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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. II. Band.

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ekelt, sind historischer Natur. Man kann sagen, wenn ein so Heller Kopf dem
Einflüsse der historischen Irrthümer nicht entgehen kann (ich hätte beinahe
gesagt: der konstanten Große historischer Irrthümer), wie könnte es ein an¬
derer. Darum gehe ich so ungern an Niederschreibung dessen, was ich gese¬
hen, denn ich stehe unter demselben Einflüsse und bei mir, als handelnder
Person, kommt noch die Leidenschaftlichkeit hinzu, womit ich erfüllt bin gegen
Indolenz. Furchtsamkeit, (politische) Selbstsucht. Mangel an Vaterlandsliebe,
Franzosensinn. Zaudern. Unentschlossenheit, Falschheit, Gleichgültigkeit gegen
die großen Zwecke des Lebens. Ich werde demnach mit dieser Arbeit warten,
bis ich durch das Landleben etwas besänftigt sein werde.

Hier folgen einige Empfehlungen für Sie, obgleich ich dies für anmaßlich
halte; aber Sie wollen es und ick thue Ihren Willen. Auch folgt hier eine
an den Feldmavschall Blücher, sofern Sie Gebrauch davon machen wollen.
An Männer, mit denen Sie bereits persönlich bekannt sind, folgen Empfehlungen
nicht mit. Ueberall bei den Empfehlungsnehmern wollen Sie meine Grüße
überbringen. Nun noch diese kurze Schilderung von einigen derselben. Rüste,
ein Gelehrter, der sich ebenfalls mit Constitutionswesen beschäftigt. Schinkel. ein
liebenswürdiger Künstler, auf Reisen gebildet, in Italien und Sicilien gewesen.
Fr. Berg, eine gelehrte Frau, die der verstorbenen Königin Leben beschrieben.
Gräfin Voß. ihre Tochter, ebenfalls gelehrte Frau. Diez, Opponent gegen
neuere Zeit und neuere Grundsätze; in Konstantinopel lange als Gesandter
gewesen^ orientalirt. Boguslawski, Gelehrter. Dichter, Sternkundiger. Wol¬
zogen. Gelehrter, Soldat, alle Feldzüge seit 1812. Viele Umstände des Krie¬
ges genau kennend. N.L. in Rußland und auch in Deutschland.

Sobald ich meine Arbeiten in Erdmannsdorf in Gang gesetzt haben werde,
gedenke ich nach Breslau zu gehen und hoffe Sie noch da zu treffen.

Wollen Sie etwa an gewisse Personen, die Sie sich auserlesen haben,
Empfehlungen, so. lassen Sie mir solche nur wissen und ich werde solche, wo
es meine Grundsätze erlauben. Ihnen zusenden.


Gehaben Sie sich wohl und empfehlen Sie mich provisorisch Ihrem
G v. Gneisenau. astfreund '
4,

.._^.^:o/
Erdmannsdorf den 13. Novemb. 1816.

Soeben gehen mehrere Nummern des Westfälischen Anzeigers bei mir
ein und mit selbigen der hier beigeschlossene Bries. den ich Ihnen lieber als¬
bald senden, als bis zu meiner Reise nach Breslau aufheben will, denn alt
dieser steht es noch weit im Felde. Ich habe nämlich dem Justizcommissarius
Catze versprochen, ihn mit nach Breslau zu nehmen, wo er Geschäfte hat; durch die
so lange gedehnten Unterhandlungen zwischen dem Grasen von Kalkreuth und mir
über unsere Güter sind des Ersteren Geschäfte in Unordnung gerathen und in


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ekelt, sind historischer Natur. Man kann sagen, wenn ein so Heller Kopf dem
Einflüsse der historischen Irrthümer nicht entgehen kann (ich hätte beinahe
gesagt: der konstanten Große historischer Irrthümer), wie könnte es ein an¬
derer. Darum gehe ich so ungern an Niederschreibung dessen, was ich gese¬
hen, denn ich stehe unter demselben Einflüsse und bei mir, als handelnder
Person, kommt noch die Leidenschaftlichkeit hinzu, womit ich erfüllt bin gegen
Indolenz. Furchtsamkeit, (politische) Selbstsucht. Mangel an Vaterlandsliebe,
Franzosensinn. Zaudern. Unentschlossenheit, Falschheit, Gleichgültigkeit gegen
die großen Zwecke des Lebens. Ich werde demnach mit dieser Arbeit warten,
bis ich durch das Landleben etwas besänftigt sein werde.

Hier folgen einige Empfehlungen für Sie, obgleich ich dies für anmaßlich
halte; aber Sie wollen es und ick thue Ihren Willen. Auch folgt hier eine
an den Feldmavschall Blücher, sofern Sie Gebrauch davon machen wollen.
An Männer, mit denen Sie bereits persönlich bekannt sind, folgen Empfehlungen
nicht mit. Ueberall bei den Empfehlungsnehmern wollen Sie meine Grüße
überbringen. Nun noch diese kurze Schilderung von einigen derselben. Rüste,
ein Gelehrter, der sich ebenfalls mit Constitutionswesen beschäftigt. Schinkel. ein
liebenswürdiger Künstler, auf Reisen gebildet, in Italien und Sicilien gewesen.
Fr. Berg, eine gelehrte Frau, die der verstorbenen Königin Leben beschrieben.
Gräfin Voß. ihre Tochter, ebenfalls gelehrte Frau. Diez, Opponent gegen
neuere Zeit und neuere Grundsätze; in Konstantinopel lange als Gesandter
gewesen^ orientalirt. Boguslawski, Gelehrter. Dichter, Sternkundiger. Wol¬
zogen. Gelehrter, Soldat, alle Feldzüge seit 1812. Viele Umstände des Krie¬
ges genau kennend. N.L. in Rußland und auch in Deutschland.

Sobald ich meine Arbeiten in Erdmannsdorf in Gang gesetzt haben werde,
gedenke ich nach Breslau zu gehen und hoffe Sie noch da zu treffen.

Wollen Sie etwa an gewisse Personen, die Sie sich auserlesen haben,
Empfehlungen, so. lassen Sie mir solche nur wissen und ich werde solche, wo
es meine Grundsätze erlauben. Ihnen zusenden.


Gehaben Sie sich wohl und empfehlen Sie mich provisorisch Ihrem
G v. Gneisenau. astfreund '
4,

.._^.^:o/
Erdmannsdorf den 13. Novemb. 1816.

Soeben gehen mehrere Nummern des Westfälischen Anzeigers bei mir
ein und mit selbigen der hier beigeschlossene Bries. den ich Ihnen lieber als¬
bald senden, als bis zu meiner Reise nach Breslau aufheben will, denn alt
dieser steht es noch weit im Felde. Ich habe nämlich dem Justizcommissarius
Catze versprochen, ihn mit nach Breslau zu nehmen, wo er Geschäfte hat; durch die
so lange gedehnten Unterhandlungen zwischen dem Grasen von Kalkreuth und mir
über unsere Güter sind des Ersteren Geschäfte in Unordnung gerathen und in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109263/23>, abgerufen am 30.05.2024.