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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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Natürlich sind es einige Vorfälle im preußischen Landtag, die uns zu diesen
Bemerkungen veranlassen. Wir können um so unbefangener davon reden, da wir
die allgemeine Ansicht von der vorzüglichen Befähigung des gegenwärtigen Präsidenten
vollkommen theilen, und das, was uns als ein Mißgriff erscheint, nur einer vorüber¬
gehenden Verstimmung vcimcsscn.

Ueber das, was parlamentarisch schicklich ist, sind wir zu sehr geneigt, dem
Vorbild der Fremden blind nachzugehn. Hauptsächlich ist das der Fall mit der Ein¬
mischung des Königs oder des Regenten in die Debatte. Daß Man dies für par¬
lamentarisch unschicklich findet, hat doch nur folgenden Grund.

Wenn einer der Abgeordneten sich auf die persönliche Ansicht des Fürsten be¬
ruft, und diese als Argument gegen seine Gegner anwendet, so ist das parlamen¬
tarisch unschicklich, denn er stopft denselben den Mund, da es unhöflich wäre, und
gegen die Ehrfurcht, die man der Kron schuldet, die persönlichen Ansichten des
Trägers derselben so zu behandeln, als die anderer Leute. Für diese Ansichten treten
seine Diener, die Minister ein, von denen man mit Recht voraussetzt, sie werden
nur diejenigen Ansichten ihres Herrn vertreten, die auch die ihrigen sind. Sie stehn,
wie man sich ausdrückt, vor den Riß.

Dagegen wäre es arge Pedanterie, jede Erwähnung des Königs oder des Re¬
genten als unparlamentarisch zu bezeichnen. Wenn z. B. ein Mitglied der äußersten
Rechten -- oder vielmehr, wie es setzt heißt, äußersten Linken -- seine Ansicht über
eine beliebige Steuer mit der besondern Treue gegen das Königthum im Allgemeinen
motivirt -- wem stopft er damit den Mund? -- Die andern können ja sagen, wir
sind ebenso treu als Du; und grade weil wir treu sind, oder: obwol wir treu sind
u. s. w.; oder sie können sagen! die Treue gegen das Königthum ist uns viel, aber
die Pflichten gegen unser Vaterland gehn doch noch vor u. s. w.

Denn das zu denken und zu sagen ist doch wol erlaubt? -- Es ist jetzt na¬
mentlich in Bezug auf die Kricgshcrrschaft ein solcher Mißbrauch der gewöhnlichsten
Begriffe eingetreten, daß jede beliebige Angelegenheit unter den militärischen Gesichts¬
punkt gestellt und dadurch als Sache des Kriegsherrn dem freien Votum der Ab¬
geordneten entzogen werden kann.

Natürlich ist das nur im Pickwickischcn Sinn gemeint. Das mögen die preu¬
1' 1' ßischen Abgeordneten sich merken.




Mit Ur. SA beginnt diese Zeitschrift ein neues Quartal,
, welches durch alle Buchhandlungen und Postämter zu be¬
ziehen ist.
Leipzig, im März 1860.Die Verlagshandlung




Herausgegeben von Gustav Freytag und Julian Schmidt.
Percmtwoi'tlicher Redacteur- Dr. Morip Busch
Verlag veri F, L, Hei dig -- Druck von C. K. (5!ben ni Leipzig.

Natürlich sind es einige Vorfälle im preußischen Landtag, die uns zu diesen
Bemerkungen veranlassen. Wir können um so unbefangener davon reden, da wir
die allgemeine Ansicht von der vorzüglichen Befähigung des gegenwärtigen Präsidenten
vollkommen theilen, und das, was uns als ein Mißgriff erscheint, nur einer vorüber¬
gehenden Verstimmung vcimcsscn.

Ueber das, was parlamentarisch schicklich ist, sind wir zu sehr geneigt, dem
Vorbild der Fremden blind nachzugehn. Hauptsächlich ist das der Fall mit der Ein¬
mischung des Königs oder des Regenten in die Debatte. Daß Man dies für par¬
lamentarisch unschicklich findet, hat doch nur folgenden Grund.

Wenn einer der Abgeordneten sich auf die persönliche Ansicht des Fürsten be¬
ruft, und diese als Argument gegen seine Gegner anwendet, so ist das parlamen¬
tarisch unschicklich, denn er stopft denselben den Mund, da es unhöflich wäre, und
gegen die Ehrfurcht, die man der Kron schuldet, die persönlichen Ansichten des
Trägers derselben so zu behandeln, als die anderer Leute. Für diese Ansichten treten
seine Diener, die Minister ein, von denen man mit Recht voraussetzt, sie werden
nur diejenigen Ansichten ihres Herrn vertreten, die auch die ihrigen sind. Sie stehn,
wie man sich ausdrückt, vor den Riß.

Dagegen wäre es arge Pedanterie, jede Erwähnung des Königs oder des Re¬
genten als unparlamentarisch zu bezeichnen. Wenn z. B. ein Mitglied der äußersten
Rechten — oder vielmehr, wie es setzt heißt, äußersten Linken — seine Ansicht über
eine beliebige Steuer mit der besondern Treue gegen das Königthum im Allgemeinen
motivirt — wem stopft er damit den Mund? — Die andern können ja sagen, wir
sind ebenso treu als Du; und grade weil wir treu sind, oder: obwol wir treu sind
u. s. w.; oder sie können sagen! die Treue gegen das Königthum ist uns viel, aber
die Pflichten gegen unser Vaterland gehn doch noch vor u. s. w.

Denn das zu denken und zu sagen ist doch wol erlaubt? — Es ist jetzt na¬
mentlich in Bezug auf die Kricgshcrrschaft ein solcher Mißbrauch der gewöhnlichsten
Begriffe eingetreten, daß jede beliebige Angelegenheit unter den militärischen Gesichts¬
punkt gestellt und dadurch als Sache des Kriegsherrn dem freien Votum der Ab¬
geordneten entzogen werden kann.

Natürlich ist das nur im Pickwickischcn Sinn gemeint. Das mögen die preu¬
1' 1' ßischen Abgeordneten sich merken.




Mit Ur. SA beginnt diese Zeitschrift ein neues Quartal,
, welches durch alle Buchhandlungen und Postämter zu be¬
ziehen ist.
Leipzig, im März 1860.Die Verlagshandlung




Herausgegeben von Gustav Freytag und Julian Schmidt.
Percmtwoi'tlicher Redacteur- Dr. Morip Busch
Verlag veri F, L, Hei dig — Druck von C. K. (5!ben ni Leipzig.
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[0532] Natürlich sind es einige Vorfälle im preußischen Landtag, die uns zu diesen Bemerkungen veranlassen. Wir können um so unbefangener davon reden, da wir die allgemeine Ansicht von der vorzüglichen Befähigung des gegenwärtigen Präsidenten vollkommen theilen, und das, was uns als ein Mißgriff erscheint, nur einer vorüber¬ gehenden Verstimmung vcimcsscn. Ueber das, was parlamentarisch schicklich ist, sind wir zu sehr geneigt, dem Vorbild der Fremden blind nachzugehn. Hauptsächlich ist das der Fall mit der Ein¬ mischung des Königs oder des Regenten in die Debatte. Daß Man dies für par¬ lamentarisch unschicklich findet, hat doch nur folgenden Grund. Wenn einer der Abgeordneten sich auf die persönliche Ansicht des Fürsten be¬ ruft, und diese als Argument gegen seine Gegner anwendet, so ist das parlamen¬ tarisch unschicklich, denn er stopft denselben den Mund, da es unhöflich wäre, und gegen die Ehrfurcht, die man der Kron schuldet, die persönlichen Ansichten des Trägers derselben so zu behandeln, als die anderer Leute. Für diese Ansichten treten seine Diener, die Minister ein, von denen man mit Recht voraussetzt, sie werden nur diejenigen Ansichten ihres Herrn vertreten, die auch die ihrigen sind. Sie stehn, wie man sich ausdrückt, vor den Riß. Dagegen wäre es arge Pedanterie, jede Erwähnung des Königs oder des Re¬ genten als unparlamentarisch zu bezeichnen. Wenn z. B. ein Mitglied der äußersten Rechten — oder vielmehr, wie es setzt heißt, äußersten Linken — seine Ansicht über eine beliebige Steuer mit der besondern Treue gegen das Königthum im Allgemeinen motivirt — wem stopft er damit den Mund? — Die andern können ja sagen, wir sind ebenso treu als Du; und grade weil wir treu sind, oder: obwol wir treu sind u. s. w.; oder sie können sagen! die Treue gegen das Königthum ist uns viel, aber die Pflichten gegen unser Vaterland gehn doch noch vor u. s. w. Denn das zu denken und zu sagen ist doch wol erlaubt? — Es ist jetzt na¬ mentlich in Bezug auf die Kricgshcrrschaft ein solcher Mißbrauch der gewöhnlichsten Begriffe eingetreten, daß jede beliebige Angelegenheit unter den militärischen Gesichts¬ punkt gestellt und dadurch als Sache des Kriegsherrn dem freien Votum der Ab¬ geordneten entzogen werden kann. Natürlich ist das nur im Pickwickischcn Sinn gemeint. Das mögen die preu¬ 1' 1' ßischen Abgeordneten sich merken. Mit Ur. SA beginnt diese Zeitschrift ein neues Quartal, , welches durch alle Buchhandlungen und Postämter zu be¬ ziehen ist. Leipzig, im März 1860.Die Verlagshandlung Herausgegeben von Gustav Freytag und Julian Schmidt. Percmtwoi'tlicher Redacteur- Dr. Morip Busch Verlag veri F, L, Hei dig — Druck von C. K. (5!ben ni Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/532>, abgerufen am 29.04.2024.