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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. II. Band.

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Dazu muß die Bunt freilich zuerst in den Stand gesetzt werden, ihre Ver¬
pflichtungen zu erfüllen und hiefür soll wesentlich das neue Lotterie-Anlehcn
dienen. Wird es diesen Zweck erreichen? wir erlauben uns es zu bezweifeln,
bei den günstigsten Anervietnngen, welche den Staat mit einer neuen jährlichen
Zinsenlast von 12 Mill. Fi. beschweren, bei den lockenden Gewinnen sind bis
jetzt nur 70 Mill., also etwas über V" des erforderten Betrages gezeichnet,
diese 70 Mill. gehen aber lange nicht zum Nominalbelauf in Silber ein, also
kann aus dem Erträgniß des Urlebens nur ein kleiner Theil der Staatsschuld
von 264 Mill. an die Bank zurückgezahlt werden. Außerdem liegt die Ver¬
muthung nahe genug, daß dies Anlehcn wie so viele früheren seinem Zwecke
entfremdet und zu unproductiven Rüstungen verwendet werden werde, ist doch
die politische Zukunft Oestreichs so dunkel wie möglich! Wir haben oben seinen
Zustand mit dem Frankreichs von 178!) verglichen, "die Parallele läßt sich
weiter führen, aber wenn die jetzigen gährenden Zustände mit den französischen
am <5nde des 18. Jahrhunderts vielfache Analogien haben, so glauben wir
wird das Resultat ein ganz entgegengesetztes sein. Die Revolution von I78ö
führte zur Centralisirung und einheitlichen Verschmelzung der Provinzen Frank¬
reichs, wenn aber der erweiterte östreichische Reichsrath zu Generalstaaten oder
zum Convent werden sollte, so muß die Auflösung der habsburgischen Mon¬
archie in ihre disparaten Bestandtheile die Folge sein.




Die Glaubelisphllostiphie.
3.
Alwill und Woldemar.

Die Gründung des Merkur bezweckte zunächst, die ökonomischen Umstände
der beiden Freunde zu verbessern. Wieland als armer Professor in Erfurt
und seit dem 11. Aug. 1772 als Priuzenhofmeister in Weimar bedürfte einer
Zulage sehr dringend. Auch F. H. Jacobi's Verhältnisse hatten sich verschlech¬
tert: sein Vater, durch verschiedne Unglücksfälle betroffen, näherte sich mehr
und mehr dem Bankerott, d'em er im März 1774 rettungslos und zum grö߬
te" Elend verfiel; Jcicobi selbst hatte Ende 1771 sein Gewerbe aufgegeben
und durch seine Gönner Vollstem und Hompesch ein Staatsamt erlangt; die
Disposition über das sehr ansehnliche Vermögen seiner Frau erhielt er erst
177K. Die Journalistik schien das bequemste Mittel, schnell etwas zu erwer¬
ben; in Weimar sah man es gern, in der Hoffnung, über das Ländchen da-


Dazu muß die Bunt freilich zuerst in den Stand gesetzt werden, ihre Ver¬
pflichtungen zu erfüllen und hiefür soll wesentlich das neue Lotterie-Anlehcn
dienen. Wird es diesen Zweck erreichen? wir erlauben uns es zu bezweifeln,
bei den günstigsten Anervietnngen, welche den Staat mit einer neuen jährlichen
Zinsenlast von 12 Mill. Fi. beschweren, bei den lockenden Gewinnen sind bis
jetzt nur 70 Mill., also etwas über V» des erforderten Betrages gezeichnet,
diese 70 Mill. gehen aber lange nicht zum Nominalbelauf in Silber ein, also
kann aus dem Erträgniß des Urlebens nur ein kleiner Theil der Staatsschuld
von 264 Mill. an die Bank zurückgezahlt werden. Außerdem liegt die Ver¬
muthung nahe genug, daß dies Anlehcn wie so viele früheren seinem Zwecke
entfremdet und zu unproductiven Rüstungen verwendet werden werde, ist doch
die politische Zukunft Oestreichs so dunkel wie möglich! Wir haben oben seinen
Zustand mit dem Frankreichs von 178!) verglichen, "die Parallele läßt sich
weiter führen, aber wenn die jetzigen gährenden Zustände mit den französischen
am <5nde des 18. Jahrhunderts vielfache Analogien haben, so glauben wir
wird das Resultat ein ganz entgegengesetztes sein. Die Revolution von I78ö
führte zur Centralisirung und einheitlichen Verschmelzung der Provinzen Frank¬
reichs, wenn aber der erweiterte östreichische Reichsrath zu Generalstaaten oder
zum Convent werden sollte, so muß die Auflösung der habsburgischen Mon¬
archie in ihre disparaten Bestandtheile die Folge sein.




Die Glaubelisphllostiphie.
3.
Alwill und Woldemar.

Die Gründung des Merkur bezweckte zunächst, die ökonomischen Umstände
der beiden Freunde zu verbessern. Wieland als armer Professor in Erfurt
und seit dem 11. Aug. 1772 als Priuzenhofmeister in Weimar bedürfte einer
Zulage sehr dringend. Auch F. H. Jacobi's Verhältnisse hatten sich verschlech¬
tert: sein Vater, durch verschiedne Unglücksfälle betroffen, näherte sich mehr
und mehr dem Bankerott, d'em er im März 1774 rettungslos und zum grö߬
te» Elend verfiel; Jcicobi selbst hatte Ende 1771 sein Gewerbe aufgegeben
und durch seine Gönner Vollstem und Hompesch ein Staatsamt erlangt; die
Disposition über das sehr ansehnliche Vermögen seiner Frau erhielt er erst
177K. Die Journalistik schien das bequemste Mittel, schnell etwas zu erwer¬
ben; in Weimar sah man es gern, in der Hoffnung, über das Ländchen da-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109263/178>, abgerufen am 19.05.2024.