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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. II. Band.

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die für Preußen so traurige neuenburger Angelegenheit, die noch in aller Er¬
innerung lebt und die wir daher nicht wiederholen wollen. Niemand wird
leugnen, daß die muthige und entschiedene Haltung der schweizer Regierung
und des ganzen Volkes auf das vortheilhafteste abstach gegen den Unverstand,
mit dem ihre Gegner den Conflict herbeigeführt, und das Ungeschick, mit dem
sie hernach die Angelegenheit behandelten, bis Preußen schließlich den Proceß
mit schweren Unkosten verlor. Wenn die Schweiz sich so dem Auslande
gegenüber unter ihrer neuen Verfassung in würdiger und fester Weise benahm,
so kann im Innern das letzte Jahrzehnt als ein sehr glücklicher Abschnitt ih¬
rer Geschichte bezeichnet werden, die wichtigsten Reformen im Münz-, Zoll-
und Postwesen wurden zu Stande gebracht und das Heer neu organisirt.

.Die allgemeine Aufregung, welche das Hervortreten der napoleonischen
Pläne auf Savoyen hervorrief, zeigt, daß das Volk seine Interessen zu
würdigen weiß. Man kann den Dr. Kern für einen wenig gewiegten Diplo¬
maten halten, wenn er sich durch die gleißnerischen Vorspiegelungen der Tuilerien
verhören ließ, aber der Bundesregierung wird man die Anerkennung nicht
versagen, daß sie sich mit möglichster Energie bestrebt, die Interessen des Lan¬
des zu wahren. Wenn dies, wie wir glauben, doch nicht den erwünschten Er¬
folg haben wird, so trifft der Vorwurf vor allem die strafbare Unthätigkeit
der Großmächte, vornehmlich'England. Es ist sehr leicht zu sagen, die schwei¬
zer Truppen hätten sofort Chablais und Faucigny besetzen sollen, auf wen
aber konnten sie rechnen gegen die Uebermacht Frankreichs? Die hinterlistige
und wortbrüchiche Erwerbung Savoyens hat wenigstens aller Augen über die
napoleonischen Pläne geöffnet, sie ist nur berechnet auf die Erwerbung der
französischen Schweiz, ihr tapfres Volk wird aber gewiß zeigen, daß es nicht
mehr in dem Zustande ist. den die französische Revolution vorfand, und wir
hoffen, daß die europäischen Mächte, besonders England und Preußen doch
nicht so verkommen sein werden, um einem Angriff auf die Integrität der
Schweiz ruhig zuzusehen.




Radius und die Samariter.
5.

Das alte Samaria. -- Der Brunnen Jakobs. -- Die Familie
Tokan. -- Ein weissagender Derwisch. -- Ein nablnser Kaufmann.
Der Ebal.

Da unser Aufenthalt sich auf mehre Wochen ausdehnte, so ist es natür¬
lich, daß nicht jeder Tag ein des Einregistrirens werthes Erlebniß brachte.


die für Preußen so traurige neuenburger Angelegenheit, die noch in aller Er¬
innerung lebt und die wir daher nicht wiederholen wollen. Niemand wird
leugnen, daß die muthige und entschiedene Haltung der schweizer Regierung
und des ganzen Volkes auf das vortheilhafteste abstach gegen den Unverstand,
mit dem ihre Gegner den Conflict herbeigeführt, und das Ungeschick, mit dem
sie hernach die Angelegenheit behandelten, bis Preußen schließlich den Proceß
mit schweren Unkosten verlor. Wenn die Schweiz sich so dem Auslande
gegenüber unter ihrer neuen Verfassung in würdiger und fester Weise benahm,
so kann im Innern das letzte Jahrzehnt als ein sehr glücklicher Abschnitt ih¬
rer Geschichte bezeichnet werden, die wichtigsten Reformen im Münz-, Zoll-
und Postwesen wurden zu Stande gebracht und das Heer neu organisirt.

.Die allgemeine Aufregung, welche das Hervortreten der napoleonischen
Pläne auf Savoyen hervorrief, zeigt, daß das Volk seine Interessen zu
würdigen weiß. Man kann den Dr. Kern für einen wenig gewiegten Diplo¬
maten halten, wenn er sich durch die gleißnerischen Vorspiegelungen der Tuilerien
verhören ließ, aber der Bundesregierung wird man die Anerkennung nicht
versagen, daß sie sich mit möglichster Energie bestrebt, die Interessen des Lan¬
des zu wahren. Wenn dies, wie wir glauben, doch nicht den erwünschten Er¬
folg haben wird, so trifft der Vorwurf vor allem die strafbare Unthätigkeit
der Großmächte, vornehmlich'England. Es ist sehr leicht zu sagen, die schwei¬
zer Truppen hätten sofort Chablais und Faucigny besetzen sollen, auf wen
aber konnten sie rechnen gegen die Uebermacht Frankreichs? Die hinterlistige
und wortbrüchiche Erwerbung Savoyens hat wenigstens aller Augen über die
napoleonischen Pläne geöffnet, sie ist nur berechnet auf die Erwerbung der
französischen Schweiz, ihr tapfres Volk wird aber gewiß zeigen, daß es nicht
mehr in dem Zustande ist. den die französische Revolution vorfand, und wir
hoffen, daß die europäischen Mächte, besonders England und Preußen doch
nicht so verkommen sein werden, um einem Angriff auf die Integrität der
Schweiz ruhig zuzusehen.




Radius und die Samariter.
5.

Das alte Samaria. — Der Brunnen Jakobs. — Die Familie
Tokan. — Ein weissagender Derwisch. — Ein nablnser Kaufmann.
Der Ebal.

Da unser Aufenthalt sich auf mehre Wochen ausdehnte, so ist es natür¬
lich, daß nicht jeder Tag ein des Einregistrirens werthes Erlebniß brachte.


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[0265] die für Preußen so traurige neuenburger Angelegenheit, die noch in aller Er¬ innerung lebt und die wir daher nicht wiederholen wollen. Niemand wird leugnen, daß die muthige und entschiedene Haltung der schweizer Regierung und des ganzen Volkes auf das vortheilhafteste abstach gegen den Unverstand, mit dem ihre Gegner den Conflict herbeigeführt, und das Ungeschick, mit dem sie hernach die Angelegenheit behandelten, bis Preußen schließlich den Proceß mit schweren Unkosten verlor. Wenn die Schweiz sich so dem Auslande gegenüber unter ihrer neuen Verfassung in würdiger und fester Weise benahm, so kann im Innern das letzte Jahrzehnt als ein sehr glücklicher Abschnitt ih¬ rer Geschichte bezeichnet werden, die wichtigsten Reformen im Münz-, Zoll- und Postwesen wurden zu Stande gebracht und das Heer neu organisirt. .Die allgemeine Aufregung, welche das Hervortreten der napoleonischen Pläne auf Savoyen hervorrief, zeigt, daß das Volk seine Interessen zu würdigen weiß. Man kann den Dr. Kern für einen wenig gewiegten Diplo¬ maten halten, wenn er sich durch die gleißnerischen Vorspiegelungen der Tuilerien verhören ließ, aber der Bundesregierung wird man die Anerkennung nicht versagen, daß sie sich mit möglichster Energie bestrebt, die Interessen des Lan¬ des zu wahren. Wenn dies, wie wir glauben, doch nicht den erwünschten Er¬ folg haben wird, so trifft der Vorwurf vor allem die strafbare Unthätigkeit der Großmächte, vornehmlich'England. Es ist sehr leicht zu sagen, die schwei¬ zer Truppen hätten sofort Chablais und Faucigny besetzen sollen, auf wen aber konnten sie rechnen gegen die Uebermacht Frankreichs? Die hinterlistige und wortbrüchiche Erwerbung Savoyens hat wenigstens aller Augen über die napoleonischen Pläne geöffnet, sie ist nur berechnet auf die Erwerbung der französischen Schweiz, ihr tapfres Volk wird aber gewiß zeigen, daß es nicht mehr in dem Zustande ist. den die französische Revolution vorfand, und wir hoffen, daß die europäischen Mächte, besonders England und Preußen doch nicht so verkommen sein werden, um einem Angriff auf die Integrität der Schweiz ruhig zuzusehen. Radius und die Samariter. 5. Das alte Samaria. — Der Brunnen Jakobs. — Die Familie Tokan. — Ein weissagender Derwisch. — Ein nablnser Kaufmann. Der Ebal. Da unser Aufenthalt sich auf mehre Wochen ausdehnte, so ist es natür¬ lich, daß nicht jeder Tag ein des Einregistrirens werthes Erlebniß brachte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109263/265>, abgerufen am 19.05.2024.