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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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letzter Instanz Wiederherstellung des römischen Weltreichs ist. Wo die Nationen
ein eignes Leben haben und dieses Lebens sich bewußt sind, verliert der Ultra¬
montanismus alle Macht.

Wenden wir diese Betrachtungen auf die politische Frage an, die uns hier
zunächst vorliegt, so finden wir, daß zwei katholische Mächte, ohne dem Prin¬
cip ihrer Confession das mindeste zu vergeben, den Versuch machen, an die Stelle
des ultramontanen Princips das gallicanische, d. h. das nationale, zu setzen.
Dieses Streben muß unsere ganze Sympathie haben: denn wird es glücklich
durchgeführt, so kann die Rückwirkung auf unsere eigenen Zustände, auf die
Trennung des Romanismus vom Katholicismus, nicht ausbleiben. Oestreich
hätte jetzt wieder eine sehr günstige Gelegenheit, seine eigne Stelle zu befesti¬
gen, wenn es rasch entschlossen alle ultramontanen Beziehungen abwürfe und
im Sinne Joseph des Zweiten das kirchliche mit dem bürgerlichen Leben zu
versöhnen trachtete; es wird diese Gelegenheit nicht benutzen, und so bleibt
uns nichts anderes übrig, als in Gemeinschaft mit dem glaubensverwandten
und auch sittlich und national uns nahe stehenden England, was in unsern
Kräften steht, anzuwenden, daß jene Wiedergeburt der katholischen Nationen
ohne Störung vor sich gehe. Daß die Abtretung der Romagna der katho¬
lischen Confession keinen Schaden thun wird, ist eben so klar, als daß sie den
-f-j- ersten Nagel hergibt zum Sarge des Ultramontanismus.




FeldtlllirschM Fürst von Ligne.

Ovuvre-8 ein ?rines as Lixus, prseeäses et'uns introcluotion xg,r L.. Iig,croix.
4. Bd. LruxsIIes, Lebues.

Man hat über den Einfluß der französischen Literatur auf die deutsche
vielfache Untersuchungen angestellt; man hat namentlich die Nachtheile desselben
hervorgehoben, und ein guter Theil unserer Literaturgeschichte sieht fast wie
eine Auflehnung gegen die Uebermacht der Franzosen aus. Ueber den voll¬
ständigen Umfang dieses Einflusses ist man doch noch nicht recht ins Klare
gekommen.

In der Regel hat man nämlich nur zwei Phasen dieser Beziehung im
Auge.

Die erste war diejenige, wo das "classische Theater" der Franzosen für


23*.

letzter Instanz Wiederherstellung des römischen Weltreichs ist. Wo die Nationen
ein eignes Leben haben und dieses Lebens sich bewußt sind, verliert der Ultra¬
montanismus alle Macht.

Wenden wir diese Betrachtungen auf die politische Frage an, die uns hier
zunächst vorliegt, so finden wir, daß zwei katholische Mächte, ohne dem Prin¬
cip ihrer Confession das mindeste zu vergeben, den Versuch machen, an die Stelle
des ultramontanen Princips das gallicanische, d. h. das nationale, zu setzen.
Dieses Streben muß unsere ganze Sympathie haben: denn wird es glücklich
durchgeführt, so kann die Rückwirkung auf unsere eigenen Zustände, auf die
Trennung des Romanismus vom Katholicismus, nicht ausbleiben. Oestreich
hätte jetzt wieder eine sehr günstige Gelegenheit, seine eigne Stelle zu befesti¬
gen, wenn es rasch entschlossen alle ultramontanen Beziehungen abwürfe und
im Sinne Joseph des Zweiten das kirchliche mit dem bürgerlichen Leben zu
versöhnen trachtete; es wird diese Gelegenheit nicht benutzen, und so bleibt
uns nichts anderes übrig, als in Gemeinschaft mit dem glaubensverwandten
und auch sittlich und national uns nahe stehenden England, was in unsern
Kräften steht, anzuwenden, daß jene Wiedergeburt der katholischen Nationen
ohne Störung vor sich gehe. Daß die Abtretung der Romagna der katho¬
lischen Confession keinen Schaden thun wird, ist eben so klar, als daß sie den
-f-j- ersten Nagel hergibt zum Sarge des Ultramontanismus.




FeldtlllirschM Fürst von Ligne.

Ovuvre-8 ein ?rines as Lixus, prseeäses et'uns introcluotion xg,r L.. Iig,croix.
4. Bd. LruxsIIes, Lebues.

Man hat über den Einfluß der französischen Literatur auf die deutsche
vielfache Untersuchungen angestellt; man hat namentlich die Nachtheile desselben
hervorgehoben, und ein guter Theil unserer Literaturgeschichte sieht fast wie
eine Auflehnung gegen die Uebermacht der Franzosen aus. Ueber den voll¬
ständigen Umfang dieses Einflusses ist man doch noch nicht recht ins Klare
gekommen.

In der Regel hat man nämlich nur zwei Phasen dieser Beziehung im
Auge.

Die erste war diejenige, wo das „classische Theater" der Franzosen für


23*.
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[0191] letzter Instanz Wiederherstellung des römischen Weltreichs ist. Wo die Nationen ein eignes Leben haben und dieses Lebens sich bewußt sind, verliert der Ultra¬ montanismus alle Macht. Wenden wir diese Betrachtungen auf die politische Frage an, die uns hier zunächst vorliegt, so finden wir, daß zwei katholische Mächte, ohne dem Prin¬ cip ihrer Confession das mindeste zu vergeben, den Versuch machen, an die Stelle des ultramontanen Princips das gallicanische, d. h. das nationale, zu setzen. Dieses Streben muß unsere ganze Sympathie haben: denn wird es glücklich durchgeführt, so kann die Rückwirkung auf unsere eigenen Zustände, auf die Trennung des Romanismus vom Katholicismus, nicht ausbleiben. Oestreich hätte jetzt wieder eine sehr günstige Gelegenheit, seine eigne Stelle zu befesti¬ gen, wenn es rasch entschlossen alle ultramontanen Beziehungen abwürfe und im Sinne Joseph des Zweiten das kirchliche mit dem bürgerlichen Leben zu versöhnen trachtete; es wird diese Gelegenheit nicht benutzen, und so bleibt uns nichts anderes übrig, als in Gemeinschaft mit dem glaubensverwandten und auch sittlich und national uns nahe stehenden England, was in unsern Kräften steht, anzuwenden, daß jene Wiedergeburt der katholischen Nationen ohne Störung vor sich gehe. Daß die Abtretung der Romagna der katho¬ lischen Confession keinen Schaden thun wird, ist eben so klar, als daß sie den -f-j- ersten Nagel hergibt zum Sarge des Ultramontanismus. FeldtlllirschM Fürst von Ligne. Ovuvre-8 ein ?rines as Lixus, prseeäses et'uns introcluotion xg,r L.. Iig,croix. 4. Bd. LruxsIIes, Lebues. Man hat über den Einfluß der französischen Literatur auf die deutsche vielfache Untersuchungen angestellt; man hat namentlich die Nachtheile desselben hervorgehoben, und ein guter Theil unserer Literaturgeschichte sieht fast wie eine Auflehnung gegen die Uebermacht der Franzosen aus. Ueber den voll¬ ständigen Umfang dieses Einflusses ist man doch noch nicht recht ins Klare gekommen. In der Regel hat man nämlich nur zwei Phasen dieser Beziehung im Auge. Die erste war diejenige, wo das „classische Theater" der Franzosen für 23*.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/191>, abgerufen am 29.04.2024.