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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. II. Band.

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Militärische Tagesfragen.
Die Umgestaltung des preußischen Heeres.

Gleich bei dem Bekanntwerden des nunmehr den Ständen vorliegenden
Planes zur Reorganisation der preußischen Armee tauchten bei einem alten
Militär Bedenken so ernster Natur auf, daß er, obwol kein Preuße, es für Pflicht
hält, seine Ansichten über diesen hochwichtigen Gegenstand auszusprechen.

Ein jeglicher Officier weih, daß keineswegs ein bestimmter Modus der
Heeres-Organisation. nicht die auf dem Excrcirplatz zu erlernende Taktik, nicht
die mehr oder weniger vollendete Ausbildung eines oder des anderen Zweiges
der Exercir-Reglements im ernsten Kampfe die Entscheidung bringt. Der
kriegsmuthige, entschlossene Geist der Truppe, der feste Wille zu siegen, die
körperliche Gewandtheit und Ausdauer, die Uebung, das Terrain zu benutzen,
mithin nicht allein die mechanische Ausbildung, entscheidet bei einsichtsvoller
und cousequenter Führung den Kampf, führt zum Siege.

In älteren Zeiten wie in allerneuester hat freilich gar oft ein ganz an¬
derer Factor den Sieg herbeigeführt, das Gold, doch die Macht dieses Me¬
talles darf hier wol unerwähnt bleiben; es handelt sich hier nur darum, wie
eine ehrliche Masse tüchtig geführt werden könne.

Eine gut geführte, intelligente, nicht an eine einzige Art der Kriegführung
gewöhnte Truppe muß auch gegen ungewohnte Art des Gefechtes sicher, aus
die eigene Kraft vertrauend, die richtigen Gegenanstrengungen zu ergreifen
wissen.

Schlachten, durch künstliche Evolutionen gewonnen, wie im siebenjährigen
Kriege, werden nicht mehr geschlagen, zur Parade herabgewürdigte Nach¬
ahmungen großer Schlachten hoffentlich nicht mehr, wie unter Kaiser Nicolaus
dem Ersten, wochenlang eingeübt werden.

Das so unendlich verbesserte Feuergewehr. das so unglaublich erleichterte,
auf enorme Distanzen treffende, bewegliche neue Geschütz bedingt eine ganz
andere Art der Ausbildung des Jnfanteristen als die früher beliebte, in War¬
schau vor dreißig Jahren auf das brillanteste und vollkommenste ausgebildete.
Nur der Reiter bleibt unberührt von allen diesen Neuerungen: sein geschwin¬
des Roß ist keiner mechanischen Ausbildung sähig; jetzt, wie vor Cäsars Zei-


Grenzbotm II. 18L0. 1
Militärische Tagesfragen.
Die Umgestaltung des preußischen Heeres.

Gleich bei dem Bekanntwerden des nunmehr den Ständen vorliegenden
Planes zur Reorganisation der preußischen Armee tauchten bei einem alten
Militär Bedenken so ernster Natur auf, daß er, obwol kein Preuße, es für Pflicht
hält, seine Ansichten über diesen hochwichtigen Gegenstand auszusprechen.

Ein jeglicher Officier weih, daß keineswegs ein bestimmter Modus der
Heeres-Organisation. nicht die auf dem Excrcirplatz zu erlernende Taktik, nicht
die mehr oder weniger vollendete Ausbildung eines oder des anderen Zweiges
der Exercir-Reglements im ernsten Kampfe die Entscheidung bringt. Der
kriegsmuthige, entschlossene Geist der Truppe, der feste Wille zu siegen, die
körperliche Gewandtheit und Ausdauer, die Uebung, das Terrain zu benutzen,
mithin nicht allein die mechanische Ausbildung, entscheidet bei einsichtsvoller
und cousequenter Führung den Kampf, führt zum Siege.

In älteren Zeiten wie in allerneuester hat freilich gar oft ein ganz an¬
derer Factor den Sieg herbeigeführt, das Gold, doch die Macht dieses Me¬
talles darf hier wol unerwähnt bleiben; es handelt sich hier nur darum, wie
eine ehrliche Masse tüchtig geführt werden könne.

Eine gut geführte, intelligente, nicht an eine einzige Art der Kriegführung
gewöhnte Truppe muß auch gegen ungewohnte Art des Gefechtes sicher, aus
die eigene Kraft vertrauend, die richtigen Gegenanstrengungen zu ergreifen
wissen.

Schlachten, durch künstliche Evolutionen gewonnen, wie im siebenjährigen
Kriege, werden nicht mehr geschlagen, zur Parade herabgewürdigte Nach¬
ahmungen großer Schlachten hoffentlich nicht mehr, wie unter Kaiser Nicolaus
dem Ersten, wochenlang eingeübt werden.

Das so unendlich verbesserte Feuergewehr. das so unglaublich erleichterte,
auf enorme Distanzen treffende, bewegliche neue Geschütz bedingt eine ganz
andere Art der Ausbildung des Jnfanteristen als die früher beliebte, in War¬
schau vor dreißig Jahren auf das brillanteste und vollkommenste ausgebildete.
Nur der Reiter bleibt unberührt von allen diesen Neuerungen: sein geschwin¬
des Roß ist keiner mechanischen Ausbildung sähig; jetzt, wie vor Cäsars Zei-


Grenzbotm II. 18L0. 1
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[0013] Militärische Tagesfragen. Die Umgestaltung des preußischen Heeres. Gleich bei dem Bekanntwerden des nunmehr den Ständen vorliegenden Planes zur Reorganisation der preußischen Armee tauchten bei einem alten Militär Bedenken so ernster Natur auf, daß er, obwol kein Preuße, es für Pflicht hält, seine Ansichten über diesen hochwichtigen Gegenstand auszusprechen. Ein jeglicher Officier weih, daß keineswegs ein bestimmter Modus der Heeres-Organisation. nicht die auf dem Excrcirplatz zu erlernende Taktik, nicht die mehr oder weniger vollendete Ausbildung eines oder des anderen Zweiges der Exercir-Reglements im ernsten Kampfe die Entscheidung bringt. Der kriegsmuthige, entschlossene Geist der Truppe, der feste Wille zu siegen, die körperliche Gewandtheit und Ausdauer, die Uebung, das Terrain zu benutzen, mithin nicht allein die mechanische Ausbildung, entscheidet bei einsichtsvoller und cousequenter Führung den Kampf, führt zum Siege. In älteren Zeiten wie in allerneuester hat freilich gar oft ein ganz an¬ derer Factor den Sieg herbeigeführt, das Gold, doch die Macht dieses Me¬ talles darf hier wol unerwähnt bleiben; es handelt sich hier nur darum, wie eine ehrliche Masse tüchtig geführt werden könne. Eine gut geführte, intelligente, nicht an eine einzige Art der Kriegführung gewöhnte Truppe muß auch gegen ungewohnte Art des Gefechtes sicher, aus die eigene Kraft vertrauend, die richtigen Gegenanstrengungen zu ergreifen wissen. Schlachten, durch künstliche Evolutionen gewonnen, wie im siebenjährigen Kriege, werden nicht mehr geschlagen, zur Parade herabgewürdigte Nach¬ ahmungen großer Schlachten hoffentlich nicht mehr, wie unter Kaiser Nicolaus dem Ersten, wochenlang eingeübt werden. Das so unendlich verbesserte Feuergewehr. das so unglaublich erleichterte, auf enorme Distanzen treffende, bewegliche neue Geschütz bedingt eine ganz andere Art der Ausbildung des Jnfanteristen als die früher beliebte, in War¬ schau vor dreißig Jahren auf das brillanteste und vollkommenste ausgebildete. Nur der Reiter bleibt unberührt von allen diesen Neuerungen: sein geschwin¬ des Roß ist keiner mechanischen Ausbildung sähig; jetzt, wie vor Cäsars Zei- Grenzbotm II. 18L0. 1

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109263/13>, abgerufen am 19.05.2024.