Umstand:
Gespenster lassen sich leichter rufen als bannen; das Schreckliche kam doch, und
man mußte es zum Lächerlichen mit in den Kauf nehmen.

Die Bourgeoisie ist seitdem von ihrem Thron gestürzt und das Militär hat
ihn bestiegen; die Civilklcidung ist der Uniform gewichen, statt der Spritzen fährt
man Kartätschen auf, das ganze Costüm hat sich verwandelt. Aber daß man darum
doch nicht aufhört, ein „guter Bürger" zu sein, zeigt die Monitcurnote vom
5. März. Seit zwei Monaten ist ganz Europa in Furcht und Zittern, es wird ge¬
trommelt und mit den Degen geklirrt, ein jeder ruft seinem Nachbar zu: „Fürchte
du dich, sonst fürchte ich mich!" — und plötzlich in die Mitte des allgemeinen
Lärms tritt der lustige Moniteur und erklärt, es sei alles ein Fastnachtsschwank,
man sei ja im Carneval! Zunächst steht das schaulustige Publicum verdutzt; dann
folgt ein lautes, allgemeines, im Ganzen fröhliches Gelächter; einige grollende Töne
lassen sich doch dazwischen vernehmen; wir wollen abwarten, ob diese Gespenster
dem Bann des Lächerlichen weichen.

„Die öffentliche Meinung macht sich im Ausland von der jetzigen Stellung der
Presse in Frankreich keinen richtigen Begriff. Man scheint zu allgemein anzunehmen,
daß die Zeitungen einer vorgnngigcn Censur unterworfen seien, und man schreibt
ihnen daher leicht eine Bedeutung zu, die sie im Grunde nicht haben. Man sollte
doch wissen, daß die Regierung durchaus keine vorbeugende Einwirkung auf die


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[0447] geschlossenen Häfen, und eine Note an den Präsidenten von Dominica zeigte diesem den Sturz des Kaisers officiell an und ertheilte zugleich die Versiche¬ rung, daß man in Port an Prince den Abschluß eines Friedens- und Freund- schaftsvcrtrags mit dem östlichen Nachbarland wünsche. Daß damit die thö¬ richte Wirthschaft aus diesem Theil der Insel ein Ende nehmen werde, wird nach dem Obengesagten niemand hoffen dürfen. Der Stumpfsinn und die Trägheit der Neger läßt sich von ihnen so wenig aliwaschen wie ihre Farbe. Ihre Unfähigkeit, einen Staat zu bilden, zeigt sich selbst in Liberia, wo die Verhältnisse ihnen noch günstiger sind wie in Haiti. Der Naccnhaß wird über kurz oder lang wieder zum Racenkampf sich entzünden. Schon murren im Süden die Schwarzen, daß es ein Mulatte ist, welcher den Präsidenten¬ stuhl eingenommen hat. Nur die Herrschaft der Weißen kann hier Wandel schaffen. Die der Schwarzen bedeutet Nacht sür die Königin der Antillen, die der Gelben höchstens Dämmerung. „Wir haben nur die Wahl zwischen dem Schrecklichen und dem Lächerlichen!" sagte Thiers, als hinter den harmlosen Tischen der Ncformvanqucts das blutige Gespenst der Revolution auftauchte: „on bon eiw^su xrvkvre I« i'iäieulo!" — Das war verständig gesprochen, und ganz im Sinn der herrschenden Bourgeoisie; aber der scharfsinnige Staatsmann und Geschichtschreiber übersah einen Umstand: Gespenster lassen sich leichter rufen als bannen; das Schreckliche kam doch, und man mußte es zum Lächerlichen mit in den Kauf nehmen. Die Bourgeoisie ist seitdem von ihrem Thron gestürzt und das Militär hat ihn bestiegen; die Civilklcidung ist der Uniform gewichen, statt der Spritzen fährt man Kartätschen auf, das ganze Costüm hat sich verwandelt. Aber daß man darum doch nicht aufhört, ein „guter Bürger" zu sein, zeigt die Monitcurnote vom 5. März. Seit zwei Monaten ist ganz Europa in Furcht und Zittern, es wird ge¬ trommelt und mit den Degen geklirrt, ein jeder ruft seinem Nachbar zu: „Fürchte du dich, sonst fürchte ich mich!" — und plötzlich in die Mitte des allgemeinen Lärms tritt der lustige Moniteur und erklärt, es sei alles ein Fastnachtsschwank, man sei ja im Carneval! Zunächst steht das schaulustige Publicum verdutzt; dann folgt ein lautes, allgemeines, im Ganzen fröhliches Gelächter; einige grollende Töne lassen sich doch dazwischen vernehmen; wir wollen abwarten, ob diese Gespenster dem Bann des Lächerlichen weichen. „Die öffentliche Meinung macht sich im Ausland von der jetzigen Stellung der Presse in Frankreich keinen richtigen Begriff. Man scheint zu allgemein anzunehmen, daß die Zeitungen einer vorgnngigcn Censur unterworfen seien, und man schreibt ihnen daher leicht eine Bedeutung zu, die sie im Grunde nicht haben. Man sollte doch wissen, daß die Regierung durchaus keine vorbeugende Einwirkung auf die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/447>, abgerufen am 04.05.2024.