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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. II. Band.

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daß es unumgänglich nöthig sei, der französischen Regierung an ihren, ihr
auferlegten Zahlungen etwas zu erlassen, solches nur von den Kontributionen,
nicht aber von den Reklamationen geschehen könne , und daß demnach jeder
der Souveräne, die um den Kontributionszahlungen Antheil nehmen, bis auf
den Fürsten von Lichtenstein hernb, pro tÄts. von dem Empfangenen in die¬
sem Falle wieder herauszuzahlen hätte.

Will dies nicht die ewige Gerechtigkeit? Kann man ohne verächtlich zu
werden oder bereits zu sein, anders verfahren? Wenn Sie diese Meinung
theilen, so mögen Sie verfahren wie geboten.

Nächstens el" Mehreres. Zwischen Hoffesten, Geschäften und Eatarrh-
anfällen mangelt mir die Zeit, einen noch längeren Brief zu machen. Nicht
jedem ist wie dem Beobachter gegeben, gediegenes Gold aus seinem Ermel
fließen zu lassen. Gott befohlen! Mit wohlbegründeter Hochachtung


v. Greisen an.

?. 3. So eben fällt nur Ur. 596 des deutschen Beobachters in die Hand,
und darum eine mir auffallende Anmerkung über den Adelsursprung. Sicher¬
lich kann solcher nicht überall aus einer Kaste von Eroberern hergeleitet wer¬
den. Aber in Polen ist es höchst wahrscheinlich der Fall. Der Bauer näm¬
lich ist meist blonden Haares und Bartes, dabei nicht häufig von gefälliger
Gesichtsbildung; der Edelmann dagegen ist schwarzen oder dunkelbraunen
Bartes und Haares und der Kopf so wie die Gestalt meist von einer edleren
Form. Daraus ließen sich wol die dort noch so harten Formen der Leib¬
eigenschaft erklären.

Ist die in derselben Nummer enthaltene Angabe aus dem Zi-tua livrs
cle 1?iÄiree von 22,818,000 Morgen Ackerland nicht etwa ein Druckfehler? Da
käme ja kein Morgen auf jede Seele? Freilich ist der französische Morgen grö¬
ßer, als der Magdeburger; aber denn doch? Wenn man auch 5 Berliner Scheffel
reinen Ertrag, nach Abzug der Saat, aus den französischen Morgen annähme
und das ist im Durchschnitt schon viel, so kämen noch nicht zwei Berliner
Scheffel auf einen Menschen in einem Lande, wo nur wenig Kartoffeln gebaut
werden und wenig Fleisch verzehrt, in den südlichen Provinzen sogar nur
wenig Milch, und Käse, und wo in gewöhnlichen Jahren Getreide ausgeführt
wird?


11.

Berlin den 23. Sept. 1818.


Verehrter Herr Doktor!

Was mögen Sie von mir denken. Herr Doktor, daß ich Ihnen auf zwei
Ihrer Briefe noch nicht geantwortet habe? Allein einmal geht mir das Schreiben
nicht so gut von der Hand wie Ihnen und dann hatte ich daheim mit Bau
und Hochzeit und Literatur so viel zu thun, daß ich wirklich ganz verstockt


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daß es unumgänglich nöthig sei, der französischen Regierung an ihren, ihr
auferlegten Zahlungen etwas zu erlassen, solches nur von den Kontributionen,
nicht aber von den Reklamationen geschehen könne , und daß demnach jeder
der Souveräne, die um den Kontributionszahlungen Antheil nehmen, bis auf
den Fürsten von Lichtenstein hernb, pro tÄts. von dem Empfangenen in die¬
sem Falle wieder herauszuzahlen hätte.

Will dies nicht die ewige Gerechtigkeit? Kann man ohne verächtlich zu
werden oder bereits zu sein, anders verfahren? Wenn Sie diese Meinung
theilen, so mögen Sie verfahren wie geboten.

Nächstens el» Mehreres. Zwischen Hoffesten, Geschäften und Eatarrh-
anfällen mangelt mir die Zeit, einen noch längeren Brief zu machen. Nicht
jedem ist wie dem Beobachter gegeben, gediegenes Gold aus seinem Ermel
fließen zu lassen. Gott befohlen! Mit wohlbegründeter Hochachtung


v. Greisen an.

?. 3. So eben fällt nur Ur. 596 des deutschen Beobachters in die Hand,
und darum eine mir auffallende Anmerkung über den Adelsursprung. Sicher¬
lich kann solcher nicht überall aus einer Kaste von Eroberern hergeleitet wer¬
den. Aber in Polen ist es höchst wahrscheinlich der Fall. Der Bauer näm¬
lich ist meist blonden Haares und Bartes, dabei nicht häufig von gefälliger
Gesichtsbildung; der Edelmann dagegen ist schwarzen oder dunkelbraunen
Bartes und Haares und der Kopf so wie die Gestalt meist von einer edleren
Form. Daraus ließen sich wol die dort noch so harten Formen der Leib¬
eigenschaft erklären.

Ist die in derselben Nummer enthaltene Angabe aus dem Zi-tua livrs
cle 1?iÄiree von 22,818,000 Morgen Ackerland nicht etwa ein Druckfehler? Da
käme ja kein Morgen auf jede Seele? Freilich ist der französische Morgen grö¬
ßer, als der Magdeburger; aber denn doch? Wenn man auch 5 Berliner Scheffel
reinen Ertrag, nach Abzug der Saat, aus den französischen Morgen annähme
und das ist im Durchschnitt schon viel, so kämen noch nicht zwei Berliner
Scheffel auf einen Menschen in einem Lande, wo nur wenig Kartoffeln gebaut
werden und wenig Fleisch verzehrt, in den südlichen Provinzen sogar nur
wenig Milch, und Käse, und wo in gewöhnlichen Jahren Getreide ausgeführt
wird?


11.

Berlin den 23. Sept. 1818.


Verehrter Herr Doktor!

Was mögen Sie von mir denken. Herr Doktor, daß ich Ihnen auf zwei
Ihrer Briefe noch nicht geantwortet habe? Allein einmal geht mir das Schreiben
nicht so gut von der Hand wie Ihnen und dann hatte ich daheim mit Bau
und Hochzeit und Literatur so viel zu thun, daß ich wirklich ganz verstockt


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[0029] daß es unumgänglich nöthig sei, der französischen Regierung an ihren, ihr auferlegten Zahlungen etwas zu erlassen, solches nur von den Kontributionen, nicht aber von den Reklamationen geschehen könne , und daß demnach jeder der Souveräne, die um den Kontributionszahlungen Antheil nehmen, bis auf den Fürsten von Lichtenstein hernb, pro tÄts. von dem Empfangenen in die¬ sem Falle wieder herauszuzahlen hätte. Will dies nicht die ewige Gerechtigkeit? Kann man ohne verächtlich zu werden oder bereits zu sein, anders verfahren? Wenn Sie diese Meinung theilen, so mögen Sie verfahren wie geboten. Nächstens el» Mehreres. Zwischen Hoffesten, Geschäften und Eatarrh- anfällen mangelt mir die Zeit, einen noch längeren Brief zu machen. Nicht jedem ist wie dem Beobachter gegeben, gediegenes Gold aus seinem Ermel fließen zu lassen. Gott befohlen! Mit wohlbegründeter Hochachtung v. Greisen an. ?. 3. So eben fällt nur Ur. 596 des deutschen Beobachters in die Hand, und darum eine mir auffallende Anmerkung über den Adelsursprung. Sicher¬ lich kann solcher nicht überall aus einer Kaste von Eroberern hergeleitet wer¬ den. Aber in Polen ist es höchst wahrscheinlich der Fall. Der Bauer näm¬ lich ist meist blonden Haares und Bartes, dabei nicht häufig von gefälliger Gesichtsbildung; der Edelmann dagegen ist schwarzen oder dunkelbraunen Bartes und Haares und der Kopf so wie die Gestalt meist von einer edleren Form. Daraus ließen sich wol die dort noch so harten Formen der Leib¬ eigenschaft erklären. Ist die in derselben Nummer enthaltene Angabe aus dem Zi-tua livrs cle 1?iÄiree von 22,818,000 Morgen Ackerland nicht etwa ein Druckfehler? Da käme ja kein Morgen auf jede Seele? Freilich ist der französische Morgen grö¬ ßer, als der Magdeburger; aber denn doch? Wenn man auch 5 Berliner Scheffel reinen Ertrag, nach Abzug der Saat, aus den französischen Morgen annähme und das ist im Durchschnitt schon viel, so kämen noch nicht zwei Berliner Scheffel auf einen Menschen in einem Lande, wo nur wenig Kartoffeln gebaut werden und wenig Fleisch verzehrt, in den südlichen Provinzen sogar nur wenig Milch, und Käse, und wo in gewöhnlichen Jahren Getreide ausgeführt wird? 11. Berlin den 23. Sept. 1818. Verehrter Herr Doktor! Was mögen Sie von mir denken. Herr Doktor, daß ich Ihnen auf zwei Ihrer Briefe noch nicht geantwortet habe? Allein einmal geht mir das Schreiben nicht so gut von der Hand wie Ihnen und dann hatte ich daheim mit Bau und Hochzeit und Literatur so viel zu thun, daß ich wirklich ganz verstockt Grcnzlwten II, !360. 3

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109263/29>, abgerufen am 19.05.2024.