Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

mich Genichbare aufzunehmen. und dann Hütte es meine Eitelkeit nicht wenig
geschmeichelt, einen Gelehrten an meiner Seite herum zu führen. Nun er¬
fahre ich, daß Sie ein reicher Mann sind, noch reicher dadurch, daß Sie so
unabhängig von allen sonst gemeiniglich unentbehrlich geglaubten Bedürfnissen
sind. Da mühte ich nun meinen Antrag bei Seite legen. Aber loben würde
ich es an Ihnen, wenn Sie, ungeachtet Ihrer äußern und innern Unabhängig¬
keit dennoch sich bereitwillig finden ließen, entweder nach Carlsbad zu kommen
oder einen Platz in meinem Wagen anzunehmen.

In drei Tagen etwa gehe ich nach Cöln, um das schöne Rheinthal noch
einmal zu sehen und zugleich die dortigen Kunstsammlungen. Düsseldorf ist
nur wenige Meilen von Cöln. vielleicht sind Sie so artig, dann dorthin zu
kommen.

Die Rheinlande und ihre Bewohner habe ich so lieb gewonnen, daß ich
jetzt den festen Entschluß gefaßt habe, obgleich meine militärische Wirksamkeit
hier aufhört, mir ein Landgut am Rhein zu kaufen. Eine feste Wahl habe
ich noch nicht getroffen.

Von einer Konstitution höre auch ich viel reden. Bei der Stimmung
der Gemüther und nach dem lächerlich ärgerlichen Streit, den das elendeste
Gesindel Berlins erhoben hat, halte ich die Einleitung zu einer Konstitution
für sehr bedenklich, wenn da nicht mit hoher Weisheit verfahren wird. Ich
habe mich nun zu Vmckes Meinung bekehrt, daß nämlich eine gute Verwalt¬
ung uns vor allem Noth thue. Früher hatte ich gemeint, aus einer guten
Verfassung werde eine gute Verwaltung von selbst sich entwickeln, denn die
unsere ist eine solche nicht und offenbar zu zahlreich und folglich zu kostbar;
nun hat man durch Mangel an feinem Gefühl die Sachen dergestalt geleitet,
daß man bei der Verwaltung anfangen muß. um die Verfassung in Gang zu
bringen. Vinckes vortreffliche Schrift über die britische Verwaltung enthält
vortreffliche Lehren, die nicht den Personen zu Gefallen, sondern des edleren
Zweckes wegen zu, regieren sich bestreben.


Sie wollen meiner mit Wohlwollen eingedenk sein, als Ihren, Ihnen
t v. Gneisenau. reu ergebenen Dr.
3.

Kauffung den 1. November 1816.


Mein verehrter Herr Professor.

Zuvörderst lassen Sie sich sagen, daß Ihre so beschleunigte Abreise aus
unserm Gebirge, bei denen, die Sie dem Leibe und dem Geiste nach kennen,
allgemeines Bedauern erregt hat. Dies ist keine verbindliche Uebertreibung
sondern die lautere Wahrheit. Sie haben sich Aller Gewogenheit erworben;
der Aristokraten, der Konstitutionellen, und ich vermuthe auch der Jacobiner.

S,e hätten freilich noch länger hier bleiben können und sollen, das Wet-


Grenzboten n, iftgg. 2

mich Genichbare aufzunehmen. und dann Hütte es meine Eitelkeit nicht wenig
geschmeichelt, einen Gelehrten an meiner Seite herum zu führen. Nun er¬
fahre ich, daß Sie ein reicher Mann sind, noch reicher dadurch, daß Sie so
unabhängig von allen sonst gemeiniglich unentbehrlich geglaubten Bedürfnissen
sind. Da mühte ich nun meinen Antrag bei Seite legen. Aber loben würde
ich es an Ihnen, wenn Sie, ungeachtet Ihrer äußern und innern Unabhängig¬
keit dennoch sich bereitwillig finden ließen, entweder nach Carlsbad zu kommen
oder einen Platz in meinem Wagen anzunehmen.

In drei Tagen etwa gehe ich nach Cöln, um das schöne Rheinthal noch
einmal zu sehen und zugleich die dortigen Kunstsammlungen. Düsseldorf ist
nur wenige Meilen von Cöln. vielleicht sind Sie so artig, dann dorthin zu
kommen.

Die Rheinlande und ihre Bewohner habe ich so lieb gewonnen, daß ich
jetzt den festen Entschluß gefaßt habe, obgleich meine militärische Wirksamkeit
hier aufhört, mir ein Landgut am Rhein zu kaufen. Eine feste Wahl habe
ich noch nicht getroffen.

Von einer Konstitution höre auch ich viel reden. Bei der Stimmung
der Gemüther und nach dem lächerlich ärgerlichen Streit, den das elendeste
Gesindel Berlins erhoben hat, halte ich die Einleitung zu einer Konstitution
für sehr bedenklich, wenn da nicht mit hoher Weisheit verfahren wird. Ich
habe mich nun zu Vmckes Meinung bekehrt, daß nämlich eine gute Verwalt¬
ung uns vor allem Noth thue. Früher hatte ich gemeint, aus einer guten
Verfassung werde eine gute Verwaltung von selbst sich entwickeln, denn die
unsere ist eine solche nicht und offenbar zu zahlreich und folglich zu kostbar;
nun hat man durch Mangel an feinem Gefühl die Sachen dergestalt geleitet,
daß man bei der Verwaltung anfangen muß. um die Verfassung in Gang zu
bringen. Vinckes vortreffliche Schrift über die britische Verwaltung enthält
vortreffliche Lehren, die nicht den Personen zu Gefallen, sondern des edleren
Zweckes wegen zu, regieren sich bestreben.


Sie wollen meiner mit Wohlwollen eingedenk sein, als Ihren, Ihnen
t v. Gneisenau. reu ergebenen Dr.
3.

Kauffung den 1. November 1816.


Mein verehrter Herr Professor.

Zuvörderst lassen Sie sich sagen, daß Ihre so beschleunigte Abreise aus
unserm Gebirge, bei denen, die Sie dem Leibe und dem Geiste nach kennen,
allgemeines Bedauern erregt hat. Dies ist keine verbindliche Uebertreibung
sondern die lautere Wahrheit. Sie haben sich Aller Gewogenheit erworben;
der Aristokraten, der Konstitutionellen, und ich vermuthe auch der Jacobiner.

S,e hätten freilich noch länger hier bleiben können und sollen, das Wet-


Grenzboten n, iftgg. 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0021" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/109285"/>
          <p xml:id="ID_49" prev="#ID_48"> mich Genichbare aufzunehmen. und dann Hütte es meine Eitelkeit nicht wenig<lb/>
geschmeichelt, einen Gelehrten an meiner Seite herum zu führen. Nun er¬<lb/>
fahre ich, daß Sie ein reicher Mann sind, noch reicher dadurch, daß Sie so<lb/>
unabhängig von allen sonst gemeiniglich unentbehrlich geglaubten Bedürfnissen<lb/>
sind. Da mühte ich nun meinen Antrag bei Seite legen. Aber loben würde<lb/>
ich es an Ihnen, wenn Sie, ungeachtet Ihrer äußern und innern Unabhängig¬<lb/>
keit dennoch sich bereitwillig finden ließen, entweder nach Carlsbad zu kommen<lb/>
oder einen Platz in meinem Wagen anzunehmen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_50"> In drei Tagen etwa gehe ich nach Cöln, um das schöne Rheinthal noch<lb/>
einmal zu sehen und zugleich die dortigen Kunstsammlungen. Düsseldorf ist<lb/>
nur wenige Meilen von Cöln. vielleicht sind Sie so artig, dann dorthin zu<lb/>
kommen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_51"> Die Rheinlande und ihre Bewohner habe ich so lieb gewonnen, daß ich<lb/>
jetzt den festen Entschluß gefaßt habe, obgleich meine militärische Wirksamkeit<lb/>
hier aufhört, mir ein Landgut am Rhein zu kaufen. Eine feste Wahl habe<lb/>
ich noch nicht getroffen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_52"> Von einer Konstitution höre auch ich viel reden. Bei der Stimmung<lb/>
der Gemüther und nach dem lächerlich ärgerlichen Streit, den das elendeste<lb/>
Gesindel Berlins erhoben hat, halte ich die Einleitung zu einer Konstitution<lb/>
für sehr bedenklich, wenn da nicht mit hoher Weisheit verfahren wird. Ich<lb/>
habe mich nun zu Vmckes Meinung bekehrt, daß nämlich eine gute Verwalt¬<lb/>
ung uns vor allem Noth thue. Früher hatte ich gemeint, aus einer guten<lb/>
Verfassung werde eine gute Verwaltung von selbst sich entwickeln, denn die<lb/>
unsere ist eine solche nicht und offenbar zu zahlreich und folglich zu kostbar;<lb/>
nun hat man durch Mangel an feinem Gefühl die Sachen dergestalt geleitet,<lb/>
daß man bei der Verwaltung anfangen muß. um die Verfassung in Gang zu<lb/>
bringen. Vinckes vortreffliche Schrift über die britische Verwaltung enthält<lb/>
vortreffliche Lehren, die nicht den Personen zu Gefallen, sondern des edleren<lb/>
Zweckes wegen zu, regieren sich bestreben.</p><lb/>
          <note type="closer"> Sie wollen meiner mit Wohlwollen eingedenk sein, als Ihren, Ihnen<lb/>
t<note type="bibl"> v. Gneisenau.</note> reu ergebenen Dr. </note><lb/>
        </div>
        <div n="2">
          <head> 3.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_53"> Kauffung den 1. November 1816.</p><lb/>
          <note type="salute"> Mein verehrter Herr Professor.</note><lb/>
          <p xml:id="ID_54"> Zuvörderst lassen Sie sich sagen, daß Ihre so beschleunigte Abreise aus<lb/>
unserm Gebirge, bei denen, die Sie dem Leibe und dem Geiste nach kennen,<lb/>
allgemeines Bedauern erregt hat.  Dies ist keine verbindliche Uebertreibung<lb/>
sondern die lautere Wahrheit.  Sie haben sich Aller Gewogenheit erworben;<lb/>
der Aristokraten, der Konstitutionellen, und ich vermuthe auch der Jacobiner.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_55" next="#ID_56"> S,e hätten freilich noch länger hier bleiben können und sollen, das Wet-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten n, iftgg. 2</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0021] mich Genichbare aufzunehmen. und dann Hütte es meine Eitelkeit nicht wenig geschmeichelt, einen Gelehrten an meiner Seite herum zu führen. Nun er¬ fahre ich, daß Sie ein reicher Mann sind, noch reicher dadurch, daß Sie so unabhängig von allen sonst gemeiniglich unentbehrlich geglaubten Bedürfnissen sind. Da mühte ich nun meinen Antrag bei Seite legen. Aber loben würde ich es an Ihnen, wenn Sie, ungeachtet Ihrer äußern und innern Unabhängig¬ keit dennoch sich bereitwillig finden ließen, entweder nach Carlsbad zu kommen oder einen Platz in meinem Wagen anzunehmen. In drei Tagen etwa gehe ich nach Cöln, um das schöne Rheinthal noch einmal zu sehen und zugleich die dortigen Kunstsammlungen. Düsseldorf ist nur wenige Meilen von Cöln. vielleicht sind Sie so artig, dann dorthin zu kommen. Die Rheinlande und ihre Bewohner habe ich so lieb gewonnen, daß ich jetzt den festen Entschluß gefaßt habe, obgleich meine militärische Wirksamkeit hier aufhört, mir ein Landgut am Rhein zu kaufen. Eine feste Wahl habe ich noch nicht getroffen. Von einer Konstitution höre auch ich viel reden. Bei der Stimmung der Gemüther und nach dem lächerlich ärgerlichen Streit, den das elendeste Gesindel Berlins erhoben hat, halte ich die Einleitung zu einer Konstitution für sehr bedenklich, wenn da nicht mit hoher Weisheit verfahren wird. Ich habe mich nun zu Vmckes Meinung bekehrt, daß nämlich eine gute Verwalt¬ ung uns vor allem Noth thue. Früher hatte ich gemeint, aus einer guten Verfassung werde eine gute Verwaltung von selbst sich entwickeln, denn die unsere ist eine solche nicht und offenbar zu zahlreich und folglich zu kostbar; nun hat man durch Mangel an feinem Gefühl die Sachen dergestalt geleitet, daß man bei der Verwaltung anfangen muß. um die Verfassung in Gang zu bringen. Vinckes vortreffliche Schrift über die britische Verwaltung enthält vortreffliche Lehren, die nicht den Personen zu Gefallen, sondern des edleren Zweckes wegen zu, regieren sich bestreben. Sie wollen meiner mit Wohlwollen eingedenk sein, als Ihren, Ihnen t v. Gneisenau. reu ergebenen Dr. 3. Kauffung den 1. November 1816. Mein verehrter Herr Professor. Zuvörderst lassen Sie sich sagen, daß Ihre so beschleunigte Abreise aus unserm Gebirge, bei denen, die Sie dem Leibe und dem Geiste nach kennen, allgemeines Bedauern erregt hat. Dies ist keine verbindliche Uebertreibung sondern die lautere Wahrheit. Sie haben sich Aller Gewogenheit erworben; der Aristokraten, der Konstitutionellen, und ich vermuthe auch der Jacobiner. S,e hätten freilich noch länger hier bleiben können und sollen, das Wet- Grenzboten n, iftgg. 2

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109263
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109263/21
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109263/21>, abgerufen am 19.05.2024.